Myxödem prätibiales E03.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 12.09.2023

This article in english

Synonym(e)

Elephantiasic pretibial myxedema; Localized myxedema (engl.); Myxoderma tuberosum praetibiale; Myxodermia circumscripta symmetrica praetibiale; Myxoedema circumscriptum symmetricum praetibiale; Myxoedeme circonscrit; Myxoedeme lichenoide; Myxoedeme pretibial thyrotoxique; Myxoedeme tubereux; Myxoedem prätibiales; Myxoedem zirkumskriptes prätibiales; Myxoederma circumscriptum thyreotoxicum; Prätibiales Myxödem; Prätibiales Myxoedem; pretiabial myxedema (emgl.); Zirkumskriptes prätibiales Myxoedem

Definition

Prätibiale (seltener auch im Bereich der Unterarme oder der Schultern) Einlagerungen von Glukosaminglykanen in Kutis und Subkutis bei einer zugrundeliegenden Schilddrüsenfunktionsstörung (meist bei Hyperthyreose, v.a. bei Immunogener Hyperthyreose vom Basedow-Typ,  seltener bei Hypothyreose  z.B. nach Thyroidektomie).

Ätiopathogenese

Wie bei der endokrinen Orbitopathie kommt es zu einer Steigerung der Synthese von Hyaluronsäure durch Fibroblasten im subkutanen Gewebe der prätibialen Regionen. Die Ursache hierfür ist letztlich unklar. Als auslösende Faktoren werden TSH (thyreotropes Hypophysenvorderlappenhormon) und ESF (Exophthalmus stimulierender Faktor) sowie vor allem LATS (long acting thyreoid stimulating hormone) oder auch der  "Insulin-like growth factor" diskutiert.

Bei einzelnen Fällen fehlt ein endokrinologischer Bezug. 

Manifestation

Bei Patienten mit immunogener Hyperthyreose (Morbus Basedow/Graves disease). Auch bei Hashimoto Thyreoiditis, nach Thyreoidektomie oder nach Behandlung mit Thyreostatika.

f>m; vorzugsweise bei Patienten >35 LJ 

1-5% der Patienten mit M. Basedow erkranken an einem prätibialen Myxödem, sowie etwa 25% der Patienten mit Exophthalmus.

Lokalisation

Symmetrisch an den Unterschenkelstreckseiten.

Klinisches Bild

Umschriebene prätibiale, gelblich-bräunliche oder weißlich-graue, feste, schwer oder nicht eindrückbare, ansonsten symptomlose Schwellungen, die meist als dermatologische Teilsymptome des M. Basedow (= Graves`disease) auftreten. Häufig  durch Einziehungen der Follikelostien, apfelsinenschalenartiger Oberfläche. Das prätiabiale Ödem kann auch bei Hashimoto Thyreoiditis, aber auch ohne erkennbare Schilddrüsenekrankungen auftreten.

Selten ist eine Akropachie (keulenförmige Auftreibung der Finger- oder Zehenendglieder). Teigige Schwellungen können auch an den Unterschenkelrückseiten, im Gesicht und der Schulterregion auftreten. Bei etwa 10% der Patienten tritt eine Onycholyse (häufig Ringfinger) auf.   

Bei längerem Bestand auch  Elephantiasis-artige Anschwellungen der gesamten Unterschenkel. Diese sind meist mit einer verrukösen epidermalen Hyperplasie mit Hyperkeratosen, Juckreiz und Hypertrichose verbunden.

Seltener können Myxödeme auch im Gesicht, Schultern und den oberen Extremitäten auftreten (s.u. Myxoedem zirkumskriptes).

Histologie

Die Epidermis ist leicht akanthotisch; orthokeratotische oder orthohyperkeratotische Verhornung. Massive Muzindepots in der mittleren und tiefen Dermis; diese erscheinen im HE-Schnitt als optisch leere Räume (Fixierungsartefakt), zwischen auseinander gedrängten kollagenen Faserbündeln (Nachweis des Muzins gelingt am besten in der Alcianblau-Färbung). Fibroblasten nur gering vermehrt. Geringes diffuses oder perivaskuläres lymphozytäres Infiltrat. In vereinzelten Fällen finden sich Veränderungen die an ein spindelzelliges Lipom erinnern (Bolton E et al. 2022).

Therapie

Die Behandlung ist schwierig. Relativ gute Erfolge werden durch eine konsequente  Kompressionstherapie erzielt (insbes. segmentale Kompression; s.u. Lymphdrainage).

Bei mäßigem oder ausbleibendem Erfolg Glukokortikoidkristallsuspension wie Triamcinolon (z.B. Volon A verdünnt 1:1 mit LA wie Scandicain), externe potente Glukokortikoide unter Okklusion wie Clobetasol (z.B. Dermoxin Creme), ggf. operative Entfernung des störenden Gewebes. Nach Absetzen der Therapie kommt es häufig zu Rezidiven.

Erfolgsversprechend (und als therapeutische Option empfehlenswert), erwies sich in einer Kasuistik die lokale Radiotherapie (Elsayad K et al. 2015). 

Spontanheilungen können auftreten (durchschnittlich nach 3,5 Jahren).

Von der Plasmapherese werden unterschiedlich gute Resultate berichtet.

Interne Therapie

Behandlung der Hyperthyreose durch Internisten. Bei ausbleibendem Erfolg lokaler Therapie ggf. Versuch mit systemischen Glukokortikoiden, wie Prednisolon (z.B. Decortin H) in mittlerer Dosierung.

Verlauf/Prognose

Teilweise Rückbildung bei Normalisierung der Schilddrüsen- bzw. Hypophysenfunktion, Rezidivneigung.

Fallbericht(e)

Ein 72-jähriger äthiopischer Patient mit einem sehr seltenen Fall eines durch Biopsie nachgewiesenen prätibialen Myxödems in einem euthyreoten Zustand ohne Vorgeschichte einer Schilddrüsenerkrankung und ohne Schilddrüsen-Autoimmunmarker. Die Hautläsion bildete sich nach topischer Anwendung von Kortikosteroiden zurück. (s.Abb./Ambachew R et al. 2021)

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Ambachew R et al. (2021) Pretibial myxedema in a euthyroid patient: a case report. Thyroid Res 14:4.
  2. Anderson CK et al. (2003) Triad of exophthalmos, pretibial myxedema, and acropachy in a patient with Graves' disease. J Am Acad Dermatol 48: 970-972
  3. Bartalena L et al. (2014) Extrathyroidal manifestations of Graves' disease: a 2014 update. J Endocrinol Invest 37:691-700
  4. Bolton E et al. (2022) Localized myxedema histologically mimicking spindle cell lipoma. Dermatol Online J 28.
  5. Cho S et al. (2001) Graves' disease presenting as elephantiasic pretibial myxedema and nodules of the hands. Int J Dermatol 40: 276-277
  6. Elsayad K et al. (2015) Radiation therapy as part of the therapeutic regimen for extensive multilocular myxedema in a patient with exophthalmos, myxedema and osteoarthropathy syndrome: A case report. Oncol Lett9:2404-2408. 
  7. Georgala S et al. (2002) Pretibial myxedema as the initial manifestation of Graves' disease. J Eur Acad Dermatol Venereol 16: 380-383
  8. Heise P et al. (1992) Myxoedema circumscriptum symmetricum praetibiale. Dermatol Mon 178: 205–206
  9. Ishizawa T et al.(1998) Pretibial myxedema with Graves' disease: a case report and review of Japanese literature. J Dermatol 25:264-268.
  10. Lan C et al. (2015) A Randomized Controlled Trial of Intralesional Glucocorticoid for Treating Pretibial Myxedema. J Clin Med Res 7:862-872.
  11. Mir M et al. (2011) Pretibial mucinosis in a patient without Graves disease. Cutis 88:300-302
  12. Nair PA et al. (2014) Pretibial Myxedema Associated with Euthyroid Hashimoto's Thyroiditis: A Case Report. J Clin Diagn Res PubMed PMID: 25121051
  13. Schleicher SM et al. (1994) Treatment of pretibial mucinosis with gradient pneumatic compression. Arch Dermatol 130: 842–844
  14. Schwartz KM et al. (2002) Dermopathy of Graves' disease (pretibial myxedema): long-term outcome. J Clin Endocrinol Metab 87: 438-446
  15. Susser WS et al. (2002) Elephantiasic pretibial myxedema: a novel treatment for an uncommon disorder. J Am Acad Dermatol 46: 723-726

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 12.09.2023