Lyme-Borreliose A69.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. Rupert Florian

Co-Autor: Hadrian Tran

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Zuletzt aktualisiert am: 08.12.2021

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Synonym(e)

Borreliose; Borreliose chronische; Dermatoborreliose; Erythema migrans-Krankheit; Erythema-migrans-Krankheit; Lyme Borreliose; Lyme disease; Lyme-Krankheit; Neuroborreliose; Zecken-Borreliose

Definition

Unter "Lyme-Borreliose" werden gemäß der Festlegung, die im Jahr 1985 in Wien auf dem „Second International Symposium on Lyme Disease and Related Disorders“ getroffen wurde, alle durch Infektionen mit B. burgdorferi s.l. (s.u. Borrelien) verursachten klinischen Manifestationen des Menschen subsumiert. Demnach ist die Lyme-Borreliose des Menschen eine multisystemische Spirochätose, die sowohl als milde Lokalinfektion als auch als stadienhaft verlaufende, chronische Multisystem-Spirochätose verlaufen kann.  Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit. Der Erreger wird durch Schildzecken (Ixodes ricinus, der gemeine Holzbock) übertragen.

Erreger

Borrelia burgdorferi (s.u. Borrelien): fadenförmige, gewundene, lebhaft bewegliche Spirochäte. Überträger sind Zecken (Ixodes ricinus, I. dammini u.a.), die in Mittel-, Ost- und Nordeuropa und Amerika ubiquitär vorkommen, selten auch Insekten, z.B. Stomoxys calcitrans.

Etwa 5-35% der Zecken sind mit Borrelien befallen, wobei adulte Zecken etwa zu 20%, Nymphen zu 10% und Larven zu etwa 1% infiziert sind. Diaplazentare Infektion ist möglich.

In Europa sind bisher 5 pathogene Spezies von B. burgdorferi beschrieben:

  • B. afzelii
  • B. garinii
  • B. bavariensis
  • B. burgdorferi sensu stricto
  • B. spielmanii

Borrelia burgdorferi sensu lato wird in Europa durch Zeckenstiche übertragen. In den USA wird ausschließlich B. burgdorferi sensu stricto beobachtet.

Vorkommen/Epidemiologie

Häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in Europa und Nordamerika. Etwa 5-35% der Zecken sind mit Borrelien befallen. In Europa kommen alle 3 Gruppen von Borrelien vor. Weiterhin an der West- und Ostküste der USA.  Borrelien-Infektionen treten auch in China auf.  

Inzidenz: Zur Inzidenz der Lyme-Borreliose des Menschen gibt es in Deutschland nur grobe Schätzungen, da bislang nur in einigen Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) eine Meldepflicht besteht. Meldepflichtige Manifestationen der Lyme-Borreliose sind das Erythema migrans, die frühe Neuroborreliose und die akute Lyme-Arthritis.

In Jahre 2009 betrug die jährliche Inzidenz in den neuen Bundesländern 34,7 Meldefälle pro 100.000 Einwohner. Ergebnisse von zwei bevölkerungsbezogenen prospektiven Kohortenstudien in Süddeutschland zeigten Jahresinzidenzen zwischen 111 und 260 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland wird auf 50.000 bis 100.000 geschätzt.

Adulte Zecken sind im Durchschnitt zu 20% befallen, Nymphen zu 10% und Larven nur zu etwa 1%. Nach einem Zeckenstich ist bei 1,5-6% der Betroffenen mit einer Infektion (Serokonversion) und bei 0,3-1,5% mit einer manifesten Erkrankung zu rechnen. Das Infektionsrisiko ist von Ende Mai bis Ende Juli am größten; seltener sind Infektionen im Herbst oder an warmen Wintertagen. 

Manifestation

Alle Altersstufen sind betroffen.

Klinisches Bild

Einteilung in 3 Stadien, wobei jedes Stadium die Erstmanifestation der Erkrankung darstellen kann und Stadien übersprungen werden können (s. Tabelle 1):

  • Stadium I (lokalisierte Frühinfektion): Leitsymptom ist das Erythema chronicum migrans. Evtl. begleitend: regionale Lymphknotenschwellung, leichte Allgemeinsymptome (Fieber, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen). In diesem Stadium der Erkrankung ist die Borrelienserologie meist negativ. Der klinische Befund ist diagnostisch.
  • Stadium II (disseminierte Frühinfektion; 6-8 Wochen nach dem Zeckenstich). Häufig keine klinischen Symptome):
    • Unspezifische Exantheme, Wangenerytheme,  Erythema nodosum, Arthralgien, Myalgien, Myo-/Perikarditis, rezidivierende Hepatitis, Konjunktivitis, evtl. Panophthalmitis, Lymphknoten- und Milzschwellung. Unter Umständen schweres Krankheitsgefühl.
    • Lymphadenosis cutis benigna (Lymphozytom)
    • Frühe Neuroborreliose: Meningopolyneuritis Garin-Bujadoux-Bannwarth (starke nächtliche Kopfschmerzen, unilaterale Radikulitis mit schmerzhaften Lähmungen, evtl. diskrete Enzephalitis).
    • Das (seltene) multiple Auftreten des klinisch klassischen "Erythema chronicum migrans" ist als kutanes Zeichen der Dissemination der Borrelieninfektion zu sehen. Häufiger sind im Rahmen der disseminierten Frühinfektion große, homogen hellrote, scharf begrenzte, wenig symptomatische  kreisförmige oder ovale Erytheme; nicht selten sind sie auch nur diskret wahrnehmbar oder nur bei Wärme sichtbar. Bei Kindern ist meist auch das Gesicht betroffen (Differenzialdiagnose!). 
  • Stadium III (Spätinfektion mit Organmanifestation): In diesem Stadium treten in Europa v.a. neurologische Symptome in Form eines Bannwarth-Syndroms auf. Das Bannwarth-Syndrom beschreibt heftig radikuläre, insbesondere nächtliche Schmerzen mit asymmetrischen Paresen der Extremitäten. Zusästzlich kann es zu Hirnnervenausfällen kommen (häufig Fazialisparese (zu 1/3 der Fälle bds.) und Abduzensparese). In USA wird häufiger die Lyme-Arthritis beobachtet. Das Stadium III geht stets mit einer positiven Borrelienserologie einher. Ein serologischer Negativbefund schließt die Erkrankung aus!
    • Klinisch-dermatologisches Leitsymptom des Stadium III ist in Europa die Acrodermatitis chronica atrophicans (Klinik und Differenzialdiagnose s. dort). 
    • Selten wird eine noduläre Pannikulitis als hypererge Reaktion auf eine Borrelieninfektion beobachtet..
    • Die Lyme-Arthritis kennzeichnet sich durch ein typisches Gelenkbefallmuster mit Mon- oder Oligoarthritis 
    • Sehr selten ist eine Doppelinfektion mit dem  Frühsommermeningoenzephalitis-Virus. Klinisches Zeichen ist das Bild der "Progressiven Enzephalomyelitis", ähnlich der Enzephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose).

Postinfektiöses Lyme-Borreliose-Syndrom (post Lyme disease): Auch nach Abheilung der borrelientypischen HV durch eine suffiziente antibiotische Therapie können noch über Monate ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Muskel-und Gelenkschmerzen persistieren.

Merke! Die Lyme-Borreliose muß nicht jedes Stadium durchlaufen, sondern kann ein Stadium überspringen bzw. erst mit Stadium II oder III klinisch manifest werden!

Labor

Antikörper lassen sich in den ersten 2 Wochen nach Infektion bei 50%, nach > 4 Wochen bei 80% der Patienten nachweisen. Mittels serologischer Parameter kann nicht zwischen einem aktiven und einer vergangenen Infektion unterschieden werden (Antikörper verbleiben selbst nach adäquat behandelter Infektion Monate bis Jahre).    

Die Richtlinien der mikrobiologischen Qualitätsstandards (MiQ = Akronym für "Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik") empfehlen mit einem sensitiven ELISA getrennte IgG- und IgM-Antikörper nachzuweisen und bei Positivität eine Analyse mit einem spezifischen Immunoblot vorzunehmen.

Wegen der diagnostischen Lücke von 2-5 Wochen für IgM bzw. 2-3 Monaten für IgG, kann ein Nachweis von Borrelien-Antigenen mittels PCR aus befallenem Hautmaterial erfolgen.

Experimentell: Versuch der kulturellen Anzüchtung des Erregers aus bioptischem Material (Barbour-Stoenner-Kelly Medium in mikroaerophiler Umgebung bei Temperatur von 33 °C).
 

 

IgM-Westernblot positiv bei Nachweis von 1 oder mehr Banden von: p17, OspC, p39,p41                                 
IgG-Westernblot

positiv bei Nachweis von 2 oder mehr Banden von: p14, p17, OspC, p30, p39, p43, p58, p83/100

und Nachweis von 1 oder mehr Banden von: dpbA (osp17), p17b, p21, OspC, p58, p30, p39, p43, p83/100 (Pbi, Borrelia garinii)

 

Die Interpretation der Befunde erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Antikörperprävalenz der Normalbevölkerung bei Kleinkindern etwa 1% und bei Personen >60 Jahre >25% beträgt.

Neuroborreliose: Für den Nachweis der Neuroborreliose hat die Bestimmung des Liquor-Serum-Index einen hohen diagnostischen Stellenwert. Hierbei wird bestimmt, ob im Liquor-Antikörper (intrathekal gebildete AK) gegen Borrelien produziert werden. Im Zusammenhang mit einer lymphozytären Pleozytose (in der Regel liegt die Leukozytenzahl < 1000/ul, bei deutlicher Lymphozytose), Proteinerhöhung (1 g/l und mehr) und Schrankenstörung kann die Diagnose in den meisten Fällen gesichert werden. Manchmal werden schon AK gefunden, wenn der Serumantikörpertest noch negativ ist oder sich noch im grenzwertigen Bereich befindet.

Diagnose

Das klinische Bild ist für die dermatologischen Krankheitsbilder in vielen Fällen diagnostisch wegweisend. Weiterhin wichtig: Anamnese (bzgl. Zeckenstich häufig positiv). Nachweis der Infektion durch positive Borrelien-Serologie; ggf. Biopsie mit Nachweis des Borrelien Antigens mittels PCR.

Differentialdiagnose

Frühinfektion:

Disseminierte Frühinfektion:

  • Erythema anulare centrifugum. Multiple, teils anuläre, teils auch polyzyklische, langsam zentrifugal wachsende, typischerweise oberflächenglatte, wenig oder gar nicht juckende Plaques. Nahezu pathognomonisch ist der Tastbefund (gleicht einem nassen Wollfaden): mit einem derben Randwall. Histologie ist häufig charakteristisch. In dieser Krankheitsphase der Lyme-Borreliose ist eine positive Serologie zu erwarten.
  • Arzneimittelexanthem, makulo-papulöses: Serologischer Nachweis der Borrelieninfektion kann in dieser Infektionsphase stets geführt werden. 
  • Bei Auftreten eines Gesichtserythems bei Kindern: Erythema infectiosum: Akutes Krankheitsbild mit schmetterlingsförmiger Rötung und Schwellung der Wangen (bei 75% der Erkrankten: Ohrfeigengesicht; slapped cheeck appearance).

Spätinfektion der Haut

Komplikation(en)

Entwicklung von kutanen B-Zell-Lymphomen wurde in Einzelfällen beschrieben (s. hierzu unter: Primär kutanes Marginalzonenlymphom).

Therapie

Stadium I:

  • Bei lokalisierter Frühinfektion (Erythema chronicum migrans) orale Doxycyclin-Therapie (2x100mg/Tag p.o. oder 200mg 1x/Tag p.o.) über 14 Tage. Eine höhere Dosierung ist nicht notwendig.
  • Alternativ: Amoxicillin (z.B. Amoxicillin ratiopharm) 3mal/Tag 500 (-750) mg p.o. über 14 Tage
  • Alternativ: Cefuroxim (z.B. Cefuhexal) 2mal/Tag 500 mg p.o. über 14 Tage.
  • Alternativ: Azithromycin 2x250mg p.o. über 10 Tage.
  • Kinder:
    • Amoxicillin 50 mg/kg KG/Tag p.o. aufgeteilt auf 3 Tagesdosen über 14 Tage
    • Alternativ: Cefuroxim (z.B. Cefuhexal) 20-30 mg/kg KG p.o. aufgeteilt auf 2 Tagesdosen über 14 Tage.
    • Ab dem 9. Lebensjahr Doxycyclin (z.B. Doxycyclin AL) 2mal/Tag 100 mg p.o. bzw. 4 mg/kg KG/Tag über 14 Tage. Bei Kindern <8 Jahre ist Doxycyclin kontraindiziert.

Stadium II:

  • Doxycyclin 1mal/Tag 200 mg p.o. über 21 Tage
  • Alternativ: Amoxicillin 3mal/Tag 750 mg p.o. über 21 Tage
  • Alternativ: Cefuroxim 2x500mg über 21 Tage
  • Alternativ: Ceftriaxon (z.B. Rocephin, Ceftriaxon® ratiopharm) 1mal/Tag 2 g i.v. über 21 Tage.
  • Leichtere Manifestationen des Stadium II sollten oral über 2 Wochen behandelt werden, dies gilt auch für Kinder.
  • Befall des zentralen Nervensystems:
    • Bei dieser Konstellation ist in jedem Fall der systemischen Applikation von Cephalosporinen wie Ceftriaxon, z.B. Rocephin® 1mal/Tag 2 g i.v. über 21 Tage, der Vorzug zu geben. Die antibiotischen Zyklen sollten je nach Klinik in 3-monatigen Abständen wiederholt werden und aufgrund der Generationszeiten der Borrelien mindestens 14 Tage dauern.
      • Kinder:
        •  Ceftriaxon (z.B. Rocephin, Ceftriaxon ratiopharm) 50-100 mg/kg KG/Tag i.v. über 14 Tage.
        • Alternativ: Cefotaxim 200 mg/kg KG/Tag, max. 3mal/Tag 2 g i.v. über 14 Tage (bzgl. Therapiewiederholungen s.o.). Benzylpenicillin 500.000 IE/kg KG/Tag, max. 10 Mio IE/Tag, 4-6 ED i.v. über Tage.
        • Ab Alter > 9 Jahre: Doxycyclin (z.B. Doxycyclin AL) 2mal/Tag 100 mg p.o. bzw. 4 mg/kg KG/Tag über 14 Tage.

Stadium III: Die Therapiedauer eines Therapiezyklus sollte 3 bis maximal 4 Wochen dauern. Acrodermatitis chronica atrophicans und Borrelien-Arthritis können primär mit einem oralen Antibiotikum behandelt werden.

  • Doxycyclin 1mal/Tag 200 mg p.o. über 21 Tage
  • Alternativ: Amoxicillin 3mal/Tag 750 mg p.o. über 21 Tage.
  • Alternativ: Bei ungenügendem klinischen Ansprechen, bei Rezidiven oder komplettem Therapieversagen ist die Therapie auf eine i.v.-Behandlung umzustellen, z.B. Ceftriaxon 1mal/Tag 2 g i.v. (alternativ: Cefotaxim 3mal/Tag 2 g i.v.) über 21 Tage oder Penicillin G 4mal/Tag 5 Mega i.v. über 21 Tage.
  • Borrelien-Karditis: Analog zum klinischen Stadium II.
  • Borrelien-Arthritis: Analog zum klinischen Stadium II.
  •  Merke! Acrodermatitis chronica atrophicans: Die Aktivität des Prozesses sollte klinisch und histologisch kontrolliert werden! Antikörpertiterkontrollen sind für den Verlauf des Heilungsprozesses wenig aussagefähig, daher ist hierzu besser eine Borrelien-PCR anzuwenden. Hautatrophien sind nur in geringem Umfang reversibel.

    • Bei Kindern und in der Schwangerschaft:
      • Amoxicillin (z.B. Amoxicillin ratiopharm®) 50 mg/kg KG/Tag p.o. in 3 ED
      • Alternativ: Ceftriaxon (z.B. Rocephin®) 20-80 mg/kg KG/Tag i.v.
      • Alternativ: Erythromycin (z.B. Erythro-Hefa® Saft) 3mal/Tag 100-500 mg p.o.
      • Alternativ: Clarithromycin (z.B. Klacid®) 15 mg/Tag/kg KG über 7-10 Tage.

Bei Immunsupprimierten: Therapieempfehlungen in den einzelnen Stadien bleiben unverändert. Schwangerschaft:

  • Beim Erythema chronicum migrans: Amoxicillin (3mal/Tag 500 mg p.o. über 2-3 Wochen), bei strenger Indikationsstellung Cefuroxim 2mal/Tag 500 mg p.o. über 2 -3 Wochen); im Falle einer Beta-Lactamallergie empfiehlt sich Azithromycin (2mal/Tag 250 mg p.o. über 2-5 Tage). Auch Penicillin V ist eine Alternative.

Postinfektiöses Lyme-Borreliose-Syndrom (post Lyme disease):

  • Diese postinfektiösen "rheumatoiden" Beschwerden werden konsequent antiphlogistisch behandelt.

Verlauf/Prognose

Günstig. Die meisten Symptome sind selbstlimitierend. Unterschiedlicher Verlauf der Erkrankung in Europa und Nordamerika. Die spontane Ausheilung im Stadium 1 (Erythema chronicum migrans als alleiniges Symptom) ist in Europa wesentlich häufiger als in den USA, wo Organbeteiligungen eher im Vordergrund stehen. Typische Manifestation des 3. Stadiums der Erkrankung ist in Europa die Acrodermatitis chronica atrophicans, in Nordamerika die Lyme-Arthritis.

Nicht selten klagen die Patienten auch nach Abheilung der Borrelien-typischen Hautläsionen durch eine lege artis durchgeführte antibiotische Therapie noch über Monate über ein allgemeines Schwäche -  und Krankheitsgefühl mit Muskel-und Gelenkbeschwerden. Diese unspezifischen Symptome werden als "postinfektiöses Syndrom" bezeichnet. Irreführend ist die Bezeichnung "chronische Borreliose" für dieses Krankheitsbild. Für eine Erregerpersistenz gibt es keine Hinweise. Eine antibiotische Therapie erübrigt sich. Stattdessen längerzeitige antiphlogistische Therapie.   

Prophylaxe

Hinsichtlich einer prophylaktischen Gabe nach einem Zeckenstich sind die Haltungen der unterschiedlichen Fachgesellschaften unterschiedlich. So lehnen beispielsweise die aktuellen Leitlinien der französischen wissenschaftlichen Fachgesellschaft die Einleitung einer Antibiotikatherapie ab. Hingegen empfehlen die US-amerikanischen Fachgesellschaften der Rheumatologen, Neurologen und Infektiologen (2020) eine Einzeldosis Doxycyclin nach einem Zeckenbiss.

In einer Metaanalyse mit 376 Patienten wurde ein Risikoverhältnis (relative risk=RR) für die Raten ungünstiger Ereignisse (z.B. Lyme-Borreliose oder Erytheme migrans) bei Patienten, die eine Intervention erhielten, im Vergleich zur jeweiligen Kontrollgruppe mit Antibiotika-freier Standardtherapie berechnet. In der Gruppe mit oraler Antibiose erlitten 0,2% ein ungünstiges Ereignis (95 %-KI: 0,0–1,0 %), in der Kontrollgruppe waren es 2,5% (95 %-KI: 1,7–3,5 %). Gepooltes Risikoverhältnis (relative risk RR): 0,29 (95 %-KI: 0,15–0,57).In der Subgruppe der Patienten, die ein Antibiotikum über zehn Tage erhielten, kam es zu keinem ungünstigen Ereignis, bei den Kontrollen hingegen bei 1,3% (95 %-KI: 0,3–2,9 %); gepooltes RR: 0,28 (95 %-KI: 0,05–1,67).

Wurden nur die Patienten, die eine Einzeldosis mit 200mg Doxycyclin erhielten, mit Kotrollen verglichen, ergab sich eine gepoolte Ereignisrate von  0,8 % (95 %-KI: 0,4–1,4 %) vs. Kontrolle mit  3,0 % (95 %-KI: 2,0–4,2 %). Das entspricht einem gepoolten RR von: 0,29 (95 %-KI: 0,14–0,60).

Konsequenz dieser Analyse ist die Empfehlung einer einmaligen Dosis von 200mg Doxycyclin p.o. nach einem Zeckenstich. (Zhou G et al. 2021)

Prophylaxe

Repellents: Bei milder Witterung Unterholz und hohes Gras meiden, geschlossene, helle Kleidung und festes Schuhwerk tragen. Hosenbeine in die Socken stecken. Beine und Arme mit Repellents einreiben (bis 4 Std. wirksam). Nach Exposition gesamten Körper inspizieren.

Frühe Entfernung der Zecke: Bei Zeckenstich mit noch vorhandener Zecke: Entfernung der Zecke, dünne, feste Pinzette verwenden, die Zecke möglichst nahe der Stechwerkzeuge fassen und herausziehen. Der Zeckenleib sollte nicht gequetscht und nicht mit Öl oder Klebstoffen bedeckt werden, um eine verstärkte Absonderung des erregerhaltigen Speichels zu vermeiden. Je früher die Zecke entfernt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Erregerübertragung (ab 12 Std. nach dem Stich).

Orale Antibiose: Hinsichtlich einer prophylaktischen Gabe nach einem Zeckenstich sind die Haltungen der unterschiedlichen Fachgesellschaften unterschiedlich. So lehnen beispielsweise die aktuellen Leitlinien der französischen wissenschaftlichen Fachgesellschaft die Einleitung einer Antibiotikatherapie ab. Hingegen empfehlen die US-amerikanischen Fachgesellschaften der Rheumatologen, Neurologen und Infektiologen (2020) eine Einzeldosis Doxycyclin nach einem Zeckenbiss. In einer Metaanalyse mit 376 Patienten wurde ein Risikoverhältnis (relative risk=RR) für die Raten ungünstiger Ereignisse (z.B. Lyme-Borreliose oder Erytheme migrans) bei Patienten, die eine Intervention erhielten, im Vergleich zur jeweiligen Kontrollgruppe mit Antibiotika-freier Standardtherapie berechnet. In der Gruppe mit oraler Antibiose erlitten 0,2% ein ungünstiges Ereignis (95 %-KI: 0,0–1,0 %), in der Kontrollgruppe waren es 2,5% (95 %-KI: 1,7–3,5 %). Gepooltes Risikoverhältnis (relative risk RR): 0,29 (95 %-KI: 0,15–0,57).In der Subgruppe der Patienten, die ein Antibiotikum über zehn Tage erhielten, kam es zu keinem ungünstigen Ereignis, bei den Kontrollen hingegen bei 1,3% (95 %-KI: 0,3–2,9 %); gepooltes RR: 0,28 (95 %-KI: 0,05–1,67). Wurden nur die Patienten, die eine Einzeldosis mit 200mg Doxycyclin erhielten, mit Kotrollen verglichen, ergab sich eine gepoolte Ereignisrate von  0,8 % (95 %-KI: 0,4–1,4 %) vs. Kontrolle mit  3,0 % (95 %-KI: 2,0–4,2 %). Das entspricht einem gepoolten RR von: 0,29 (95 %-KI: 0,14–0,60). Konsequenz dieser Analyse ist die Empfehlung einer einmaligen Dosis von 200mg Doxycyclin p.o. nach einem Zeckenstich. (Zhou G et al. 2021)

Lokale Antibiose: An der Stichstelle kann ein 10% Azithromycin-Gel, das spätestens 3 Tage nach dem Stich mehrfach 12-stündlich aufgetragen wird eine Infektion verhindern. In einer größeren Studie war eine Signifikanz für eine klinische Effizienz jedoch nicht herstellbar (Schwameis M et al. 2016).

FSME: Impfung bei Aufenthalt (z.B. Urlaub) in Endemiegebieten.

Tabellen

Stadien und klinische Manifestationen der Lyme-Borreliose

Stadium

Inkubationszeit

Haut

Nervensystem

Organsysteme

Bewegungsapparat

Allgemeine Symptome

I

Tage - Wochen

Erythema chronicum migrans, ringförmige Erytheme

Meningismus

Splenomegalie, Hepatosplenomegalie

Myalgien, Arthralgien

Lymphknotenschwellung, Fieber,
Müdigkeit, Übelkeit

II

Wochen - Monate

Makulo-papulöse Exantheme, Lymphozytom, diffuse
Erytheme

Meningitis, Neuritis, Radikulitis
(Banwarth-
Syndrom)

Myoperikarditis, AV-Block, Pankarditis, Augenbeteiligung, Hepatitis, Mikroproteinurie, Mikrohämaturie, Affektionen des Respirationstraktes

Arthritis, Myalgien, Myositis, wandernde Schmerzen im Bewegungsapparat, Osteomyelitis, Pannikulitis

Schweres Krankheitsgefühl, Lymphknotenschwellung

III

Monate -
Jahre

Acrodermatitis
chronica atrophicans, Pseudosklerodermie

Chronische Enzephalomyelitis, spastische Paraparesen, ataktischer Gang, mentale Störungen

Chronische Arthritis, Periostitis, Arthropathie

Abgeschlagenheit

Hinweis(e)

  • Das Infektionsrisiko nach einem Zeckenstich läßt sich durch eine Untersuchung der Zecke auf B. burgdorferi (PCR-Diagnostik) genauer abschätzen. Durch eine prophylaktische Gabe von Antibiotika im gegebenen Fall können Erkrankungen verhindert und dem Gesundheitssystem erhebliche Kosten erspart werden.
  • Es wird diskutiert, ob eine Infektion mit Borrelia burgdorferi pathogenetisch bei der Atrophodermia idiopathica et progressiva eine Rolle spielt. In einer Studie mit 17 Probanden ließen sich bei 53% IgG Antikörper gegen Borrelia burgdorferi nachweisen.
  • Nach durchgemachter Infektion und adäquat antibiotisch therapierter Borreliose werden nicht selten unspezifische Symptome wie Leistungseinschränkung, Müdigkeit und Konzentrationseinschränkung angegeben. Dieser Symptomenkomplex wird als Post-Lyme-Syndrom beschrieben. Ob dann ein erneuter antibiotischer Therapiezyklus erfolgen sollte, ist derzeit noch offen.
  • Infektion in der Schwangerschaft: In einigen größeren epidemiologischen Studien (35.000 Schwangere; 1500 Säuglinge und Kinder) konnte kein erhöhtes Risiko für Missbildungen, Prämaturität, Fruchtod nachgewiesen werden.
  • Bei längerfristiger Gabe von Ceftriaxon besteht die Gefahr einer pseudomembranösen Colitis durch Clostridium difficile.
  • Eine durchgemachte Borrelieninfektion hinterläßt keine bleibende Immunität. Reinfektionen sind möglich!
  • In einem metaanalytischen Review (19 Studien mit 2532 Patienten) konnten zwischen den einzelnen Antibiotika (Amoxicillin/Doxycyclin; Cefurroxim-Axetil; Ceftriaxon; Azithromycin, Phenoxymethylpenicillin, Minocyclin) keine Unterschiede in ihrer Effizienz gefunden werden. Auch hinsichtlich des Nebenwirkunngsprofils ergaben sich keine signifikanten Differenzen  (Torbahn G et al. 2018).   

Hinweis(e)

In einem metaanalytischen Review (19 Studien mit 2532 Patienten) konnten zwischen den einzelnen Antibiotika (Amoxicillin/Doxycyclin; Cefurroxim-Axetil; Ceftriaxon; Azithromycin, Phenoxymethylpenicillin, Minocyclin) keine Unterschiede in ihrer Effizienz gefunden werden. Auch hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils ergaben sich keine signifikanten Differenzen (Torbahn et al 2018).  

Das in Zeckenspeichel gefundene Protein Sal15 kann die innate Immunabwehr unterdrücken.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Aberer E et al. (1988) Neuroborreliosis in morphea and lichen sclerosus et atrophicus. J Am Acad Dermatol 19: 820-825
  2. Bransfield R, Brand S, Sherr V (2001) Treatment of patients with persistent symptoms and a history of Lyme disease. N Engl J Med 345: 1424-1425
  3. Furst B et al. (2006) The impact of immunosuppression on erythema migrans. A retrospective study of clinical presentation, response to treatment and production of Borrelia antibodies in 33 patients. Clin Exp Dermatol 31: 509-514
  4. Hofmann H (2012) Variabilität der kutanen Lyme-Borreliose. Hautarzt 63: 381-389
  5. Kern A (2011) Tick salvia represses innate immunity and cutaneous inflammation in a murine model of lyme disease. Vector Borne Zooonotic Dis 11: 1343-1350
  6. Logiudice K et al. (2003) The ecology of infectious disease: effects of host diversity and community composition on Lyme disease risk. Proc Natl Acad Sci USA 100: 567-571
  7. Nau R et al. (2009) Lyme-Borreliose-aktueller Kenntnisstand. Dt Ärzteblatt 106: 72-81
  8. Reed KD (2002) Laboratory testing for Lyme disease: possibilities and practicalities. J Clin Microbiol 40: 319-324
  9. Smith RP et al. (2002) Clinical characteristics and treatment outcome of early Lyme disease in patients with microbiologically confirmed erythema migrans. Ann Intern Med 136: 421-428
  10. Schwameis M et al. (2016) Topical azithromycin treatment for the prevention of Lyme disease: Results from randomised, placebo-controlled clinical trials. Lancet Infect Dis. doi.org/10.1016/1473-3099
  11. Torbahn G et al. (2018) Efficacy and Safety of Antibiotic Therapy in Early Cutaneous Lyme Borreliosis: A
    Network Meta-analysis. JAMA Dermatol 154:1292-1303. 
  12. Zhou G et al. (2021) Antibiotic prophylaxis for prevention against Lyme disease following tick bite: an updated systematic review and meta-analysis. BMC Infect Dis 21:1141.

Disclaimer

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Zuletzt aktualisiert am: 08.12.2021