Lichen ruber pemphigoides L43.10

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 03.03.2023

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Synonym(e)

Lichen planus pemphigoides; LPP; Pemphigoider Lichen planus; Pemphigoider Lichen ruber

Definition

Seltene, hinsichtlich ihrer Entität, noch umstrittene blasenbildende Ekrankung (S.a.u. Lichen ruber bullosus). Einige Autoren interpretieren den Lichen ruber pemphigoides als "Lichen ruber bullosus" kombiniert mit einer "bullösen Pemphigoid-artigen Dermatose". Andere Autoren weisen daraufhin, dass der durch Epitopkartierung der Licher ruber pemphigoides von einem bullösen Pemphigoid unterschieden werden kann, da die Region 4 innerhalb des C-Terminus der NC16A-Dommäne des BP180-Antigens (s.u. COL17 A1-Gen) spezifisch für den Lichen ruber pemphigoides sein soll (Zillikens D et al. 1999).   

Ätiopathogenese

Beim Lichen ruber pemphigoides scheint es sich nicht um eine Koinzidenz von Lichen ruber und bullösem Pemphigoid, sondern um eine eigene Entität zu handeln. Die Erkrankung ist vom bullösen Lichen planus insofern zu unterscheiden, als bei dem Lichen ruber bullosus keine Ablagerungen pathogener Autoantikörpern in der Haut nachweisbar sind. Weiterhin bilden sich die Blasen beim bullösen Lichen  ruber nur in bereits bestehenden Lichen-planus-Läsionen, wohingegen die Blasen des Lichen ruber pemphigoides sowohl intraläsional als auch auf zuvor unbefallener Haut auftreten.

Die ätiopathogenetische Rolle des Tumornekrose-Faktor bei Lichen ruber pemphigoides ist derzeit noch ungeklärt. 

Man nimmt an, dass durch die chronisch entzündliche Reaktion an der dermo-epidermalen Junktionszone im Rahmen des Lichen planus eine humorale Autoimmunantwort gegen Strukturproteine der Basalmembran, insbesondere BP180, initiiert wird.

In Einzelfällen wurde ein koinzidentelles Auftreten von Lichen ruber pemphigoides und Malignomen beobachtet (Shimada H et al. 2015). 

Medikamente: In den letzten Jahren wurden mehrere Fälle von Lichen ruber pemphigoides als kutane Anti-PD-1-Antikörper-vermittelte Nebenwirkung (Pembrolizumab/Nivolumab-Therapie) u.a. bei Patienten mit metastasiertem malignen Melanom beschrieben (Schmidgen MI et al. 2017/Mueller KA et al. 2021).

Hinweise: Monoklonale Antikörper gegen den programmierten Zelltod 1 (Anti-PD-1) umfassen makulopapulöse, psoriasiforme und lichenoide sowie in selteneren Fällen auch autoimmune bullöse Exantheme und Vitiligo.

Manifestation

Meist im Erwachsenenalter auftretend, deutlich vor der 6. Dekade. 

Klinisches Bild

Im Gegensatz zum Lichen planus bullosus treten bei dieser Variante die Blasen nicht (nur?) in den Lichen planus-Läsionen, sondern auch auf unveränderter Haut auf. Beschrieben wird läsionaler Juckreiz und auch Brennen. 

Labor

Häufiger Nachweis zirkulierender Autoantikörper gegen ein 180 kDa BP-Antigen (BPAG2, Typ XVII Kollagen).

Histologie

Bild des bullösen Pemphigoids mit subepidermaler Blasenbildung (auch akantholytische intraepidermale Blasenbildung wurde beschrieben) mit einem wenig spezifischen, gemischtzelligen Infiltrat aus Lymphozyten, eosinophilen und neutrophilen Leukozyten. Die Gewebseosinophilie unterscheidet den Lichen planus pemphigoides vom Lichen planus bullosus.

Direkte Immunfluoreszenz

In periläsionaler Haut zeigen sich lineare Ablagerungen von IgG und C3 entlang der dermoepidermalen Junktionszone. Nicht selten können bei dieser bullösen Dermatose zirkulierende AK gegen das 180kDa BP-Antigen (BPAG2), nicht jedoch gegen das 230kDA BP-Antigen, nachgewiesen werden.

Differentialdiagnose

Lichen planus bullosus: Kein Nachweis von BP180AK in der periläsionalen Haut. Läsionen nur in vorbestehenden Lichen planus Effloreszenzen. 

Bullöses Pemphigoid: Kein klinischer Nachweis von lichenoiden Effloreszenzen.

Therapie

Entsprechend dem bullösen Pemphigoid. In Einzefällen wurden gute Therapieeffekte mit Ustekinumab beschrieben (Knisley RR et al. 2017) 

Fallbericht(e)

Ein 45-jähriger Patient stellte sich mit akuter Blasenbildung bei früher bereits histologisch gesichertem Lichen planus vor. Der Lichen planus bestand in generalisierter Verteilung (Lichen planus exanthematicus) seit etwa 10 Monaten, mit schubhaftem Verlauf und einer Verschlechterungsphase seit etwa 5 Monaten.

Klinik: Generalisiertes papulöses Exanthem mit disseminierten, etwa 0,2-0,3 cm großen, zum Teil jedoch auch zu großflächigen Plaques konfluierten roten, glatten Papeln, die die typische Lichen planus-Morphologie aufweisen. An den unteren Extremitäten fanden sich 0,3-0,5 cm große, pralle Blasen auf ohne entzündliche Umgebung.

Verdachtsdiagnosen: Lichen planus pemphigoides / bullöser Lichen ruber

Histologie/Immunfluoreszenz (periläsional): Lineare Ablagerungen von C3 und IgG an der dermo-epidermalen Junktionszone.

Labor: Im Serum Nachweis von Autoantikörper gegen BP180 NC16A.

Dg.: Lichen planus pemphigoides

Therapie: Kombination aus Acitretin, 20mg/Tag p.o. und Prednisolon-Pulstherapie (200mg/Tag i.v.) sowie extern Prednicarbat -Creme. Es kam innerhalb von wenigen Wochen zur Abheilung der Blasen. Nach 3 Monaten waren keine AK mehr nachweisbar. Auch die Lichen planus-Effloreszenzen heilten innerhalb eines Jahres komplett ab.

Bemerkung: Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten.

Literatur
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  1. Hsiao CJ et al. (2001) Paraneoplastic pemphigus in association with a retroperitoneal Castleman's disease presenting with a lichen planus pemphigoides-like eruption. A case report and review of literature. Br J Dermatol 144: 372-376
  2. Knisley RR et al. (2017) Lichen planus pemphigoides treated with ustekinumab. Cutis 100:415-418.
  3. Kolb-Maurer A et al. (2003) Treatment of lichen planus pemphigoides with acitretin and pulsed corticosteroids. Hautarzt 54: 268-273
  4. Mueller KA et al. (2021) A case of severe nivolumab-induced lichen planus pemphigoides in a child with metastatic spitzoid melanoma. Pediatr Dermatol 40: 154-156.
  5. Recke A et al. (2011) Lichen planus pemphigoides. Abstract-CD 46. DDG-Tagung DKo6/01
  6. Sakuma-Oyama Y et al. (2003) Lichen planus pemphigoides evolving into pemphigoid nodularis. Clin Exp Dermatol 28: 613-616
  7. Schmidgen MI et al. (2017) Pembrolizumab-induzierter Lichen planus pemphigoides bei einem Patienten mit metastasiertem Melanom. J Dtsch Dermatol Ges 15:742-745.
  8. Shah RR et al. (2022) Lichen planus pemphigoides: A unique form of bullous and lichenoid eruptions secondary to nivolumab. Dermatol Ther 35:e15432.
  9. Shimada H et al. (2015) Lichen planus pemphigoides concomitant with rectal adenocarcinoma: fortuitous or a true association? Eur J Dermatol 25:501-503.
  10. Stoebner PE et al. (2003) Simvastatin-induced lichen planus pemphigoides. Ann Dermatol Venereol 130: 187-190
  11. Zillikens D et al. (1999) Autoantibodies in lichen planus pemphigoides react with a novel epitope within the C-terminal NC16A domain of BP180. J Invest Dermatol 113:117-121.

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