Klippel-Trénaunay-Syndrom Q87.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 23.02.2023

This article in english

Synonym(e)

Angiektatischer Riesenwuchs; Angio-osteo-hypertrophisches Syndrom; Haemangiectasia hypertrophicans; Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom; KTS; Naevus varicosus osteohypertrophicus; Ollier-Klippel-Trenaunay-Symptomenkomplex; Ollier-Klippel-Trénaunay-Symptomenkomplex; Osteoangiohypertrophie-Syndrom; Quadrantensyndrom; Quadranten-Syndrom; Riesenwuchs angiektatischer

Erstbeschreiber

Geoffroy-Saint Hilaire, 1832; Klippel u. Trénaunay, 1900; Weber, 1907

Definition

Seltene, meist sporadisch auftretende, syndromale vaskuläre (kapillär/vernös/lymphatisch) Malformation, gekennzeichnet durch die Trias:

  1. unilaterale kapilläre Malformation (Naevus flammeus) einer Extremität (meist untere Extremität)
  2. primäre Varikose
  3. Riesenwuchs (seltener, <10%, ist eine Hypotrophie) der betroffenen Extremität(en).

Bemerkung: nicht dazugehörig sind hämodynamisch relevante AV-Fisteln. Die Übergänge zum Parkes Weber-Syndrom sind allerdings fließend. 

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit auftretend, panethnisch.

Ätiopathogenese

Bisher ist die Ätiopathogenese ungeklärt. Wenig überzeugend beschrieben sind Mutationen des VG5Q-Gens als molekulare Ursache. VG5Q kodiert für einen angiogenetischen Faktor. Zumindest teilweise lassen sich offenbar auch PIK3CA-Mutationen im Mosaik nachweisen (s. u. PTEN-Gen).   

Manifestation

Die kapilläre Malformation der Haut (Naevus flammeus) ist bereits bei Geburt vorhanden und verstärkt sich merklich ab dem 2. Lebensjahrzehnt.

In der körperlichen Wachstumsphase treten bei den syndromalen vaskulären Malformationen, Riesenwuchs und orthopädische Probleme (Beckenschiefstand) in den klinischen Fokus.

Somit erscheint das Klippel-Trénaunay-Syndrom in der Kindheit und frühen Jugendzeit als (scheinbar) monoorganische vaskuläre Malformation (engl. Port-wine stain) der Haut.

Es gibt keinen gesicherten Hinweis dafür, dass das Ausmaß der Ausdehnung der kapillären Malformation der Haut  mit dem Ausmaß der systemischen Beteiligungen (Lymphödem, Überwuchsphänomene mit Hypertrophie von Skelett und Weichteilen) einher geht.

Dermatologisch wenig bekannt sind die Fälle von vaskulären Malformationen der Extremitäten ohne jegliche Hautbeteiligungen.    

Lokalisation

Meist asymmetrischer Befall einer Extremität oder des Gesichtes. Seltener sind oligosymptomatische, bilaterale, alternierende und gekreuzt dissoziierte Manifestationen.

Klinisches Bild

Hautveränderungen in der betroffenen Extremität:

Extrakutane Manifestationen:

  • Überwuchsphänomene mit dysproportionierter Riesenwuchs sowie Weichteil- und Knochenhypertrophie der befallenen Extremität. Anomalien der tiefen Beinvenen, angiomatöse Durchsetzung der Extremitätenmuskulatur. Skelettveränderungen (Beckenschiefstand, Fehlstellung der Wirbelsäule).
  • Seltener sind rektale Blutungen bzw. Hämaturie bei Kolon-, Rektum- bzw. Blasenbeteiligungen.

 

Diagnose

Duplex-sonographische und angiographische Darstellung der Gefäße in betroffenen Arealen zum Nachweis bzw. Ausschluss arteriovenöser Fisteln. Radiologische Diagnostik der betroffenen Areale bei Weichteil- und Knochenhypertrophie ist zu erwägen.

Komplikation(en)

Mögliche Herzinsuffizienz bei großem Umfang der arterio-venösen Shunts; Neigung zu Erysipel.

Therapie

Integument: Symptomatische Behandlung von bakteriellen und mykotischen Sekundärinfektionen, die auf dem Boden der Lymphödeme entstehen. Vorbeugend regelmäßige blande Pflege der Haut (z.B. mit Ungt. emulsif. aq.). Sofortige Sanierung möglicher Eintrittspforten. Behandlung der Ödeme mittels komplexer ausgedehnter Entstauungstherapie. Wichtig ist zudem die Behandlung der Varizen mit chirurgischer Sanierung, Sklerosierung bzw. Ligierung. Ggf. Laser-Therapie des Naevus flammeus mit Argon-Laser oder Farbstoff-Laser.

Extrakutane Manifestationen: Gefäßanomalien sollten, falls möglich, frühzeitig behoben werden, um Folgeschäden (z.B. kardiale Volumenbelastung durch arterio-venösen Shunt) zu vermeiden und die Gefahr von Blutungen u. Embolien zu reduzieren. Hier kommen radiologisch-interventionelle Verfahren (z.B. Mikroembolisation), ebenso wie gefäßchirurgische Maßnahmen in Betracht.

Zudem regelmäßige Überwachung (MRT) der Knochenpartien im Bereich von Riesenwuchs und Knochenhypertrophie (Patienten neigen neben orthopädischen Veränderungen (z.B. Beckenschiefstand) aufgrund von trophischen Störungen der Haut und Lymphödeme zu mikrobieller Besiedlung, die bis zu Osteomyelitiden führen kann).

Verlauf/Prognose

Günstig (keine Progredienz, keine Dominanz hämodynamischer Faktoren).

Hinweis(e)

Auf Grund der vermehrten Blutfülle der veränderten Extremität schwitzt die Extremität vermehrt. Dies wird von manchen Patienten als unangenehm empfunden. Am Fuß kann der Patient sich durch einen vermehrten Schweißgeruch belästigt fühlen.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Aggarwal K et al. (2003) Klippel-Trenaunay syndrome with a life-threatening thromboembolic event. J Dermatol 30: 236-240
  2. Geoffroy Saint-Hilaire I (1832) Histoire générale et particulière des anomalies de l'organisation chez l'homme et les animaux. Ouvrage comprenant des recherches sur les caractères, la classification, l'influence physiologique et pathologique, les rapports généraux, les lois et les causes des monstruosités, des variétés et vices de conformation ou traité de tératologie. Baillière (Paris) 1832-1837
  3. Gianlupi A et al. (1999) Recurrent pulmonary embolism associated with Klippel-Trenaunay-Weber syndrome. Chest 115: 1199-1201
  4. Happle R et al. (1993) Klippel-Trenaunay syndrome: is it a paradominant trait? Br J Dermatol 128: 465.
  5. Helmbold P et al. (1994) Klippel-Trenaunay-Syndrom mit intestinaler Beteiligung und Mammakarzinom bei einem Mann. Akt Dermatol 20: 288-291
  6. Klippel M, Trenaunay P (1900) Du naevus variqueux osteohypertrophique. Arch Gen Med (Paris) 3: 641-642
  7. Larralde M et al. (2014) Capillary malformation-arteriovenous malformation: a clinical review of 45 patients. Int J Dermatol 53:458-461. 
  8. Lee BB et al. (2014) Diagnosisvand treatment of venous malformations. consensus document of the international union of phlebology (iup): updated-2013. Int Angiol PubMed PMID: 24961611.
  9. Macmurdo CF et al. (2016) RASA1 somatic mutation and variable expressivity in capillary malformation/arteriovenous malformation (CM/AVM) syndrome. Am J Med Genet doi: 10.1002/ajmg.a.37613
  10. Sahinoglu Z et al. (2003) Prenatal sonographic diagnosis of Klippel-Trenaunay-Weber syndrome associated with umbilical cord hemangioma. Am J Perinatol 20: 1-6
  11. Oduber CE et al. (2013) The persistent embryonic vein in Klippel-Trenaunay syndrome. Vasc Med 18:185-191.
  12. Samuel M et al. (1995) Klippel-Trenaunay Syndrome - Clinical features, complications and management in children. Br J Surg 82: 757-761
  13. Tian XLet al. (2009 Identification of an angiogenic factor that when mutated causes susceptibility to Klippel-Trenaunay syndrome. Nature 427:640-645
  14. Weber FP (1907) Angioma-formation in connection with hypertrophy of limbs and hemi-hypertrophy. Br J Dermatology (Oxford) 19: 231-235
  15. Weber FP (1918) Hemangiectatic hypertrophy of limbs - congenital phlebarteriectasis and so-called congenital varicose veins. Brit J Child Dis 25: 13.

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 23.02.2023