Hyperhidrosis axillaris R61.03

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.11.2017

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Synonym(e)

Achselschweiß; axilläres Schwitzen; krankhaftes Schwitzen; Schwitzen; vermehrtes Schwitzen

Definition

Vermehrter Achselschweiß, meist mit Bromhidrose gekoppelt.

Vorkommen/Epidemiologie

Erhöhte familiäre Prävalenz. 0,5% der Bevölkerung in den USA leiden unter dieser Wrkrankung.

Manifestation

Hyperhidrosis axillaris ist charakterisiert durch mind. 6 Monate exzessives Schwitzen ohne bekannte Ursache und zusätzlich durch 2 der folgenden Faktoren:

  • bilaterales und symmetrisches Schwitzen
  • Beeinträchtigung der täglichen Aktivität
  • Häufigkeit des Auftretens mindestens 1mal/Woche
  • Alter beim Eintritt der Erkrankung < 25 Jahre
  • positive Familienanamnese
  • Rückgang des Schwitzens beim Schlafen.

S.a. Hyperhidrosis Disease Severity Scale -Test.

Diagnose

Klinik mit der nachweisbar vermehrten Schweißsekretion. Minor`scher Schwitzversuch: Schweiß aus Achselhöhle entfernen, Einpinseln des Schweißdrüsenfeldes mit alkoholischer Jodtinktur, kurz antrocknen lassen, mit Weizenstärke überpudern; blau-schwarz verfärbte Areale zeigen Schweißdrüsenaktivitäten an. Zur Quantifizierung der Schweißsekretion Gravimetrie beider Axillen. Für die praktische Arbeit genügt der  Hyperhidrosis Disease Severity Scale -Test.

Therapie

Vorgehen nach einem kontrollierten Stufenplan.
  • Reinigung und Hautpflege: Regelmäßige Hygiene der Achselhöhlen.
  • Hierzu gehört das unter Umständen mehrfache tgl. Waschen der Achselhöhlen unter Verwendung desodorierender Syndets oder Seifen (Dermowas, Sebamed u.a.).
  • Rasieren: Achselhaare entfernen, um Bakterienwachstum (Corynebacterium tenuis) zu hemmen (s. Trichobacteriosis axillaris)
  • Deodorants: Auftragen eines Deodorants mehrmals tgl. zur Neutralisierung des unangenehmen Achselgeruchs. Auch Puder haben sich bewährt.
  • Bekleidung: Tragen möglichst weit geschnittener, atmungsaktiver Hemden und Unterhemden (keine Kunstfasern, stattdessen Baumwolle). Keine fest anliegenden Kleider.
  • Anwendung von Antiperspirantien.
  • Iontophorese: Initial: Therapieversuch mit 10 Min./Tag (Pulsstromgerät) 4-5mal/Woche über 3-4 Wochen. Bei nachgewiesener Wirksamkeit Fortsetzung als Heimtherapie mit 3-4 Behandlungen/Woche.
  • Botulinumtoxin: Für die Indikation Hyperhidrosis axillaris zugelassen ist nur das Präparat Botox. Bewährt hat sich die Unterteilung der hyperhidrotischen Areale in 2 × 2 cm große Kästchen. Es werden pro Kästchen etwa 3 MU Botox (Verdünnung: 100 MU Botox/5 ml 0,9% NaCl) fächerförmig intradermal injiziert. Der Therapieerfolg wird nach 2-3 Wochen kontolliert. Noch verbleibende hyperhidrotische Areale können ggf. nachinjiziert werden.
    Nebenwirkung: Schmerzhaftigkeit der Injektionen.

    Merke! Therapien mit Botulinumtoxin gehören in die Hand des erfahrenen Arztes!

Externe Therapie

  • Aluminiumchlorid-Hexahydrat-Gele sind bei konsequenter Anwendung als First-line-Therapie oft erfolgreich (z.B. R004 oder R006 ).
  • Die meisten handelsüblichen Antitranspirantien enthalten Aluminiumsalze als wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoff.   
  • Unter den kommerziell verfügbaren Präparaten ist SWEAT-OFF hervorzuheben: bei Erstanwendung 1mal/Tag, abends vor dem Schlafengehen auftragen, maximal für 4 Tage. Anschließend 1-2mal/Woche abends vor dem Schlafengehen.

Interne Therapie

  • Anticholinergika, inbes. Bornaprin (Sormodren Tbl.) können bei leichten bis mittelschweren Fällen versucht werden. Initial 2 mg/Tag für 1 Woche, dann Dosiseskalation auf 4-8 mg/Tag als Erhaltungsdosis.
  • Alternativ Methantheliniumbromid (Vagantin) 3mal/Tag 50mg =1 Tbl. p.o.
  • Unterstützend zu externen Maßnahmen können Salbei-Interna verordnet werden (z.B. 3mal/Tag 1 Tbl. Salvysat plus Bürger Tabletten).

Operative Therapie

  • Bei konservativ nicht beherrschbarem axillärem Schwitzen ist ein operativer Eingriff angezeigt, mit dem Ziel, die Anzahl der apokrinen (und ekkrinen) Schweißdrüsen zu reduzieren. Operative Eingriffe beruhen auf 3 therapeutischen Prinzipien: Subkutane Kürettage, offene Kürettage ggf. mit Teilexzision oder Exzision des Schweißdrüsenfeldes mit nachfolgender plastischer Deckung.
  • Subkutane Schweißdrüsenkürettage: ITN, 2-3 cm langer Hautschnitt kaudal des Schweißdrüsenfeldes; mit Präparierschere gesamtes markiertes Feld unterminieren, anschließend Kürettage des Areals mit scharfer gynäkologischer Kürette sowohl zur Haut als auch zur Fettgewebsseite, Saugdrainage und Verschluss der Inzisionsstelle. Die Saugkürettage zeigte in einer Studie mit 25 Patienten gute klinische Resultate.
  • Schweißdrüsensaugkurettage: Bei diesem komplikationsarmen operativen Verfahren handelt es sich um eine Kombination von inverser, scharfer Kürettage der dermalen und subkutanen apokrinen Drüsenfelder und Liposuction.
  • Offene Kürettage ggf. mit Teilexzision: ITN, längselliptische 3-4 cm breite subtotale Exzision des Schweißdrüsenfeldes; subkutane Mobilisation der schweißdrüsentragenden Ränder; scharfe Kürettage; Drainage; primärer Wundverschluss durch Subkutan- und Hautnaht.
  • Exzision des Schweißdrüsenfeldes mit nachfolgender plastischer Deckung: ITN, unterschiedliche Schnittführungen dem Schweißdrüsenfeld angepasst; Verschluss mittels Transpositions- oder VY-Plastik.
  • Chirurgische Maßnahmen wie die endoskopische transthorakale Sympathektomie (ETS) gehen nicht selten mit neuropathischen Störungen sowie kompensatorischem bzw. Reflexschwitzen einher. Dennoch empfinden > 90% der Patienten diese Nebenwirkungen als weniger belastend als die Symptome der unbehandelten Hyperhidrosis.

Hinweis(e)

Für die Patienten wegen der Sichtbarkeit der Schweißflecken oft unangenehmes Krankheitsbild, hohe Stigmatisierungsrate!

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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  2. Hamm H et al. (2006) Primary focal hyperhidrosis: disease characteristics and functional impairment. Dermatology 212: 343-353
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