Parry-Romberg-Syndrom G51.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 03.03.2023

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Synonym(e)

Atrophie halbgesichtsseitige; halbgesichtsseitige Atrophie; Hemiatrophia faciei progressiva; Hemifacial progressive atrophy; HFPC; Parry-Romberg Syndrom; Parry-Romberg-syndrome; Romberg-Parry Syndrome; Romberg-Syndrom; Romberg-Throphoneurose

Erstbeschreiber

Das Syndrom ist nach den beiden Erstbeschreibern, dem britischen Allgemeinarzt Caleb Hillier Parry (1825) und dem deutschen Neurologen Moritz Heinrich Romberg (1846) benannt. 

Definition

Das Parry-Romberg-Syndrom (PRS), auch als Hemiatrophia faciei progressiva oder als progressive hemifaziale Atrophie des Gesichts bezeichnet, wurde erstmals von C. Parry und M. Romberg beschrieben und ist eine idiopathische, allmählich fortschreitende, asymmetrische, kraniofaziale Atrophie, die durch eine idiopathische Atrophie (der Haut), der Subkutis, der Muskeln und der knöchernen und knorpeligen Strukturen entsteht. Sie manifestiert sich in den ersten beiden Jahrzehnten bei morphologisch normal geborenen Personen. In der Regel sind ein oder mehrere Dermatome im Bereich des Nervus trigeminus betroffen. Häufig kommt es zu einer frühen ophthalmologischen und neurologischen Beteiligung oder auch zu kardialer Manifestation (Shah SS et al. 2022).

Vorkommen/Epidemiologie

W:m=1:3. Die Inzidenz des PRS wird mit 0.3 bis 2.5 Fälle/ 100,000 Einwohnern/Jahr angegeben.

Ätiopathogenese

Theorie der "Trophoneurose": Die früheste Auffassung war eine Funktionsstörung der trophischen Fasern des Trigeminus und anderer peripherer Nerven - die Klagen über chronische Gesichtsschmerzen und Trigeminusneuralgie unterstützen diese Theorie. Die konfokale Mikroskopie zeigt eine Verringerung der Hornhautnervenendigungen, die vom ophthalmischen Teil des Trigeminusnervs versorgt werden, was diese Theorie stützt (Bucher F et al. 2015).

Immun-vermittelter Prozess: Eine weithin akzeptierte Theorie besagt, dass es sich beim PRS um eine Autoimmunerkrankung handelt (Duymaz A et al. 2009). Diskutiert wird auch, dass das Parry-Romberg-Syndrom eine Variante der zirkumskripten Sklerodermie sei. Die Kombination einer Hemiatrophia facialis mit einer zirkumskripten Sklerodermie vom Morphea- oder auch vom linearen Typ ist nachweisbar und wird in 30% der Fälle gefunden (s.u.). Auch das gemeinsame Auftreten mit weiteren Autoimmunerkrankungen ist dokumentiert (systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, entzündliche Darmerkrankungen, Spondylitis ankylosans, Vitiligo und Schilddrüsenerkrankungen (Garcia-de la Torre I et al. 1995; Gonul M et al. 2005)).

Neurovaskulitis-Theorie: Die Histopathologie der zerebralen Läsionen zeigt eine lymphozytäre Vaskulitis, die der Rasmussen-Enzephalitis ähnelt. Eine interstitielle Neurovaskulitis mit Beteiligung der großen Gefäße erklärt die Aneurysmen und andere zerebrovaskuläre Fehlbildungen, die gelegentlich bei PRS-Fällen auftreten. Ähnliche Läsionen sind im Verlauf des Nervus trigeminus beschrieben (Kuechler D et al. 2011). 

Störung der Neuralleistenzellen: Das Vorhandensein von zerebralen Gefäßfehlbildungen und Aneurysmen sowie von Weichteiltumoren deutet auf eine mögliche Dysregulation der Migration von Neuralleistenzellen hin (Pichiecchio A et al. 2002).

Sympathische Dysfunktion: Eine Entzündung oder Funktionsstörung des oberen zervikalen Sympathikus führt zu ipsilateraler Gesichtsatrophie, Enophthalmus und Knochenatrophie - ähnlich wie beim PRS. Bemerkenswert sind Beobachtungen, dass die ipsilaterale Sympathektomie zu einem Stillstand des Krankheitsverlaufs führt (Cory RC et al. 1997; El-Kehdy J et al. 2021).

Hereditärer Mechanismus: Wartenberg beschrieb den PRS als eine erblich-degenerative Erkrankung, wobei bisher nur wenige familiäre Fälle bekannt sind. Bisher konnte kein spezifisches Vererbungsmuster oder Gen isoliert werden (Miller MT et al. 1995).

Trauma-induziert: Online-Umfragen bei PRS-Patienten haben einen nicht gesicherten Zusammenhang zwischen Kopfverletzungen in der frühen Kindheit und dem Auftreten der Symptome ergeben (Stone J 2003). Diese These erscheint im Hinblick auf die Häufigkeit banaler Traumata im Kopfbereich, gerade in der frühen Kindheit, eher unwahrscheinlich.

Infektiöse Ursachen: Vorangegangene Infektionen mit dem Varizella-Zoster-Virus, dem Herpes-simplex-Virus und Borrelia burgorferi wurden als Risikofaktoren beschrieben (Sahin MT et al. 2004).

Pathophysiologie

PRS ist in erster Linie eine Autoimmunerkrankung mit Assoziationen zur zirkumskripten Sklerodermie vom linearen Typ oder vom Morphea-Typ (s. Abbn.). Die engste Verwandtschaft besteht zu der linearen Sklerodermie en coup de sabre (Orozco-Covarrubias L et al. 2002). Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist das Fehlen von vernarbter Alopezie und Hautverhärtung bei "klassischen" PRS-Fällen. Im Gegensatz dazu zeigt Sklerodermie en coup de sabre eine kutane Sklerose der Kopfhaut, Hyperpigmentierung und Verlust von Kopfhaar und Augenbrauen.

Die Biopsie zeigt eine fast vollständige lokale Fettatrophie, eine minimale Sklerose der Dermis und lediglich reduzierte adnexale Strukturen. Der charakteristische Befund ist eine diffuse lympho-plasmazelluläre Dermatitis (Orozco-Covarrubias L et al. 2002). Eine Hirnbiopsie, die naturgemäß bei PRS nicht routinemäßig durchgeführt wird, zeigt eine lymphozytäre interstitielle Vaskulitis.

Manifestation

Das PR-Syndrom manifestiert sich in den ersten beiden Lebensjahrzehnten, mit einigen wenigen Fällen in der älteren Altersgruppe (Mendonca J et al. 2005). Das Durchschnittsalter liegt bei 13,2 Jahren, wobei die männliche Bevölkerung früher diagnostiziert wird. Die Krankheit zeigt einen progressiven Verlauf, gefolgt von einem "Burn-out" innerhalb von 2 bis 20 Jahren und einer spontanen Remission (Duymaz A et al. 2009).

Relativ häufig wird das gleichzeitige Auftreten einer linearen zirkumskripten Sklerodermie vom Typ "en coup de sabre" und der progressiven fazialen Hemiatrophie beschrieben (Jablonska 1975a). In der von versch. Autoren vorgeschlagenen Klassifikation wird sie daher auch unter den linearen Formen der zirkumskripten Sklerodermie aufgelistet.

Weiterhin ist auch eine Kombination der progressiven fazialen Hemiatrophie mit einer Sklerodermie vom Morphea-Typ möglich (s.Abbn.).  

Nicht selten wird eine Beteiligung des zentralen Nervensystems beobachtet. Antinukleäre Antikörper werden in dieser Unterform in bis zu 50 % der Patienten nachgewiesen.

In bis zu 35 % der Fälle sind die Augen betroffen (Ahmed S et al. 2020). Neurologische Symptome treten in 15 bis 20 % der Fälle auf (Stone J 2003).

 

 

Lokalisation

Eine Gesichtshälfte oder Teile einer Gesichtshälfte.

Klinisches Bild

Atrophie des Gesichts mit Beginn im Kindes- oder frühen Jugendalter. Fortschreitende Gesichtsasymmetrie aufgrund von Atrophie des Unterhautfettgewebes, der Muskeln und der darunter liegenden Knochen. Weiterhin können Pigmentierungsstörungen, Hypo- oder Hyperpigmentierungen in Gesichts- und der ipsilateralen Halsregion. Nachgewiesen wurde eine läsionale, verminderte Schweißsekretion.

Alopezie: Befall von Augenbrauen und der Wimpern

Opthalmologische Befunde: Enophthalmus: Progressiver Enophthalmus als Folge der Atrophie des retrobulbären Fettgewebes und der Veränderungen der orbitalen Anatomie aufgrund der Knochenatrophie

Veränderungen der Augenlider: Pseudoptose als Folge von Enophthalmus, Lidretraktion, Lagophthalmus, Lidatrophie und Pseudokolobom der Augenlider im Spätstadium (Smith B et al. 1977).

Orbitale Tumore: Orbitales Neurinom - ein Zufallsbefund in der Magnetresonanztomographie (MRT)( Derex L et al. 1995)

Veränderungen des extraokularen Muskels (EOM): Ausdünnung oder Fibrose des EOM, plötzlich auftretender horizontaler oder vertikaler Strabismus, Nystagmus und Diplopie.

Konjunktionale Pigmentierung: Abnorme Pigmentierung der Lidbindehaut

Skleralbefund: Spontane sklerale Einschmelzung (Hoang-Xuan T et al. 1991).

Hornhautmanifestationen: Verminderte Hornhautsensibilität, reduzierte stromale Nervenfasern bei der konfokalen Mikroskopie, Keratopathie mit sekundärer infektiöser Keratitis, stromales Ödem, bandförmige Keratopathie und mehlartige Ablagerungen im Hornhautstroma (Moloney G et al. 2014).

Uveale Veränderungen: Akute Uveitis mit Iritis, Iridozyklitis, Vitritis, Panuveitis, Irisatrophie, kristallinen Ablagerungen in der Iris und heterochromer Iridozyklitis nach Fuchs (La Hey E et al. 2003).

Linsenbefund: Katarakt und Linsenverschiebung

Veränderungen des Augeninnendrucks (IOD): IOD-Anstieg bei akuter Trabekulitis oder neovaskulärem Glaukom im Endstadium und okuläre Hypotonie bei Iridozyklitis, Ziliarkörperhypotrophie oder -atrophie

Netzhautbefunde: Netzhautvaskulitis, Neuroretinitis, Teleangiektasien, Pigmentepithelveränderungen, Netzhautfalten, exsudative Netzhautablösung (RD), Zentralarterienverschluss, chorioretinale Atrophie und Retinitis-pigmentosa-artige Veränderungen

Neuro-ophthalmologisch (Beteiligung des Sehnervs): Optische Neuropathie und Papillitis

Anisokorie: Horner-Syndrom und tonische Pupille - aufgrund von Störungen des vegetativen Systems

Neurologisch: Epilepsie: Fokale, generalisierte Krampfanfälle oder Status epilepticus

Schmerzen: Kopfschmerzen, Trigeminusneuralgie und Gesichtsschmerzen

Zerebro-vaskuläre Ereignisse: Ischämischer Schlaganfall, Hirnblutung, Mikroinfarkte, Mikroblutungen und nachfolgende Hirnatrophie

Gefäßfehlbildungen: Aneurysmen, Kavernome, hypoplastische oder stenotische Gefäße

Bewegungsstörungen: Muskelkrämpfe, Synkinesie, pyramidale Symptome, Dystonie, Torticollis und Gangstörungen

Sprachanomalien: Aphasie und Dysarthrie 

Anomalien der Gliedmaßen: Gliedmaßenschwäche, Schmerzen oder in seltenen Fällen Atrophie (Stone J 2003)

Neuropsychiatrische Manifestationen: Kognitive Störungen, Halluzinationen und psychiatrische Störungen

Kiefer-Gesichtsbereich: Knöcherne Veränderungen: Hypoplasie des Oberkiefers, des Jochbeins, des Unterkiefers, des Schläfenbeins und selten des Stirnbeins

Orale Manifestationen: Einseitige Zungenatrophie, Zahnfleischatrophie, Atrophie des harten Gaumens und abnorme Entwicklung der Zähne

Kardiale Veränderungen: Hypertrophe Kardiomyopathie und rheumatologische Herzerkrankungen

Endokrine Störungen: Hashimoto-Thyreoiditis und Stoffwechselstörung.

Diagnostik

Die Diagnose "PRS" ist in erster Linie eine klinische Diagnose. Um Überschneidungen mit ähnlich gelagerten Syndromen auszuschließen, können verschiedene Untersuchungsmethoden eingesetzt werden.

Augenärztliche Untersuchungen: Bestkorrigierende Sehschärfe, Refraktion und Beurteilung der Pupillenreaktion

Allgemeine Untersuchung der Gesichtssymmetrie, der Kopfhaltung, der extraokularen Muskelbewegungen und des Schielens; Untersuchung der Augenhöhle, Beurteilung von Lidanomalien und Behandlung von Ptosis; Sorgfältige Untersuchung mit der Spaltlampe; Messung des Augeninnendrucks; ausführliche Fundusuntersuchung

Orbital-Ultraschall: Bei Medientrübungen aufgrund von Vitritis, Katarakt oder Hornhauttrübung hilft dieses Verfahren bei der Diagnose der entsprechenden Pathologie des hinteren Segments. Die Ultraschall-Biomikroskopie wird zur Untersuchung auf Veränderungen des Ziliarkörpers eingesetzt.

Orbitale Bildgebung: Die Computertomographie (CT) der Orbita wird zur Beurteilung der Veränderungen in der knöchernen Orbita eingesetzt.

Neurologische Untersuchungen: Elektroenzephalogramm: Zur Abklärung von Epilepsiefällen und zur Lokalisierung der zerebralen Läsionen

Analyse des Liquor cerebrospinalis (Liquor): Die Liquoruntersuchung ist in der Regel normal. Die oligoklonalen Banden und der erhöhte IgG-Index sind mit T2-hyperintensen Läsionen im MRT assoziiert (Vix J et al. 2015).

Neuro-Imaging: Die Computertomographie zeigt die knöcherne Deformierung des Schädels, die Ausdünnung der Diploe und intrakranielle Verkalkungen. Die T1-Sequenz der MRT lokalisiert die Flecken der zerebralen Atrophie. Die MRT-T2-Sequenz lokalisiert die hyperintensen Herde im subkortikalen Bereich. Das MR-Angiogramm zeigt das Ausmaß und die Lage von Gefäßfehlbildungen. Die spektrale Photoemissions-CT (SPECT) des Gehirns kann bei PRS subklinische ZNS-Läsionen aufdecken (Grosso S et al. 2003).

Zahnärztliche Beurteilung: Überwachung der fortschreitenden Verformung der Kieferknochen und der Zahnanomalien durch serielle Orthopantomogramme und Fotos.

Dermatologische Untersuchung: Eine Hautbiopsie wird nicht routinemäßig durchgeführt. Der histopathologische Befund hilft jedoch, PRS von LSCS zu unterscheiden.

Labor

Serologische Untersuchungen:  Anti-nukleäre Antikörper (ANA): Der am häufigsten assoziierte serologische Befund in 25 bis 52 % der Fälle (Sommer A et al. 2006).

Rheumafaktor: Erhöhte Titer in Fällen von lokalisierter Sklerodermie und LSCS (Zulian F et al. 2006).

Andere serologische Tests: C-reaktives Protein, HLA-B27-Typisierung, extrahierbares nukleares Antigen, Anti-Scl-70-, Anti-Kardiolipin- und Anti-dsDNA-Antikörper sind von begrenztem Wert.

Differentialdiagnose

Rassmussen-Enzephalitis (RE): Sie äußert sich durch eine einseitige zerebrale Beteiligung und hartnäckige Krampfanfälle. Fokale neurologische Defizite und anschließende Atrophie ähneln dem Bild des PRS. Der histopathologische Befund einer lymphozytären Vaskulitis sowohl bei RE als auch bei PRS kann die Diagnose erschweren. PRS kann mit RE assoziiert sein und eine progressive hemifaziale Atrophie entwickeln.

Barraquer-Simons-Syndrom: Es handelt sich um eine erworbene progressive Lipodystrophie, die das Gesicht, den Hals, den Thorax, das Abdomen und selten die Extremitäten betrifft. Die Beteiligung des zentralen Nervensystems wird durch Epilepsie und bilaterale zerebrale Atrophie angedeutet. Ein allmählicher, symmetrischer, beidseitiger Verlust von subkutanem Fettgewebe mit Nierenbeteiligung hilft, dieses Syndrom vom PR-Syndrom zu unterscheiden.

Hemifaziale Hypertrophie: Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine asymmetrische Vergrößerung der Gesichts- und Kopfhälfte anstelle einer Hemiatrophie und ist eine wichtige klinische Differenzialdiagnose für asymmetrische Gesichtsdeformitäten.

Hemifaziale Fettnekrose: Die Ursachen reichen von bulbärer Poliomyelitis über Bindegewebserkrankungen bis hin zu Traumata. Das Fehlen einer kutanen, muskulären oder knöchernen Beteiligung hilft, diese Entität vom PRS zu unterscheiden.

Angeborene Deformitäten: Erkrankungen wie kongenitale Hemiatrophie oder Torticollis können eine durch PRS verursachte Gesichtsasymmetrie imitieren. Eine sorgfältige Anamnese hilft, diese Entitäten zu unterscheiden.

Differentialdiagnose

Symptomatische Hemiatrophia faciei

Lipodystrophia progressiva

Rassmussen-Enzephalitis (RE): Diese äußert sich durch eine einseitige zerebrale Beteiligung und hartnäckige Krampfanfälle. Fokale neurologische Defizite und anschließende Atrophie ähneln dem Bild des PRS. Der histopathologische Befund einer lymphozytären Vaskulitis sowohl bei RE als auch bei PRS kann die Diagnose erschweren. PRS kann mit RE assoziiert sein und eine progressive hemifaziale Atrophie entwickeln.

Barraquer-Simons-Syndrom: Es handelt sich um eine erworbene progressive Lipodystrophie, die das Gesicht, den Hals, den Thorax, das Abdomen und selten die Extremitäten betrifft. Die Beteiligung des zentralen Nervensystems wird durch Epilepsie und bilaterale zerebrale Atrophie angedeutet. Ein allmählicher, symmetrischer, beidseitiger Verlust von subkutanem Fettgewebe mit Nierenbeteiligung hilft, dieses Syndrom von PRS zu unterscheiden.

Hemifaziale Hypertrophie: Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine asymmetrische Vergrößerung der Gesichts- und Kopfhälfte anstelle einer Hemiatrophie und ist eine wichtige klinische Differenzialdiagnose für asymmetrische Gesichtsdeformitäten.

Hemifaziale Fettnekrose: Die Ursachen reichen von bulbärer Poliomyelitis über Bindegewebserkrankungen bis hin zu Traumata. Das Fehlen einer muskulären oder knöchernen Beteiligung hilft, diese Ursachen vom PRS zu unterscheiden[38].

Angeborene Deformitäten: Erkrankungen wie kongenitale Hemiatrophie oder Torticollis können eine durch PRS verursachte Gesichtsasymmetrie imitieren. Eine sorgfältige Anamnese hilft, diese Entitäten zu unterscheiden.

Komplikation(en)

Ophthalmologische Komplikationen

  • Hornhauttrübung
  • Glaukom (Grüner Star)
  • Restriktives Schielen
  • Netzhautablösung
  • Verlust des Sehvermögens
  • Phthisis bulbi oder atrophische Bulbi
  • Verengte Augenhöhle

Neurologische Komplikationen:

  • Wiederkehrende epileptische Anfälle und Status epilepticus
  • Subarachnoidalblutung durch Ruptur von Hirnaneurysmen[9]
  • Spontane Karotis-Jugular-Fistel und Karotis-Dissektion aufgrund von zerebralen Gefäßfehlbildungen
  • Hirninfarkt aufgrund einer fokalen Stenose des zerebralen Gefäßsystems

Therapie

Grundsätzliches:

  • Unterbrechung des aktiven Krankheitsverlaufs und Herbeiführung einer Remission
  • Behandlung akuter Exazerbationen wie Krampfanfälle und Uveitis
  • Kosmetische Rehabilitation nach vollständiger Remission

Die Standardbehandlung ist die systemische Immunsuppression:

  • Methotrexat (MTX) - der bevorzugte Wirkstoff. Die Dosis beträgt 0,3 bis 1 Milligramm/Kilogramm/Woche (mg/kg/Woche). MTX wird in oraler oder parenteraler Form verabreicht. Die Therapie wird über 12 bis 24 Monate fortgesetzt, um Rückfälle zu verhindern.
  • Kortikosteroide - MTX wird mit oralem Prednisolon oder intravenösem Methylprednisolon (IVMP) kombiniert.[30] Zwei Monate lang wird orales Prednisolon in einer Dosis von 1 mg/kg/Tag verabreicht, danach wird die Dosis im dritten Monat reduziert. IVMP wird als Pulstherapie in einer Dosis von 1000 mg/Tag an drei Tagen pro Monat über sechs Monate verabreicht.
  • Alternativ: Mycophenolatmofetil, Cyclophosphamid, Hydroxychloroquin und Cyclosporin werden bei resistenten Fällen eingesetzt.
  • Psoralen und ultraviolettes A (PUVA) - unterschiedliche Wirksamkeit bei der Eindämmung der Krankheitsaktivität (Gambichler T et al. 2003).

Ophthalmologisches Management:

  • Akute Uveitis: Topische Zykloplegika, topische und systemische Steroide sind die Haupttherapie. Die akute Trabekulitis wird mit topischen Antiglaukom-Medikamenten behandelt. Rückfälle sind häufig und eine aggressive Behandlung ist die Norm.
  • Hornhauttrübung: Eine optische perforierende Keratoplastik bietet ein gutes visuelles Ergebnis für stark getrübte Hornhäute aufgrund von Expositionskeratopathie, infektiöser Keratitis und primärem Endothelversagen.
  • Sklerale Schmelze: Das Sklerapatch-Transplantat ist die bevorzugte Behandlungsoption.
  • Grüner Star (Glaukom): Mit Antiglaukom-Medikamenten kann der IOD in frühen Fällen kontrolliert werden. In schweren Fällen, in denen sich der Augeninnendruck mit topischen Medikamenten nicht ausreichend kontrollieren lässt, ist eine Trabekulektomie erforderlich.
  • Restriktiver Strabismus: Die kleinwinkligen Abweichungen werden durch eine Prismenbrille korrigiert. Bei Schielen mit großen Winkeln ist eine endgültige chirurgische Korrektur erforderlich.
  • Vaskulitis der Netzhaut: Die aktive Erkrankung zeigt vaskuläre Läsionen in der mittleren peripheren Netzhaut und eine leichte Vitritis. Die primäre Behandlung ist die topische und systemische Immunsuppression. Die fortgeschrittene Erkrankung zeigt Neovaskularisation, Glaskörperblutung (VH) oder traktive Netzhautablösung (TRD). Bei Neovaskularisationen im hinteren Segment wird die sichtbare, nicht durchblutete Netzhaut gelasert. Eine vitreoretinale Operation mit intravitrealer Injektion von anti-vaskulärem endothelialem Wachstumsfaktor (Anti-VEGF) ist bei nicht auflösbaren VH und TRD erforderlich.

Neurologisches Therapiemanagement:

  • Krampfanfälle: Die Antiepileptika werden je nach Ansprechen für die Langzeitbehandlung titriert.
  • Neuropsychiatrische Störungen: Die Konsultation eines Facharztes für Psychiatrie ist unerlässlich.

Strategien zur Rehabilitation: Eine kosmetische Rehabilitation wird versucht, wenn das Fortschreiten der Krankheit mindestens ein bis zwei Jahre zum Stillstand gekommen ist - Schultz KP et al. 2019).  Die am häufigsten eingesetzten Behandlungsmöglichkeiten sind:

Okuloplastisches Therapiemanagement:

  • Enophthalmus: Die intraorbitale Injektion von Füllstoffen wie Silikongel, Hyaluronatderivaten oder Eigenfetttransplantaten mit aus Fettgewebe gewonnenen Stammzellen führt zu guten kosmetischen Ergebnissen. 
  • Ptosis: Die primäre Korrektur des Enophthalmus führt häufig zu einer zufriedenstellenden kosmetischen Wirkung. Eine Frontalisschlingenoperation ist schweren Fällen vorbehalten.  
  • Zurückgezogene Augenlider: Chirurgisch behandelt mit Levatorrezessionen oder Levatorverlängerungen mit entspannender Myotomietechnik.
  • Lagophthalmus: Anhaltender Lagophthalmus erfordert eine chirurgische Korrektur mit permanenter lateraler Tarsorrhaphie.
  • Herabhängende Augenbraue: Browpexie oder Z-Plastik sind gute Behandlungsmöglichkeiten.
  • Atrophie/Phthisis bulbi: Ein schmerzloser, involutioneller Augapfel mit ausreichend geformten Bindehautfornices erfordert einen ersten Versuch mit der Prothesenschale. Das schmerzhafte phthisische Auge kann eine Enukleationschirurgie mit einem Silikonimplantat erfordern.
  • Verengte Augenhöhle: Für eine vollständige chirurgische Rekonstruktion der Augenhöhle in schweren Fällen mit verengten Fornices sind Schleimhaut- und Fetttransplantate erforderlich. Eine gesunde Augenhöhle wird dann probeweise mit einer Prothesenschale versehen.

Gesichtskorrekturen durch plastisch-rekonstruktive Eingriffe:

  • Synthetische Gewebefüller: Minimalinvasive Methode zur Korrektur von Gesichtsasymmetrien. Die am häufigsten verwendeten Filler sind Silikongel, Polyethylen, Hydroxyapatit und Poly-L-Lactat (Ortega VG et al. 2015), die bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen hervorragende Ergebnisse erzielen.
  • Autologe Fetttransplantation: Die Coleman-Technik führt in den meisten Fällen zu akzeptablen kosmetischen Ergebnissen (Coleman SR et al. 2015).

Skelettrekonstruktion:

  • Knochenpastenkranioplastik, Knochenimplantate, Knochen-/Knorpeltransplantate und orthognatische Chirurgie haben unterschiedliche Erfolgsquoten.

Freie Weichgewebetransplantation:

  • Wird häufig für großvolumige Rekonstruktionen verwendet. Häufig verwendete Lappen sind das Omentum major, der laterale Oberschenkel, die paraskapulären Muskeln, der M. latissimus dorsi und der dorsale thorakale adipofasziale Lappen. Mit diesem Verfahren werden zufriedenstellende kosmetische Ergebnisse erzielt.

 

Verlauf/Prognose

Die Krankheit erreicht die „Burn-out-Phase“ innerhalb von 2 bis 20 Jahren nach aktiver Krankheitsaktivität. Die Asymmetrie des Gesichts ist oft erheblich und führt zu einer starken Entstellung. Die okulären Manifestationen, die von Uveitis über Keratitis bis hin zu Netzhautpathologien reichen, erfordern ein aktives Management. Wiederholte Uveitis- oder Netzhautvaskulitis-Schübe können zu einem sekundären Glaukom führen, wobei die Sehprognose unterschiedlich ist. Die neurologischen Manifestationen sind oft gut kontrollierbar und verursachen nur geringe Behinderungen.

Hinweis(e)

PRS-Fälle können in den Kliniken der Augenheilkunde, Neurologie oder Dermatologie auftreten. Diese Fälle erfordern eine fachübergreifende Beurteilung und Behandlung. Daher ist ein koordinierter Teamansatz unter Einbeziehung von Neurologen, Augenärzten, Rheumatologen, Dermatologen, Radiologen, plastischen Chirurgen, Apothekern und anderen betroffenen Fachrichtungen je nach den Bedürfnissen des Patienten unerlässlich.

Literatur
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Zuletzt aktualisiert am: 03.03.2023