Furunkel L02.92

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Hadrian Tran

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 14.11.2020

This article in english

Synonym(e)

Boil (e); Furunculus; Furunculus vulgaris; Staphylodermia follicularis et perifollicularis profunda; Staphylodermia follicularis profunda; Staphylodermia follicularis profunda necroticans

Definition

Bakteriell induzierte, Korium und Subkutis erfassende (tiefe Follikulitis), schmerzhafte, durch Staphylokokken hervorgerufene, abszedierende Entzündung eines Haarfollikels mit eingezogener narbiger Abheilung. Als Furunculus maligna wird der (in Mitteleuropa sehr seltene) Milzbrandkarbunkel mit ausgedehnter zentraler Nekrose bezeichnet.

Vorkommen/Epidemiologie

Exakte Angaben fehlen.  Für die Altersgruppe der 30-50-jährigen wird eine Prävalenz von 0,2-1,2/100 Personen/Jahr angegeben.

Ätiopathogenese

Meist Infektion mit Staphylococcus aureus, vor allem bei abwehrgeschwächten Patienten. Entwicklung aus einer Follikulitis. Mehrere Furunkel können zu einem Karbunkel konfluieren. 

Lokalisation

Bevorzugt Nacken, Gesäß, Oberschenkelinnenseite, äußerer Gehörgang, Oberlippe (s. Lippenfurunkel).

Klinisches Bild

Zunächst kleine Pustel mit gelblichem Inhalt (Follikulitis), daraus Entwicklung eines entzündlich geröteten Knotens mit Ödem der Umgebung ( Perifollikulitis) und verkrusteter Oberfläche. Druck- und Spontanschmerz. Nach einigen Tagen Fluktuation als Zeichen der Einschmelzung. Entleerung von Eiter, Abstoßen eines Gewebepfropfes mit sofortigem Nachlassen des Schmerzes. Der Defekt wird mit Granulationsgewebe aufgefüllt, nach Abheilen bleibt eine kleine eingezogene Narbe zurück.

Differentialdiagnose

  • Folliculitis simplex: nur oberflächliche Infektion des Follikels (Ostiofolliculitis). Pustelbildung um einen Haarschaft.
  • Infizierte Epidermoidzyste: meist nach Auspressversuch plötzlich entstehender, schmerzhafter, entzündlicher Knoten 
  • Lymphomatoide Papulose: langsam wachsender schmerzloser Knoten. Keine Abszessbildung. Diagnose: Biopsie. 
  • Trichophytia profunda: furunkoloider Knoten, meist bei Kindern,  geringe Schmerzhaftigkeit. Diagnose: Biopsie. 
  • Furunkoloide Myiasis: typische Reisedermatose. Langsam wachsend. Keine wesentlich Schmerzhaftigkeit.
  • Leishmaniasis: typische Reisedermatose (dort wo der Ölbaum wächst). Langsam wachsendes entzündliches Granulom, nicht fluktuierend, zentrale Ulzeration.  
  • Furunkel in Leisten/Axillae:
    • Hidradenitis suppurativa: selten akut auftretend. Meist als langjähriger rezidivierender Prozess auftretend.
  • Furunkel im Lidbereich:
    • Hordeolum (Gerstenkorn):  bakterielle Infektion der Augenwimpern. Typische Lokalisation und Anamnese 

Komplikation(en)

  • Regionale Lymphangitis, Lymphadenitis
  • bei Nasen- und Oberlippenfurunkel: infektiöse Thrombose des Sinus cavernosus und thrombophlebitische Sepsis möglich (sehr seltene Komplikation)
  • Rezidivierende Furunkelbildung (s. u. Furunkulose) bei immunologisch gestörten Patienten
  • Fiasziitis necroticans: Seltene, bei Diabetiker nach banalen Verletzungen auftretende, lebensbedrohliche, fulminant verlaufende, tiefe, phlegmonöse Infektion von Haut,  Subkutis und der Faszien
  • Gesichtsfurunkel (insb. Furunkel/Karbunkel der Zentrofazialregion)
    • Aufgrund der topographischen Nähe zur Augen- und Hirnregion besteht ein erhöhtes Komplikationsrisiko, weshalb immer eine i.v. antibiotische Therapie erforderlich ist!
    • Komplikationen: Orbitalphlegmone, Meningitis, Sinus-cavernosus-Thrombose

Therapie allgemein

Ruhigstellen des betroffenen Körperabschnittes, Hochlagern so weit möglich. Manipulationsverbot: kein Drücken am Furunkel! Bei Gesichtsfurunkel: Bettruhe, Sprechverbot, sowie Umstellung auf weiche, passierte Kost.
 

Externe Therapie

  • Sogenannte "Zugsalben" und die Anwendung feuchter Wärme sind traditionell in Gebrauch. Als "Zugsalben"  werden 10, 20 oder 50% Ichthyol-Salben bezeichnet.  Am Hals, im Gesicht und am Genital sollten diese Schieferölsulfonate allerdings nur bis zu 20% angewendet werden.
  • Feuchte warme Umschläge zu Beginn mit antimikrobiell wirkenden Zusätzen wie Polihexanid (Serasept, Prontoderm), verdünnte Kaliumpermanganat-Lösung (hellrosa), Chinolinol (z.B. Chinosol 1:1000) oder R042 , Polyvidon-Jod-Lösung (z.B. Betaisodona Lösung). Zudem 0,5% Clioquinol in Lotio alba R050 oder Clioquinol-Salbe (Linola-Sept), auch Umgebung mitbehandeln.
  • Inzision und Drainage der Abszesshöhle ist bei deutlicher Fluktuation des Abszesses notwendig. Spülung mit Polihexanid Lsg. oder Polyvidon-Jod-Lösung (z.B. Betaisodona Lösung) Einlage eines mit Polyvidon-Jod-Salbe getränkten Mullstreifens.

Bestrahlungstherapie

Rotlicht- oder Kurzwellenbestrahlung können zur Furunkelreifung eingesetzt werden.

Interne Therapie

Jeder Furunkel, insofern nicht nur leichte Varianten, sollte mit einer systemischen Antibiose (penicillinasefeste Penicilline) abgedeckt werden. Furunkel im Gesicht unterliegen wegen möglicher aufsteigender Infektionen (Sinusthrombose) einer besonderen Vorsicht.
  • Intravenöse antibiotische Therapie: Bei Gesichtsfurunkeln ist intravenöse Antibiose z.B. mit Oxacillin (z.B. InfectoStaph) zu bevorzugen: Erwachsene 2-4 g/Tag i.v. in 4-6 ED, Kinder 1-6 Jahre 1-2 g/Tag i.v. in 4 ED, Säuglinge über 3 Monate 4mal/Tag 20 mg/kg KG, Säuglinge bis 3 Monate 3mal/Tag 20 mg/kg KG, bei Neugeborenen und Frühgeborenen ist die angegebene ED nur 2mal/Tag zu verabfolgen.
  • Perorale antibiotische Therapie: Erwachsene, Jugendliche, Kinder ab 6 Jahre InfectoStaph Kps. 2-3 g/Tag in 4-6 ED. Kinder 1-6 Jahre 2 g/Tag in 4 ED. Bei schweren Infektionen Verdoppelung der Dosis möglich.
  • Bei Verdacht auf Penicillin-Allergie auf Erythromycin (z.B. Monomycin Kps.) ausweichen: Erwachsene, Kinder über 8 Jahre: 4mal/Tag 250 mg oder 2mal/Tag 500 mg p.o. Säuglinge, Kleinkinder: Monomycin-Saft/-Säuglingssaft 30-50 mg/kg KG/Tag in 3-4 Einzelgaben zu den Mahlzeiten.
  • Alternativ das besser magenverträgliche Roxithromycin (Rulid Filmtbl.): Erwachsene, Jugendliche (über 40 kg) 2mal/Tag 150 mg p.o. oder 1mal/Tag 300 mg p.o. Bei fortgeschrittener Lebererkrankung Dosis halbieren. Kinder, Säuglinge erhalten Rulid junior Btl. 30-50 mg/kg KG/Tag in 3-4 ED vor den Mahlzeiten.
  • Bei Resistenz gegen genannte Antibiotika auf Vancomycin ausweichen: Erwachsene 4mal/Tag 0,5 g i.v. oder 2mal/Tag 1,0 g i.v., Kinder > 1 Jahr 40 mg/kg KG in 2-4 ED, Säuglinge < 1 Woche 20 mg/kg KG in 2 ED, Säuglinge > 1 Woche 30 mg/kg KG in 3 ED.

Naturheilkunde

Alternativ: Ruhigstellung, warm-feuchte Umschläge, nach Eröffnung des Furunkels Drainage mit Ringelblumen-Urtinktur verdünnt in Ringer-Lösung (1:20).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Schöfer H  et al. (2011) S2k + IDA Leitlinie: Diagnostik und Therapie Staphylococcus aureus bedingter Infektionen der Haut und Schleimhäute. AWMF-Leitlinie 

  2. van Bijnen EM et al.(014) Evidence-based primary care treatment guidelines for skin infections in Europe: a comparative analysis.Eur J Gen Pract 20: 294-300.

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 14.11.2020