Synonym(e)
Definition
Akute, nicht-eitrige, fieberhafte, häufig mit Schüttelfrost einhergehende, gewöhnlich asymmetrische, lokale bakterielle Infektion der Haut, die sich rasch lymphogen und interstitiell ausbreitet, mit zackig begrenzter, schmerzhafter Hautrötung und Schwellung, sowie ebenfalls schmerzhafter Lymphangitis und -adenitis.
Erreger
β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, daneben auch Vertreter der Gruppen B,C und G. Neuere Arbeiten weisen daraufhin, dass beim bullösen Erysipel sowie bei den nekrotisierenden Formen auch Staphylokokken (sehr selten auch Pneumokokken v.a. bei Immunsupprimierten) eine pathogenetische Rolle spielen können (s.a. MRSA).
Auch gramnegative Erreger (z.B. E. coli, Pseudomonas aeruginosa) können in seltenen Fällen, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten, eine pathogenetische Bedeutung haben.
Auch interessant
Ätiopathogenese
Eindringen von Streptokokken durch die Haut in die kutanen Lymphwege (häufig nach Tinea pedum oder kleinen mechanischen Traumata ["Wundrose"]). Persistierende Lymphödeme sind Wegebereiter für die Infektion (z.B. Ödeme nach langstreckiger Saphenektomie bei Bypass-Operationen).
Manifestation
Bevorzugt Erwachsene zwischen dem 20. und 70 . Lj. In größeren Studien ergibt sich ein Durchschnittsalter von etwa 50 Jahren. Seltener sind Kinder und Jugendliche betroffen.
Lokalisation
Die möglichen Eintrittspforten bedingen die Prädilektionsstellen, neben dem Gesicht die Unterschenkel, wobei eine gewisse Distanz zwischen Erysipel und der Einrittspforte vorhanden ist.
- Extremitäten:
- Unterschenkel (etwa 70% der Fälle)
- Unterarme (etwa 12% der Fälle)
- Gesicht (etwa 13% der Fälle): v.a. Wangenbereich, häufig beidseitig, symmetrisch (DD: Dermatomyositis; systemischer Lupus erythematodes). Bemerkung: eine wesentlche Quelle als Keimreservoir stellt der Nasopharynx der Betroffenen selbst dar (Keimträger von Str. pyogenes bei 20-30% junger Ewachsener - Nayak N et al. 2016)
- Rumpf (etwa 3% der Fälle).
Labor
Leukozytose mit Neutrophilie, BSG- und CRP-Erhöhung. ASL und Anti-Streptodornase-B(ABD)-Titer erhöht.
Histologie
Differentialdiagnose
Klinisch:
- Akute Dermatitis (kein Fieber, keine Lymphadenitis, Juckreiz)
- initialer Zoster (wichtig in Abgrenzung zu einem Gesichtserysipel; Schmerzen häufig dominierend, kein Fieber, keine schmerzhafte Lymphadenitis, später wegweisende segmentale Ausbreitung mit Bläschen-oder Blasenbildung)
- oberflächliche Thrombophlebitis (strangartige Induration, Fieber fehlt meist)
- Lymphangitis acuta (charakteristische lineare Rötung entlang einer Lymphbahn)
- Erysipelas carcinomatosum (meist brettharte Infiltration, Akuität fehlt)
- Erysipeloid (Infektion verläuft blande, Lokalisation - Hände),
- Angioödem (kein Fieber, keine Lymphadenitis)
- Gesichtserysipel
- Rosacea erythematosa (chronischer Zustand, kein Fieber, wechelhafte Rötung und Schwellung)
- Dermatomyositis/SLE (schweres chronisches Krankheitsbild mit Adynamie und Zeichen einer autoimmunologischen Erkrankung)
- Akute Dermatitis (Kontaktgeschehen nachweisbar, Akuität innerhalb von wenigen Stunden; vesikulöse Dermatitis)
- Angioödem (akute Schwellung, kein Fieber, keine Lymphangitis, keine Schmerzen)
Histologisch:
- Erysipeloid (läßt sich vom Erysipel nicht unterscheiden; komplikative Komponenten fehlen);
- akute febrile neutrophile Dermatose (diffuse, sehr dichte, neutrophile Dermisinfiltration, Hämorrhagien fehlen; klinisches Bild ist zu berücksichtigen);
- Lichtdermatose, polymorphe (kräftiges dermales Ödem, keine Neutrophilie, Epidermis meist spongiotisch).
Komplikation
- Hämorrhagische Komponente muss als Verschlechterung der Infektion angesehen werden.
- Blasenbildung bei sehr exsudativer Entzündungsreaktion: S.u. Erysipel bullöses.
- Phlegmone: s.u. Erysipel phlegmonöses (unscharfe Eiteransammlungen entlang der anatomischen Leitschienen)
- Erysipel gagränöses: gefürchtete nekrotische Verlaufsform.
- Nekrotisierende Fasziitis als schwere, rasch fortschreitende, lebensbedrohliche Weichteilinfektionfektion.
- Sepsis mit Endokarditis und ggfs. Glomerulonephritis (<5%)
- Erysipelrezidiv (s.u. Erysipel, rezidivierendes): Rezidive werden innerhalb von 6 Monaten bei 10% der Fälle beobachtet (30% innerhalb von 3 Jahren). Beim rezidivierenden Erysipel besteht die Gefahr eines sekundären Lymphödems mit allen hierdurch entstehenden möglichen Folgezuständen ( Papillomatosis cutis lymphostatica, Makrocheilie).
- Streptokokkenallergische Folgeerkrankung: akute Streptokokken-Glomerulonephritis
Therapie
Systemische Antibiose s. Tabelle
Bei anhaltendem Schwellungszustand ab 3.-5. Tag nach Antibiose manuelle und ggf. zusätzlich apparative, intermittierende Lymphdrainage.
Merke! Keine Lymphdrainage im akuten Entzündungszustand! Keimverschleppung!
Bei rezidivierendem Erysipel Behandlung der akuten Symptomatik, anschließend über 1 Jahr regelmäßige Penicillinzyklen und Lymphödembehandlung. S.u. Erysipel, rezidivierendes.
Therapie allgemein
Externe Therapie
Verlauf/Prognose
Unter suffizienter antibiotischer Therapie günstig. Bei Prädisposition (unbehandelte Tinea, Lymphödeme, Chronische venöse Insuffizienz) Gefahr des Rezidivs. Entsprechend ist eine vorliegende Grunderkrankung mitzubehandeln.
Tabellen
Systemtherapie beim Erysipel
|
Arzneistoff und Beispielpräparat |
Dosis |
Therapiedauer |
Unkomplizierter Verlauf |
Penicillin V (z.B. Megacillin) |
1,5-3 Mio. IE/Tag p.o. in 3-4 ED |
10 Tage |
Komplizierter Verlauf oder chronische Rezidivierung |
Penicillin G (z.B. Penicillin Grünenthal) |
15-30 Mio. IE/Tag i.v. in 3-4 ED (max. 30 Mega/Tag) |
bis zur Abheilung |
Komplizierter Verlauf/Penicillinallergie |
Vancomycin |
40-60 mg/kg/Tag in 2-3 ED |
bis zur Abheilung |
Mischinfektionen |
Oxacillin (z.B. Infectostaph) |
4mal/Tag 1 g (max. 8 g) i.v. oder i.m. |
10 Tage |
Cephalosporine wie Cefotaxim (z.B. Claforan) |
2-3mal/Tag 2 g i.v. |
Bis zur Abheilung |
|
Kombination aus Cefuroxim (z.B. Cefuroxim Hexal) + Gentamicin (z.B. Refobacin) |
2mal/Tag 1,5 g i.v. + 240 mg/Tag i.v. |
Bis zur Abheilung |
|
Penicillinallergie |
Erythromycin (z.B. Erythrocin) |
4mal/Tag 0,5-1 g p.o. |
10 Tage |
Clarithromycin (z.B. Klacid) |
2mal/Tag 250-500 mg p.o. |
Literatur
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Kopernio

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