Morbus Crohn, Hautveränderungen K50.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 16.01.2024

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Synonym(e)

Crohn-Ginsburg-Oppenheimer-Krankheit; Crohn`s disease and skin; Cutaneous Crohn`s disease; Enteritis regionalis; Enterocolitis regionalis; Haut und Morbus Crohn; Ileitis terminalis; Kutane Crohn-Erkrankung; Kutaner Morbus Crohn; M. Crohn der Haut; M.Crohn Hautveränderungen; Metastatic Crohn`s disease; Metastatischer Morbus Crohn; Morbus Crohn; Morbus Crohn Hautveränderungen; Morbus Crohn kutaner; Sklerosierende chronische Enteritis

Erstbeschreiber

Lesniowski, 1903; Crohn, 1932

Definition

Der Morbus Crohn wird definiert als: idiopathische, diskontinuierlich und segmental auftretende, chronisch-entzündliche granulomatöse Darmerkrankung unklarer Genese des gesamten Gastrointestinaltraktes mit bevorzugter Lokalisation im terminalen Ileum und Colon. Der gesamte gastrointestinale Trakt von Mund bis Anus kann befallen sein. Die Erkrankung kann mit vielfältigen granulomatösen, häufig auch schmerzhaften, ulzerierten Haut- und Mundschleimhauterscheinungen einhergehen.

Komplikationen sind Stenosen, Fisteln, Malnutrition (s.a. Morbus Crohn).

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 6/100.000 Einwohner/Jahr.

Ätiopathogenese

Der M. Crohn wird vermutlich über autoimmunologische Prozesse vermittelt. Neben genetischen Einflüssen (diskutiert werden Mutationen in Chromosom 12 und 16 - s.u. Morbus Crohn) spielen diätetische Faktoren, orale Antikonzeptiva, Rauchen, die Darmflora und die Permeabilität der Darmwand eine Rolle. Eine gestörte Permeabilität der Schleimhaut scheint ätiologisch bedeutsam zu sein. Mutationen der sog. NOD-Rezeptoren sollen pathogenetisch eine Rolle spielen. Erste Daten, die Erkrankung könnte durch bakterielle Antigene ausgelöst werden, scheinen an Bedeutung zu gewinnen. Als Hauptverdächtiger gilt das Mycobacterium avium paratuberculosis (MAP).

Weitere Assoziationen sind bekannt, so u.a.mit dem Autophagiefaktor ATG17L1 und dem Interleukinrezeptor IL23R .

Manifestation

Meist vor dem 30. Lebensjahr mit Betonung der 2. und 3. Lebensdekade. In 4-20% der Erkrankten kommt es zur Beteiligung der Mundschleimhaut.

Keine Geschlechtsbevorzugung.

Bei dem relativ seltenen metastatischen Crohn (Mißnomen) sind Frauen in der Überzahl (etwa 75% des Klientels). Das Manifestationsalter liegt hier bei durchschnittlichen 34,5 Jahren. Kinder sind eine extreme Ausnahme (20 Fälle in der Weltliteratur).   

Klinisches Bild

Abdominalschmerzen mit (meist nicht blutigen) schleimigen Durchfällen, Meteorismus, Obstipation, Gewichtsabnahme. Abdominalschmerzen auch Appendicitis-artig oder kolikartig im rechten Unterbauch mit leichten Temperaturerhöhung.

Einteilung der Klinik nach der Montreal-Klasssifikation:

  • A: Manifestationsalter: A1<16Lj; A2 17-40Lj.; A3>40Lj.
  • L: Lokalisation: L1=Ileum; L2=Kolon; L3=ileokolonisch; L4=ober GI-Trakt 
  • B: Biologisches Verhalten: B1= nicht strukturierend/penetrierend; B2= strikturierend; B3 intern penetrierend; B3p: perianal pentrierend

Haut-/ hautnahe Schleimhauterscheinungen:

Augen (7%)

  • Episkleritis, Iritis, Konkunktivitis

Gelenke (20%)

  • Auftreten von Arthritiden und ankylosierender Spondylitis (zu 80% HLA-B27 positiv); Sacroilitis 

Leber 

Wachstumsstörungen bei Kindern

  • Malabsorptionssyndrom mit Gewichtsverlust

Darmstenosen mit Zeichen von (Sub)Ileus, selten Perforationen

Labor

Spezielle immunologische Parameter: pANCA finden sich bei Enteritis regionalis (M. Crohn) in etwa 20%, bei der Colitis ulcerosa in ca. 65% der Fälle. Antikörper gegen Hefen, Saccharomyces cerevisiae, (ASCA) finden sich bei Enteritis regionalis häufig, seltener bei der Colitis ulcerosa. Weitere Antikörper werden gegen Tropomyosin bei der Colitis ulcerosa, nicht dagegen bei Enteritis regionalis gefunden.

Histologie

Die oralen Schleimhautveränderungen zeigen granulomatöse Entzündungen.

Diagnose

Typischer endoskopischer Befund: Disseminierte Schleimhautläsionen mit oft segmentalem Befall und häufig Dünndarmbeteiligung.

Histologie mit Epitheloidzellgranulomen unter Einbeziehung aller Wandschichten.

Dünndarmkontrastuntersuchung nach Sellink mit dem typischen Befund einer Stenosierung im terminalen Ileum.

Die Floridität lässt sich durch die Entzündungsparameter unter den Laborwerten (BSG, CRP, alpha2-Globulin, Fibrinogen) kontrollieren.

Differentialdiagnose

Tuberkulose, Sarkoidose, Colitis ulcerosa; Acne conglobata


Die wichtigsten klinischen Differentialdiagnosen der häufigsten granulomatösen und nicht-granulomatösen Erkrankungen der Haut.

Granulomatös

 

Nicht-granulomatös

 

Krankheit Klinische/Histologische Merkzeichen Krankheit Klinische Zeichen
Tuberkulose Entzündung, Käsige Nekrose Pyoderma Gangraenosum Ulzeration mit wahrscheinlich unterminierten Lila Rändern
Sarkoidose Nicht-verkäsende Granulom Morbus Behçet Multiple Ulzerationen, Arthralgie, Pathergie
Melkersson-Rosenthal-Syndrom Nicht-verkäsende Granulom Vulvovaginitis/ Scheideninfektionen (venerische und nicht venerische, Bakteriell/Pilz) Ulzeration, Knötchen, Schwellung, Vaginalausfluss
Idiopathische granulomatöse Vulvitis Nicht-verkäsende Granulom Bartholinitis/Bartholin-Zyste Schmerzhafte Schwellung der Schamlippen (Labia Majora)
Fremdkörpergranulom Fremdkörpergranulom Condylomata acuminata Exophytische schmerzlose Läsionen
Lymphogranuloma Venereum Kleine, nicht verhärteter Ulzera oder Pappel, Leistenlymphknoten Hidradenitis suppurativa Knotiger Abszess, multiple Läsionen
Syphilis Solitäre schmerzlose Ulzerationen Rosazea Pusteln, Erythem
CD1a-positiv Langerhans-Zell-Histiozytose mit Eosinophilie Kurzatmigkeit, Gelenkschmerzen und Arthritis, rote Beule auf der Haut, Hepatomegalie und trockene Augen (in mehreren Fällen asymptomatisch) Vulvaödem / Lymphödem Anamnese Post-radiotherapie, neoplastische Lymphgefäßobstruktion
Allergische granulomatöse Reaktionen

Juckender, mehr generalisierter Hautausschlag: Patch-Test

Lymphangiom Schwellung
Traumatische Blutung Drückschmerzen, Lokale Schweregefühl

 

Therapie

Die Therapie der Haut- und Schleimhautveränderungen bedingt die parallele Behandlung der entzündlichen Darmerkrankung (Therapie der ersten Wahl: 5-Aminosalicylsäurepräparate + systemische Glukokortikoide.

TNF-alpha-Blocker (Infliximab und Adalimumab)

AK gegen Interleukin 10

Vedolizumab (Entyvio®) ist ein, seit Mai 2014 zugelassener, darmselektiver Integrin-Antagonist, der bei Patienten mit aktiver mittelschwerer bis schwerer Form von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eingesetzt werden kann. Vedolizumab blockiert das Adhäsionsmolekül alpha4beta7-Integrin (s.a. unter Integrinen).

Chirurgische Therapie bei Obstruktion, Perforation, Abszess- und Fistelbildung.

Hinweis(e)

Der wenig sinnvolle Begriff "metastatischer Morbus Crohn" ist definiert als sterile, granulomatöse, kutane Läsion ohne direkte Verbindung zum Gastrointestinaltrakt. Der Begriff impliziert einerseits als Grunderkrankung einen malignen neoplastischen Prozess, anderseits wird damit verkannt dass es sich beim M. Crohn um eine "nicht-monotopische" granulomatöse Systemerkrankung handelt. 

Fallbericht(e)

  • Fall 1:
    • 13-jähriges Mädchen mit intermitterendem Auftreten schmerzhafter, juckender genito-analer Schwellungen und Rötungen seit dem 4. LJ. Diverse erfolglose Vorbehandlungen aufgrund fälschlicherweise als Erysipel oder kontaktallergische Ekzeme diagnostizierter Läsionen. Zuletzt 2-4mal/Tag Auftreten ungeformter Stühle mit Blutauflagerungen.
    • Befund: Leicht reduzierter AZ, schlanker EZ und depressive Grundstimmung. Massive, teigige Schwellung und Rötung der Labia majora und teilweise der Labia minora mit derber Infiltration. Im Bereich der Rima ani mit Bevorzugung der Perianalregion zeigte sich eine erosive, teils derb infiltrierte, wulstartig-tumoröse Effloreszenz mit schmierigen Belägen und entzündlicher Komponente.
    • Labor: Beschleunigte BSG, mäßige CRP-Erhöhung, Leukozytose bei 13.000/µl, Hb 10.8 g/dl, vermindertes korpuskuläres Volumen, deutliche erniedrigter Ferritin-Spiegel, ASL-Titer bei 1157 U/ml.
    • Koloskopie: Floride Crohn-Colitis, Histologie des terminalen Ileums mit deutlichen lymphofollikulären Hyperplasien, im Coecum und Rektum schwere chronische Entzündungszeichen epitheloidzelliger Granulome sowie fissuraler Nekrosen.
    • Histologie der Haut: Chronisches Lymphödem mit Fibrosklerose und reichlich ektatischen Lymphgefäßen. Perivaskulär fanden sich neben einer lockeren lympho-plasmazellulären Infiltration Makrophagen einschließlich einiger histiozytärer Riesenzellen und Ansammlungen epitheloidzelliger, gefäßassoziierter Granulome.
    • Therapie und Verlauf: Einleitung einer Therapie mit Mesalazin und Metronidazol (3mal/Tag 200 mg p.o.); Reduktion der Stuhlfrequenz und Abheilung des Genito-Analbefundes. Weiterhin engmaschige ambulante Betreuung. Rezidiv nach 2 Jahren. Kombinationstherapie aus Kortikosteroiden (Prednisolon 50 mg/Tag p.o.) und Metronidazol (Dosierung s.o.). Befundbesserung nach 3 Wochen; Fortsetzung der Therapie durch die betreuende Kinderklinik.
  • Fall 2:
    • 32-jährige Patientin mit seit 2 Tagen bestehenden, schmerzhaften Schleimhautläsionen am Gaumen. Der AZ der Patientin war leicht reduziert (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Appetitlosigkeit).
    • Klinisch zeigte sich am harten Gaumen rechts eine im Durchmesser etwa 0,1 cm große, ovale, schmerzhafte Ulzeration mit deutlichem gerötetem Randwall. Im Bereich des weichen Gaumens mehrere stark entzündliche etwa 0,3 cm im Durchmesser große "aphthoide" Areale. Die Gingiva, das Parodont und die restlichen Schleimhautareale waren klinische o.B. Eine dentogene Ursache der palatinalen Schleimhautläsionen konnte klinisch und radiologisch ausgeschlossen werden.
    • Histologie der Mundschleimhaut: Schwere, akut-ulzeröse Stomatitis mit lymphozytärer Infiltration sowie wenigen Riesenzellen innerhalb der Schleimextravasate; keine vollständige Ausbildung typischer Epitheloidzellgranulome.
    • Die gezielte allgemeine Durchuntersuchung ergab einen bis dato nicht bekannten und auch derzeit klinisch(gastroengterologisch) nicht aktiven Morbus Crohn. Eine umgehend eingeleitete systemische Therapie mit Prednisolon über 5 Tage und lokal schmerzlindernde Spülungen mit Bepanthen- und Subcutin-Lösungen im Wechsel führten innerhalb kurzer Zeit zur vollständigen Remission.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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