Cytarabin

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 13.08.2020

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Synonym(e)

4-Amino-1-β-D-arabinofuranosyl-1H-pyrimidine-2-on; AraC; CAS-Nummer: 147-94-4; Cytarabinum; Cytosinarabinosid; Cytosin-Arabinosid

Definition

Cytarabin (araC) ist ein synthetisches Isomer des Nukleosids Cytidin. Es unterscheidet sich von den physiologischen Nukleosiden Cytidin und Desoxycytidin nur im Zuckeranteil: anstelle von Ribose oder Desoxyribose tritt im Cytarabinmolekül Arabinose auf. Cytarabin ist ein Pyrimidin-Antagonist (s.a. Pyrimidin-Analoga).

Pharmakodynamik (Wirkung)

Cytarabin hat die Summenformel C9H13N3O5.  Die Substanz ist in Wasser löslich, in Ethanol und Chloroform hingegen schwer löslich. Cytarabin verfügt über zytostatische (Antimetabolit), als auch virostatische Wirkung.

Als Isomer von Cytidin wird Cytarabin durch seine große strukturelle Ähnlichkeit mit dem Nukleosid Cytosin nach seiner Phosphorylierung durch die Desoxycytidinkinase und andere Nukleotidkinasen zu Cytosinarabinosidtriphosphat von der DNA-Polymerase anstelle von Cytosintriphoshat in den DNA-Strang eingebaut. Der Wirkmechanismus ist noch nicht eindeutig geklärt, aber Cytarabintriphosphat scheint die DNA-Polymerase zu hemmen, indem das physiologische Substrat Desoxycytidintriphosphat verdrängt wird. Durch Blockade aller weiteren Reparatur- und Vermehrungsmechanismen kommt es zur Apoptose. Die Metabolisierung erfolgt in der Leber.

Durch eine Pyrimidinnukleosiddesaminase erfolgen hierauf die Inaktivierung und der Umbau zum nichttoxischen Uracilderivat. In Studien mit Mäusetumoren zeigte sich Cytarabin bei schnell wachsenden Tumoren am wirksamsten.

Cytarabin ist oral unwirksam, weniger als 20% werden aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Nach subkutaner oder intramuskulärer Gabe von Cytarabin werden in 20–60 Minuten die Plasma-Peaks erreicht; diese sind wesentlich niedriger als nach einer i.v. Injektion. Relativ konstante Plasmaspiegel lassen sich durch kontinuierliche intravenöse Infusion in 8–24 Stunden erzielen.

Indikation

Remissionseinleitung und -erhaltung in Kombination mit anderen Zytostatika bei akuter myeloischer Leukämie (AML) von Erwachsenen und Kindern. Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie, der lymphatischen Blastenkrise der chronisch-myeloischen Leukämie sowie der Erythroleukämie. Cytarabin kann allein oder in Kombination mit anderen Zytostatika angewendet werden. Bei Kindern mit Non-Hodgkin-Lymphom in Kombination mit anderen Zytostatika. Weiterhin bei akuter lymphatische Leukämie (ALL) und Myelodysplastischem Syndrom (MDS).

Dosierung und Art der Anwendung

Die Induktionstherapie der akuten myeloischen Leukämie erfolgt gewöhnlich mit Cytarabin in Kombination mit anderen Zytostatika. Die Standard-Cytarabindosis beträgt jeweils 100–200 mg/m²/Tag als intravenöse Dauerinfusion über 7 Tage. In hohen Dosen von 2–3 g/m² wird Cytarabin Sandoz über 1–3 Stunden in 12-stündigen Intervallen und während 2–6 Tagen intravenös verabreicht.

Unerwünschte Wirkungen

Hinweis: Die folgenden Nebenwirkungen wurden im Zusammenhang mit einer Cytarabin-Therapie beobachtet: sehr häufig ≥1/10; häufig ≥1/100, <1/10; gelegentlich ≥1/1000, <1/100; selten ≥1/10.000, <1/1000; sehr selten <1/10.000

Infektionen: Sehr häufig: Sepsis, Pneumonie, Infektionen (milde, schwere sowie manchmal fatale Fälle sind möglich) durch Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten oder Saprophyten.

Blut- und Lymphsystem:  Sehr häufig: Knochenmarkinsuffizienz, Thrombozytopenie, Anämie, megaloblastäre Anämie, Leukopenie, Neutropenie, Retikulozytopenie. Die Schwere hängt von der Dosierung und vom Therapieschema ab. Unter therapeutischen Dosen ist ein Abfall der Leukozyten und Thrombozyten innerhalb einer Woche mit einem Nadir um 12-14 Tage zu erwarten.

ZNS: Sehr häufig: Zerebrale und zerebellare Dysfunktion, teilweise mit Persönlichkeitsveränderungen (bei hochdosierter Therapie), Somnolenz. Häufig: Schwindel, Neuritis, Neurotoxizität, Kopfschmerzen (überwiegend bei hochdosierter Therapie), Paraplegie (bei intrathekaler Therapie). Gelegentlich: Nystagmus, Dysarthrie, Ataxie, Denkstörungen, Koma, Krampfanfälle. Sehr selten: periphere motorische und sensorische Neuropathie.

Augen: häufig: Reversible Hornhautschäden und Konjunktivitis (kann mit Ausschlag auftreten; hämorrhagische Konjunktivitis möglich bei hochdosierter Therapie). Konjunktivitis kann durch die prophylaktische Gabe kortikosteroidhaltiger Augentropfen verhindert oder gemildert werden.

Herz: selten: Perikarditis. Sehr selten: Kardiomyopathien mit Todesfolge bei sehr hohen Dosen.

Gefäße: Häufig: Thrombophlebitis.

Atmungsorgane: sehr häufig: Akutes Atemnotsyndrom (Respiratory Distress Syndrome) mit rasch progredientem Lungenödem durch Erhöhung der Permeabilität der Alveolarkapillaren, und radiologisch ausgeprägter Kardiomegalie (10-30% bei hochdosierter Therapie, gelegentlich nach konventionellen Dosen). Diese pulmonalen Komplikationen sind meist reversibel. Selten: Pneumonie, Dyspnoe, Thoraxschmerzen. Sehr selten: Diffuse interstitielle Pneumonie bei Behandlung mit 1 g/m² Cytarabin mit und ohne andere Chemotherapeutika (ohne direkten Zusammenhang zu Cytarabin).

Gastrointestinaltrakt: häufig: Übelkeit und Erbrechen einige Stunden über die Verabreichung hinaus (insbesondere nach schneller intravenöser Injektion), nekrotisierende Kolitis (Hochdosistherapie), Stomatitis, orale und anale Entzündungen oder Ulzerationen, Diarrhoe, Abdominalschmerzen, Ösophagitis, Halsschmerzen. Selten: Bei hochdosierter Therapie schwere gastrointestinale Nekrosen oder Ulzerationen einschließlich Pneumatosis cystoides intestinalis, welche eine Peritonitis, Sepsis oder Leberabszesse verursachen können. Vereinzelt wurden Fälle von Ösophagusulzera nachgewiesen. Einzelfälle akute Pankreatitis bei der Verabreichung von Cytarabin in Kombination mit anderen Präparaten.

Leber und Galle: sehr häufig: Leberfunktionsstörungen, Leberschäden mit Anstieg der cholestaseanzeigenden Enzyme und Hyperbilirubinämie bei hochdosierter Therapie (25-50%).; selten: Ikterus.

Dermatologische Nebenwirkungen: Unterschiedliche dermatologische Nebenwirkungen treten bei etwa 53% der Patienten auf.  Sehr häufig sind diffuse Alopezien (eine vollständige Alopezie tritt bei der hochdosierten Therapie häufiger auf als bei einer Standardtherapie) sowie makulo-papulöse Exantheme. Cetkovská P et al. (2002) berichteten bei 172 Patienten mit einer Hochdosis Cytarabin-Therapie die bei hämatologischen Grunderkrankungen durchgeführt wurde (118 mit akuter myeloischer Leukämie, 54 mit akuter lymphatischer Leukämie, im Alter zwischen 16 and 71 Jahren) bei 53% der Fälle dermatologische Nebenwirkungen. Hierbei waren dosisabhängig Exantheme mit 72,7% am häufigsten vertreten. Diese treten durchschnittlich 6,5Tage nach Therapiebeginn auf. Beschrieben werden v.a. bei hochdosierter Therapie hämorrhagische papulöse und Plaque förmige Exantheme mit Bevorzugung der intertriginösen Zonen, Nacken, Ohren, Capillitium (Cetkovska P et al. 2002; s.a. unter Cytarabin-Syndrom).  Diese klingen meist spontan wieder ab. Bei einem 2. Zyklus rezidivieren nur 1/3 der Patienten.  Histologisch zeigte sich eine unspezifische, lymphozytäre, spongiotische Dermatitis mit Erythrozytenextravasaten.

Häufig: sind Hautulzerationen. Selten: werden Pruritus, Urticaria, Hautpigmentierungen beobachtet. Eine dermatologische Besonderheit von Cytarabin-behandelten Patienten mit AML ist das neutropenische Fieber mit bilateralem Exanthem und Schwellung der Ohrmuscheln (AraC –Ohr: Berg I et al. 2013). In einigen Fällen konnte histologisch eine akute neutrophile Dermatitis und Pannikulitis diagnostiziert werden (Barrios MP et al. 2018). Disel U et al. bezeichnen diese Konstellation bei einem neutropenischen Patienten mit Fiber und ALM als „bilaterale Ohr-Sweet-Syndrom“.  

Die Häufigkeit von palmar-plantarer Erythrodysästhesie ist unbekannt. Andere selten auftretende Hautveränderungen umfassen Vaskulitiden, die ekkrine squamöse Syringometaplasie und die neutrophile ekkrine Hidradenitis (Ruben S et al. 2015). Einzelfälle von anaphylaktischen Reaktionen wurden publiziert.

Nieren und Harnwege: Selten: Harnretention, Nierenfunktionsstörungen.

Literatur
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  1. Barrios MP et al. (2018) AraC-Ohren-durch Medikamente ausgelöst oder Manifestation einer neutrophilen Dermatose? J Dtsch Dermatol Ges. 16: 213-215
  2. Berg I et al. (2013) Rash and ear swelling in a patient with febrile neutropenia. Int J Infect Dis 17: e360-e361.
  3. Cetkovská P et al. (2002) High-dose cytosine arabinoside-induced cutaneous reactions. J Eur Acad Dermatol Venereol16:481-485.
  4. Cytarabin Sandoz ®: Fachinformation.
  5. Disel U et al. (2006) Bilateral ear Sweet's syndrome in a case with relapse acute myeloblastic leukemia. Leuk Res 30:364.
  6. Ruben BS et al. (2015) Generalized benign cutaneous reaction to cytarabine. J Am Acad Dermatol 73:821-828. 
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