Condylomata acuminata A63.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autoren: Dr. Maryam Ardestani, Nico Weinkauf

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Zuletzt aktualisiert am: 07.03.2024

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Synonym(e)

anogental warts; Feigwarzen; Feuchtwarzen; genitale Warzen; Kondylome spitze; Spitze Kondylome; Viruswarzen vom Schleimhauttyp; Warzen Feigwarzen; Warzen genitale

Definition

Zu den STD ( = sexuell transmitted diseases) gehörende, in den letzten Jahrzehnten deutlich zunehmende Infektionskrankheit durch humane Papillomaviren (HPV) mit Ausbildung anfänglich nur weniger, spitzer weicher Papeln mit Tendenz zur raschen Aussaat sowie zur Bildung von warzenartigen Plaques sowie großflächig beetartigen oder knotigen Wucherungen. 

Erreger

Viren der Papova-Gruppe (HPV, s.u. Papillomaviren, humane), meist HPV 6 und 11. Gleichzeitig können Co-Infektionen mit anderen unterschiedlichen HPV-Typen vorliegen, z.B. HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59 und 66.

HPV 16, 18, 31, 45 wird ein hohes Karzinomrisiko (fast immer nachweisbar beim Zervixkarzinom),

HPV 33, 35, 39 ein mittleres Risiko (Nachweis bei 1-5% invasiv wachsender Zervixkarzinome)

sowie HPV 6 und 11 ein geringeres Risiko (nur seltener Nachweis bei invasiv wachsenden Zervixkarzinomen) beigemessen.

HPV 16 wird zu nahezu 100% bei der bowenoiden Papulose gefunden. HPV 6 und 11 sind auch Erreger der Larynxpapillome.

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit u. panethnisch sehr verbreitet (weltweit häufigste STD). Bei ca. 1% der sexuell aktiven Erwachsenen in Europa zwischen dem 15. und 45. Lebensjahr nachgewiesen.

Ätiopathogenese

Übertragung von Mensch zu Mensch durch direkten Kontakt, v.a. beim Geschlechtsverkehr. Begünstigend wirken feuchtes Milieu, z.B. Fluor vaginalis, Urethritis, Intertrigo, Phimose, Ekzem, Analekzem, evtl. Ovulationshemmer, Immunschwäche.

Bei Kindern mit Condylomata im Genital- und Analbereich verlangt die Fürsorgepflicht, möglichen Hinweisen auf Kindesmissbrauch nachzugehen. Wichtig ist eine psychosoziale Anamnese. Weiterhin gilt es, eine mögliche Infektionsquelle zu eliminieren. Verhaltensstörungen der Kinder, Störungen der Eltern-Kind-Beziehung sind ggf. zusammen mit einem Kinderpsychologen zu eruieren.

Manifestation

Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 20. und 24. Lebensjahr.

Lokalisation

Bei der Frau: Peri- und intraanal; große und kleine Labien, Introitus vaginae, in 20% der Fälle auch intravaginal, in 6% an der Cervix. Beim Mann: Sulcus coronarius, inneres Präputialblatt, Frenulum.

Klinisches Bild

Initial kleine, 0,2- 0,5 cm große, rötliche bis graugelbliche, weiche Knötchen, die selten einzeln, meist jedoch multipel, disseminiert auftreten, oder zu großflächigen, warzigen, zerklüfteten Plaques oder Knoten aggregieren können. Bei Mazeration Übergang in schmierige, übel riechende, zerfallende Wucherungen.

Kondylome können auch jenseits des Schleimhautbereiches auftreten; sie erscheinen z.B. am Penisschaft, dann als weiche pigmentierte Papillome, die dann pigmentierten seborrhoischen Keratosen (untypische Lokalisation) ähneln.

Sonderformen:

Histologie

Scharf begrenzter, exophytischer Neubildung mit voluminöser Akanthose mit verbreiterten und verlängerten Reteleisten, geringer Hyperkeratose und fokaler Parakeratose. Im Gegensatz zu den vulgären Warzen fehlt eine Akzentuierung und Verbreiterung des Str. granulosum. Koilozyten sind diagnostisch wichtig, treten aber häufig so distinkt auf wie bei der Verruca vulgaris. Subepidermal meist schütteres Rundzellinfiltrat.

Differentialdiagnose

Analbereich:

AIN, Analkarzinom: wichtige Differenzialdiagnose; schuppende, weißliche, erythematöse, ekzematöse, papillomatöse, papulöse, pigmentierte oder fissurierte Plaques beschrieben. Induration und Ulzeration können Hinweis auf Invasion sein.

Marisken: häufig; nicht reponierbare, solitäre oder multiple, indolente, sich beim Pressen nicht füllende, schlaffe Hautfalten. Condylomata lata: selten; nässende, breit aufsitzende Papeln und Plaques; übler Foetor, massenhaft Spirochäten im Dunkelfeld nachweisbar chronisches Analekzem unterschiedlicher Ätiologie: wulstige Verdickung und Lichenifikation von Haut- und Halbschleimhaut mit  Erythem und Rhagaden sowie punktförmigen und flächigen Erosionen, strichförmigen Kratzspuren als Ausdruck des meist heftigen Juckreizes.

Penis und Glans penis:

Pseudokondylome = Hirsuties papillaris penis: Ausbildung reihenförmig angeordneter, reaktionsloser papillärer oder filiformer, weißlich-roter Knötchen am proximalen Rand der Glans vor dem Übergang in den Sulcus coronarius; nie Aggregation der Papeln.  PIN: - entspricht meist dem Befund der Erythroplasie - mit meist schmerzlosem, solitärem, sattrotem, scharf begrenztem, samtartig gekörntem, manchmal plattenartigem Herd; nie verrukös. Bowenoide Papeln: Meist multiple, 0,2-0,5 cm große, flache, rotbraune (an Lichen planus erinnernde) unregelmäßig begrenzte Papeln mit meist glatter oder samtartiger, gelegentlich aber auch verruköser, dann meist weißlich tingierter Oberfläche.

Penisschaft

Skabies granulomatosa: selten im Bereich der Glans penis anzutreffen, meist Penisschaft,  dort als solitäre oder gruppierte rote, juckende feste Papeln. Verruca seborrhoica: Meist scharf begrenzte, meist disseminierte, rundliche bis ovale, 0,5 - 1,0 cm große, weiche, erhabene, grau-braune oder auch schwarze, breit auf der Unterfläche aufsitzende Papeln oder Knoten mit zerklüfteter, warziger Oberfläche.

Therapie allgemein

Die Auswahl des Verfahrens (konservativ oder operativ) richtet sich nach Anzahl und Lokalisation, Größe und Morphologie der Läsionen sowie nach den persönlichen Erfahrungswerten des Therapeuten. Da humane Papillomaviren ausschließlich Epithelzellen infizieren, ist die komplette Abtragung der Epithelschicht anzustreben.

Allen operativen Verfahren gemeinsam ist die Notwendigkeit einer adäquaten Anästhesie. Eine Oberflächenanästhesie ist bei ausgedehntem Befall zumeist nicht ausreichend, sodass je nach Befund in Lokal- Leitungs- Spinalanästhesie oder Allgemeinnarkose vorgegangen werden sollte.

Begleiterkrankungen: Ggf. muss die Behandlung eines Grundleidens wie Gonorrhoe, Candidose, Phimose, Syphilis, Oxyuriasis, Immundefekte u.a. berücksichtigt werden.

  • Im Analbereich: Ausschluss von Rektumerkrankungen wie inneren Hämorrhoiden, chronischer Proktitis, Rektalgonorrhoe und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen. Partnerbehandlung bzw. Prophylaxe der Infektion des Partners (Kondome!) sind von entscheidender Bedeutung!
  • Insbesondere bei analen Condylomata acuminata bei homosexuellen Männern sollte immer auch ein Test auf HIV erfolgen.

Externe Therapie

  • Zur Selbstbehandlung für kleine nicht entzündliche Condylome am Penis kann Podophyllotoxin als Creme (Wartec-Creme®) oder Lösung (Condylox-Lsg.®) angewendet werden. Nebenwirkungen können schmerzhafte Erosionen und entzündliche Schwellungen der behandelten Areale sein.
  • Gute Ergebnisse kann man mit Imiquimod (z.B. Aldara ®5%) erzielen: Anwendung 3mal/Woche über 6-10 Stunden (z.B. über Nacht) für insgesamt 12 Wochen. Das Verfahren ist auch zur "Nachbehandlung" von Condylomata acuminata indiziert, z.B. nach chirurgischer Entfernung von Condylomen. Bei perianalen Condylomata hat sich die magistrale Rezeptur von Suppositorien mit 5% Imiquimod bewährt.
  • Applikation von Trichloressigsäure (Konzentration bis zu 85%) mittels eines Wattetupfers 1mal/Woche (durch den Arzt). Nur in kleinsten Mengen einsetzen. Bei überdosiertem Einsatz ist die Neutralisation durch Natriumbicarbonat-Lsg. nötig. Abheilung ohne Narbenbildung. Sichere Anwendung während der Schwangerschaft. Lokale Nebenwirkungen sind Brennen und Schmerzen im Anwendungsgebiet.
  • Alternativ ist der lokal gut verträgliche Wirkstoff Polyphenon ( Epigallocatechingallat) empfehlenswert, ein Catechin-Extrakt (s.u. Gerbstoffe), der aus den Blättern des grünen Tees gewonnen wird (Veregen®). Die Salbe steht als 10% Applikationsform zur Verfügung und wurde in 2 großen Placebo-kontrollierten (>600 Patienten) Studien überprüft. Der Catechin-Extrakt hemmt die überschießende Proliferation der HPV-infizierten Keratinozyten. Die grüntee-Extrakt-Salbe (Veregen®) darf nicht vaginal, zervikal, anal, perianal und intraurethral angewendet werden, da sie dort Ulzerationen hervorrufen kann.

Operative Therapie

Kleine Condylomata:

Allg.: Gezielte operative Methoden bieten bei kleinen Condylomata höhere Erfolgsquoten und weniger Nebenwirkungen.

  • Therapie der ersten Wahl ist die Kürettage mit scharfem Löffel in LA oder unter Vereisung; anschließend Elektrokauterisation mit Kugelkauter. Sorgfältige Inspektion intravaginal und anal, um sämtliche Herde zu erfassen.
  • Alternativ: Elektrokaustik mit herkömmlicher monopolarer Elektrodesikkation. Hierbei sollte auch die Haut um die Kondylome koaguliert werden, da diese Keratinozyten i.d.R. Virusgenom enthalten. Die Tiefenwirkung ist nicht immer abschätzbar.
  • Alternativ: Abtragung mit CO2-, YAG- oder Dioden-Lasersystemen. Vorteil der Laser-Verfahren: Unblutiges Operationsgebiet, weniger postoperative Beschwerden. Nachteil: Größerer Aufwand. Bemerkung: Die Verdampfung der Kondylome ist bei ausgedehnten Befunden intensiv. Hierbei werden möglicherweise infektionsfähige Viruspartikel in die Raumluft abgegeben. Schutzbrillen und Masken sowie eine Rauchabsaugung sind obligat!

Große Condylomata:

  • Bei Vorliegen weniger, umschriebener Kondylome ist Abtragung mit einer Diathermieschlinge in LA günstig. Ansonsten Kürettage und anschließende Elektrokoagulation mit Kugelsonde (ggf. schichtweise abtragen).
  • Alternativ: Ablative Laserverfahren (s.o.).
  • Alternativ: S.o.

Ausgedehnte Condylomata:

  • Bei disseminierten Condylomata acuminata im Genitalbereich und intraanal ist Elektrokauterisation, Kürettage und schichtweise Abtragung in Vollnarkose indiziert.
  • Zirkumzision bei Befall des Penis, reduziert die Rezidivrate.

Rezidivierende Condylomata:

  • Behandlungsschemata s.o.
  • Zirkumzision bei Mitbefall des Penis.
  • Alternativ: Nach OP adjuvante Interferon -Therapie (3 Mio.IE Interferon alpha s.c. 3mal/Woche über mind. 16 Wochen).
  • Alternativ Imiquimod (z.B. Aldara) 3mal/Woche für 3 Monate gfls. in Kombination mit einer ablativen Co2 - Lasertherapie.
  • Experimentell: Monotherapie mit 2-maliger " Photodynamischer Therapie".

 

Condylomata in Schwangerschaft:

 Condylomata, die sich in der  Schwangerschaft manifestieren, können eine Erstinfektion darstellen, oder sie sind aus einer Reaktivierung einer subklinischen       HPV-Infektion entstanden.

 Das Risiko der Übertragung ist  gering, aber möglich. Befürchtet wird insbesondere die perinatale Infektion des Kehlkopfes mit HPV 6 oder HPV 11, wodurch juvenile Larynxpapillome entstehen können.

Zur Behandlung können lokal Trichloressigsäure und operative Verfahren bzw. der CO2-Laser verwendet werden.

Eine Kaiseschnitt ist nur bei Verlegung des Geburtskanals durch Condylome indiziert.

 

Verlauf/Prognose

Praktisch nie Spontanheilung; bei langem Bestand maligne Entartung möglich.

Prophylaxe

In einer Multicenterstudie konnte durch eine quadrivalente HPV-Vakzine bei jungen Frauen im Alter von 16-23 Jahren erstmals ein deutlicher Rückgang HPV 6, 11, 16 und 18 induzierter Infektionen erzielt werden. Inzwischen hat sich gezeigt, dass der neunvalente Impfstoff (Gardasil®9) auch gegen Condylomata acuminata schützt. Diese werden bis zu 90% von den HPV-Typen 6 und 11 verursacht werden.

Derzeit übernehmen in Deutschland gesetzliche Krankenkassen die Kosten für die Impfungen von jungen Frauen und Männern im Alter von 9-15 Jahren. Bei Versäumnis kann und soll die Impfung bis zur Vollendung des 17. Lebensjahrs nachgeholt werden.

Gegenwärtig wird eine therapeutische HPV-Impfung für (rezidivierende) Kondylome beim Mann nicht empfohlen, jedoch sind alle verfügbaren HPV-Impfstoffe ohne Alters­begrenzung ab einem Alter von 9 Jahren zugelassen. Die Kosten für Impfungen erwachsener Männer nach Abschluss des 18. Lebensjahrs ist mit den Krankenkassen vorher zu klären. Ob eine Auffrischimpfung im Verlauf notwendig ist, kann derzeit noch nicht sicher beantwortet werden. Erste Untersuchungen von Frauen zeigen allerdings 12 Jahre nach der letzten Impfung keine Abnahme des HPV-Schutzes.

Naturheilkunde

Begleitende immunstimulierende Therapie mit Ecchinacea-, Uncaria tomentosa, Papaya-Produkten (z.B. das Carotinoid Lycopen) wird als hilfreich angesehen.

Nachsorge

Regelmäßige u.U. langjährige Nachkontrollen wegen der bekannten hohen Rezidivgefahr (die Patienten sind auf die hohe Rezidivquote hinzuweisen!).

Hinweis(e)

HP-Viren sind zu über 95% an der Pathogenese des Zervixkarzinoms beteiligt.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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Zuletzt aktualisiert am: 07.03.2024