Chilblain-Lupus L93.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 19.03.2023

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Synonym(e)

Chilblain Lupus; Chilblain-Lupus-erythematodes; Chilblain lupus erythematosus; Chilblain Lupus erythemtaodes; Frostbeulen-Lupus

Erstbeschreiber

Hutchinson, 1888

Definition

Seltene, erworbene Variante des kutanen Lupus erythematodes mit an Pernionen erinnernden, akral lokalisierten, kälteinduzierten, druckdolenten Plaques. Die klinische und histologische Abgrenzung zu echten Frostbeulen ist nicht immer einfach, wobei bei Frostbeulen ein direkter zeitlicher Bezug zu einer Kälteexposition besteht, der beim Chilblain-Lupus nicht immer nachweisbar ist.  

Vorkommen/Epidemiologie

Selten (Bemerkung: der Chilblain-Lupus wird häufig nicht diagnostiziert, insofern dürften die epidemiologischen Angaben korrekturbedürftig sein); angeblich sind seit der Erstbeschreibung < 100 Fälle beschrieben worden.

Ätiopathogenese

Bisher ungeklärt.

Diskutiert wird eine Verbindung von mikrovaskulärer Stase durch kältebedingte Kapillarschädigung und Hyperviskosität, hervorgerufen durch immunologische Phänomene. In diesem Zusammenhang ist das Auftreten von Chiblain-Lupus-artigen Veränderungen bei COVID-19-Infektionen wie auch nach COVID-Vakzinierungen bemerkenswert. 

Verbindungen zur Anorexia nervosa wurden beschrieben.

Weiterhin diskutiert werden autosomal-dominant vererbte Mutationen im TREX1 Gen, einem Gen, das eine intrazelluläre DNase kodiert (s.u. Nukleasen), die ihrerseits eine bedeutende Rolle bei der Apoptose spielt. TREX1  ist mit dem familiären Chilblain-Lupus assoziiert. 

Manifestation

Fast ausschließlich bei Frauen auftretend, v.a. in der kalten Jahreszeit und in kühleren Breitengraden. Vor, mit und nach anderen kutanen Manifestationsformen eines kutanen oder systemischen Lupus erythematodes

Ein Pseudo-Chilblain wird im Rahmen der COVID-19-Infektion beobachtet (COVID-Zehen) und ist im Allgemeinen mit einem leichten Verlauf der Infektion verbunden. Chiblain-artige Rekationen können auch nach COVID-Vakzinierung auftreten.

Lokalisation

Vor allem dorsale und marginale Hand- und Fußbereiche, Nase, Ohren.

Klinisches Bild

Im frühen Stadium flächenhafte, tief-rote, im Winter oder den Übergangsjahreszeiten auch blaue, an Frostbeulen (Chilblain = Frostbeule) erinnernde, druckdolente Schwellungen, Plaques und Knoten.

Im Verlauf von Jahren rötlich-livide, unscharf begrenzte, deutlich indurierte, hyperkeratotische Plaques, entweder oberflächenglatt oder groblamellär schuppig. Evtl. Hyperästhesie, zentrale Atrophie, auch Erosionen oder Rhagaden (über den dorsalen Partien der Fingergelenke) oder auch flächige Ulzera. Typisch ist ein saisonaler Verlauf mit deutlicher Akzentuierung der Hauterscheinungen in der kalten Jahreszeit und ebenso deutlicher (meist jedoch nicht kompletter) Remission in den Sommermonaten.

2006 wurde erstmals eine familiäre Form des Chilblain-Lupus beschrieben, der am häufigsten auf einer Mutaion des TREX1-Gens beruht (s.dort).     

Labor

Hypergammaglobulinämie. ANA: häufig positiv; Antiphospholipid-Ak, anti SSA/Ro variabel pos. ds-DNA: neg.; beschleunigte BSG. Variabel: Erniedrigung von C3 und C4.

Histologie

Zeichen des kutanen Lupus erythematodes: Epidermis mit lokalisationstypischer Orthohyperkeratose und geringgradiger oder auch deutlicher Atrophie des Oberflächenepithels. In der gesamten dargestellten Dermis dichte, perivaskuläre lymphozelluläre Infiltrate. Dazwischen zahlreiche ektatische, dünnwandige Blutgefäße. In der Junktionszone diskrete vakuoläre Basalzelldegeneration. In der Muzinfärbung dermale Muzinablagerungen nachweisbar.

Direkte Immunfluoreszenz

Im Idealfall Lupus-typische granuläre C3- IgG - und IgM-Ablagerungen an der dermo-epidermalen Junktionszone (Lupusband) und an den papillären Kapillaren.

Diagnose

  • Hauptkriterien:
    • Akrale "Frostbeulen-artige" Plaques
    • Feingeweblich: Histologisch und immunhistologisch Zeichen des LE
  • Nebenkriterien
  • Bemerkung: Diagnose gesichert bei 2 Hauptkriterien und 1 Nebenkriterium

Differentialdiagnose

Frostbeulen (s.u. Pernio): wichtigste Differenzialdiagnose, nicht immer sicher differenzierbar da klinisch sehr ähnlich, außerdem identisches Kollektiv und identische Lokalisationen.

Merke! Bei Perniones bestehen keine Hinweise auf Lupus erythematodes.

Sarkoidose (Lupus pernio): v.a. im Gesicht (Nase) lokalisiert; für Chilblain-Lupus eher untypische Lokalisation. Histologie mit epitheloidzelligen Granulomen ist beweisend.

Thrombose, seltener Kryoglobulinämie, Makroglobulinämie oder Vaskulitis.

Komplikation(en)

Cave! Wegen der Gefahr einer Transformation in einen SLE bedürfen die Patienten regelmäßiger klinischer Kontrollen.

Therapie

Konsequenter Kälteschutz (s.a. Sklerodermie, systemische).

Lokalbehandlung mit mittelstarken Glukokortikoid-Salben 0,25% Prednicarbat-Salbe (z.B. Dermatop), 0,1% Mometason-Salbe (z.B. Ecural Salbe), ggf. unter Okklusion.

Von einer systemischen immunsuppressiven Therapie sollte Abstand genommen werden, es sei denn Zeichen des systemischen Lupus erythematodes treten hinzu, dann dementsprechende Behandlungsmodalitäten.

Bei der ausschließlich kutanen Ausprägung gilt die Therapie mit Chloroquin über mehrere Monate als etabliert (Dosierung entsprechend dem systemischen Lupus erythematodes).

Diskutiert werden invasive Behandlungsansätze wie die chemische lumbale Sympathektomie.

Verlauf/Prognose

Neigung zum chronischen Verlauf. Bei Assoziation mit SLE tritt Chilblain Lupus entweder vor, mit oder nach anderen Manifestationsformen des LE auf.

Naturheilkunde

Gefäßtraining (Wechselbäder).

Fallbericht(e)

Fall 1) Eine 34 -Jahre alte Patientin berichtete über seit etwa 1 Jahrzent bestehende, im Winter akzentuierte, in den Sommermonaten deutlich gebesserte (aber nicht abgeheilte) livide-rote Plaques an den Fingern beider Hände. Seit kurzem auch leicht schmerzhafte Knoten an den Knien. Weiterhin renale Hypertonie und exzessiver Zigarettenkonsum (20 Zigaretten pro Tag). Befund: An beiden Händen, hier an den Fingerrücken der Finger 2-4 livide druckdolente Schwellungen, Plaques und Knoten. Vereinzelt auch hyperkeratotische Knoten mit zentraler Atrophie. Histologie: In der gesamten dargestellten Dermis dichte, perivaskuläre lymphozelluläre Infiltrate. Dazwischen zahlreiche ektatische, dünnwandige Blutgefäße. In der Junktionszone diskrete vakuoläre Basalzelldegeneration. In der Muzinfärbung dermale Muzinablagerungen nachweisbar. Hypergammaglobulinämie. ANA: positiv; anti SSA/Ro neg. ds-DNA: neg.; BSG 20/40mm; . Therapie: Lokalbehandlung mit mittelstarken Glukokortikoid-Salben zeitweise unter Okklusion. Chloroquin (Dosierung s.u. Antimalariamittel).

Fall 2)

Eine 60 jährige, ansonsten gesunde Patienten schilderte, dass sie seit 10 Jahren in der kalten Jahreszeit geschwollene, aufplatzende Finger bemerkt habe. Seit 2-3 Jahren seien ähnliche Veränderungen an Füßen und der Nase aufgetreten. Eine deutliche Verschlechterung der Symptome bemerkte sie im Winter. Im Sommer käme es zu einer nahezu kompletten Remission. Eine deutliche Besserung der Symptome habe sie auch auf einer längeren Urlaubsreise nach Südafrika bemerkt. Bei Rückkehr ins kalte Deutschland sei die Problematik jedoch innerhalb weniger Wochen wieder aufgetreten. Sie behandele mit einem lokalen Kortisonpräparat unter dem stets eine kurzfristige Besserung einträte. Eine interne Behandlung sei bisher noch nicht erfolgt. Befund: Großflächige rote und geschwollene, bei Kälte auch blaue, schmerzende Finger und Handrücken, dorsal verstärkt; über den Handrücken auch streifige Rötungen. Über den Streckseiten einzelner Fingergelenke grobe Schuppungen mit Rhagaden. Nase und Wangen (schmetterlingsartig) gerötet und leicht geschwollen durchsetzt mit Teleangiektasien (dies wird nebenbefundlich als Rosacea erythematosa (!) gewertet). Histologie: Kräftiges Ödem der oberen und mittleren Dermis, auffällig weitgestellte Blutgefäße. Oberflächliche und tiefe, knotige, perivaskuläre rein lymphozytäre Infiltrate. Fokale Epitheliotropie (auch im Adnex Bereich). Stellenweise Merkmale der Interface-Dermatitis. Epidermis orthokeratotisch verhornend. Labor: BSG 20/50mm; positiver Rheumafaktor, ANA:1-320 positiv; anti-Ro+; keine DNA-Ak. Gammaglobuline leicht erhöht. Therapie: Die Patientin erhielt zunächst Nifedipin p.o. ohne wesentlichen Erfolg. Anschließend Übergang auf Chloroquin (Dosierung s.u. Antimalariamittel). Lokaltherapie: Strikter Kälteschutz, bei Bedarf lokale Kortikosteroide.

 

Literatur
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  3. Günther C (2015) Genetik des Lupus erythematodes. Hautarzt 66:121-130 
  4. Halermann C et al. (2011) Schmerzhafte livide Plaques an den Akren in Kälte. JDDG 9: 331-332
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  6. Hutchinson J (1
  7. 888) Harveian lectures on lupus. The varieties of common lupus. Br Med J 58: 113-118
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