Buruli-Ulkus A31.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Anna Juhnke

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Zuletzt aktualisiert am: 16.10.2023

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Synonym(e)

Buruli-Ulkus; Mycobacterium ulcerans; Ulcus tropicum

Erstbeschreiber

Cook 1897; Kleinschmidt  1935; McCallum  1948

Definition

Häufige, tropische Infektionskrankheit hervorgerufen durch Mycobacterium ulcerans einem "nichttuberkulösem Mykobakterium" (NTM). 

Erreger

Mycobacterium ulcerans ein nichttuberkulöses Mycobacterium (NTM), das als einziges Mykobakterium obligat pathogen ist. Es wächst in vitro bei 30-35 °C. Die Infektion belibt auf die (kühle) Haut begrenzt (wahrscheinlich wegen des begrenzten Temperaturoptimums). Einzigartig unter Mykobakterien ist die Produktion von Exotoxinen (Mykolaktone) mit immunsuppressiver und nekrotisierender Wirkung (dies erklärt u.a. den hartnäckigen und destruktiven  Verlauf der Infektion). 

Einteilung

Die Krankheit wird von der WHO je nach Schweregrad in drei Kategorien eingeteilt:

  • Kategorie I, wenn der Patient eine kleine Läsion mit einer Größe von < 5 cm hat,
  • Kategorie II, wenn der Patient nicht-ulzerative oder ulzerative Plaques, Ödeme oder eine große Läsion mit einem maximalen Durchmesser zwischen 5 und 15 cm aufweist
  • Kategorie III, wenn er disseminierte oder gemischte Formen, multiple Läsionen oder eine große Läsion mit einem Durchmesser von > 15 cm aufweist (WHO 2017).

Vorkommen/Epidemiologie

Seit 1980 hat die Entdeckungsrate der Krankheit stark zugenommen. Nach der Tuberkulose und Lepra ist das Buruli-Ulkus die dritthäufigste mykobakterielle Erkrankung bei Immunkompetenten (Manry J 2020). Die Krankheit tritt häufig in abgelegenen Gebieten auf, in denen die Bevölkerung nur begrenzten Zugang zur medizinischen Versorgung hat.Buruli wurde weltweit in 30 tropischen Ländern, darunter Australien, gemeldet oder vermutet, wobei Westafrika die am stärksten betroffene Region ist. Auch in nicht-tropischen Gebieten wurden Fälle gemeldet. Die Zahl der gemeldeten Fälle in einigen westafrikanischen Ländern ist beträchtlich: 5700 zwischen 1989 und 2003 in Benin, mit einer Buruli-Erkennungsrate von 21-5 pro 100 000 im Jahr 1999 in der Region Zou;717 000 zwischen 1978 und 2003 in Côte d'Ivoire, wo die Prävalenz in einigen Dörfern 16% erreicht;8 in Ghana wurden bei einer nationalen Erhebung im Jahr 1999 5619 Fälle festgestellt (insgesamt eine hohe nationale Prävalenz von 20-7 pro 100 000, aber 158-8 pro 100 000 in den am stärksten betroffenen Distrikten) (Sizaire V et al. 2006).

Hohe Inzidenz und Prävalenz (bis zu 16% der Bevölkerung) in Endemiegebieten.

Betroffene Regionen: West- und Zentralafrika, Australien, Papua-Neuguinea, Malaysia, Sri Lanka und Südamerika.

Ätiopathogenese

Infektion durch M. ulcerans.

Der Übertragungsweg ist unklar, diskutiert werden kontaminierte Erde, kontaminiertes Wasser, Pflanzen, Insekten (z.B. Schwimmwanzen), Aerosole oder menschliche Kontakte (wird von manchen Autoren bestritten).

Offenbar ist der haupsächlichste Risikofaktor der Kontakt zu langsam fließenden Gewässern.

Offenbar gelangen die Erreger durch Mikroverletzungen in den Wirt. Bei einer Endemie in Australien wurden Mücken als Vektoren nachgewiesen (Johnson PD et al. 2007). Weiterhin gelang in Australien der Nachweis von M. ulcerans in klinisch gesunden Koalas und Oppossums. 

HIV-Infektionen sind nicht als Risikofaktor für das Buruli-Ulkus bekannt; jedoch wurden schwere klinische Formen der Krankheit bei HIV-positiven Patienten beschrieben.

Manifestation

Alle Altersgruppen können betroffen sein. In größeren Studien werden ein Durchschnittsalter von 14,2 Jahren angegeben (Abdoulaye S et al. 2014). Meist jedoch sind Kinder im Alter von weniger als 15 Jahren betroffen.

 

Lokalisation

Bein oder Stamm, seltener Gesicht (s.Abb. mit Infektion der Orhmuschel, Fall aus Australien). 

Klinisches Bild

Inkubationszeit: 2 bis 14 Wochen.

Die Infektion beginnt in der Regel als schmerzloses subkutanes Knötchen meist an den Streckseiten der unteren Extremität. Andere präulzerative Formen sind kutane Papeln (häufiger in Australien als in anderen Teilen der Welt beobachtet), Plaques (große, schmerzlose und nur leicht erhabene Läsionen) und entzündliche Schwellungen (kündigen häufig schwer verlaufende schwere Formen der Krankheit an). Im Allgemeine jeodch zeigen die Patienten zeigen keine wesentlichen, systemischen Infektionszeichen!

Nach Wochen bis Monaten kommt es zur Ulkusbildung mit progredientem Größenwachstum. Unbehandelt können Ulzera  bis zu 15% der Körperoberfläche bedecken. Typisch sind tief unterminierte Ulkusränder. Großflächige Ulzerationen die u.U. eine ganze Extremität erfassen können sind möglich. Einige Patienten entwickeln Knochen- (Osteomyelitis) und Gelenkläsionen durch eine angrenzende oder hämatogene Ausbreitung von M. ulcerans. Es kann auch zu Spontanremissionen mit Narbenbildung und entsprechenden Funktionsverlusten kommen.

 
Verschiedene Faktoren können das klinische Erscheinungsbild der Krankheit beeinflussen, z.B. der Ort der Infektion, die Grösse des Inokulums, die Art des Überträgers, die Vorgeschichte eines Traumas und auch die Immunantwort des Wirtes. Bei einem Ausbruch von BU in einer kleinen Küstenstadt im Südosten Australiens konnte der Erreger in Mücken (überwiegend Aedes camptorhynchus) nachgewiesen werden (Johnson PD et al. 2007).

Bemerkung: M. ulcerans produziert ein Toxin, Mycolacton, das durch seine zytotoxischen und immunsuppressiven Eigenschaften Nekrosen und Ulzerationen hervorruft.

Histologie

Granulomatöse Dermatitis mit Langhans-Riesenzellen. Akanthose, Hyperkeratose.

Diagnose

Typische Klinik mit exorbitant großen Ulzera.
Für die Buruli-Ulcer-Diagnose stehen folgende Methoden zur Verfügung:  

Direkte Abstrichuntersuchung mit Ziehl-Neelsen-Färbung zum Nachweis von säurefesten Bazillen in einem Abstrich aus einem Tupfer oder einer Biopsie.

Kultur auf Löwenstein-Jensen-Medium bei 32 ºC (diese Methode ist jedoch schwierig, teuer, hat eine niedrige Sensitivität).

Molekularbiologischer Nachweis mittels PCR.

Differentialdiagnose

Die Differentialdiagnose umfasst pyogenen Abszess bei Knötchen, Erysipel bei Plaques. In endemischen Gebieten sollte jede verdächtige Läsion bis zum Beweis des Gegenteils als M. ulcerans-Infektion behandelt werden.

Therapie

Früherkennung ist wichtig!

Die Chirurgie bleibt die Behandlung der Wahl. Obwohl sie in den frühen Stadien der Krankheit einfach und wirksam ist, erfordert die Behandlung bei fortgeschrittenen Formen der Krankheit ausgedehnte Exzisionen und lange Krankenhausaufenthalte.

Derzeit hat sich keine antibiotische Behandlung für alle Formen der M. ulcerans-Infektion als wirksam erwiesen. Eine Resistenzbestimmung der Erreger ist aufgrund des eingeschränkten Wachstums nicht möglich.

Bei tiefergehenden Haut- und Weichteilinfektionen ist das chirurgische Vorgehen (Debridement) indiziert, allerdings nur in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung (Clarithromycin und RMP oder RMP und Streptomycin jeweils über 8 Wochen werden empfohlen) (Griffith DE et al. 2007).

Außerdem wird die Thermotherapie zur Lokalbehandlung als weiterer neuer Therapieansatz beschrieben.

Bei einigen BU-Patienten kann nach der antibiotischen Behandlung von M. ulcerans eine sogenannte paradoxe Reaktion auftreten. PRs sind durch intensive Entzündungen in den Läsionen und eine Verschlechterung des klinischen Zustands nach anfänglicher Verbesserung gekennzeichnet (Dallmann-Sauer M et al. 2018). 
WHO Empfehlung: Rifampicin in Kombination mit Streptomycin (Clarithromycin) + notwendige chirurgische Maßnahmen.

Experimentell ist die Hyperthermie als Verfahren belegt.

Postoperativ Physiotherapie, um Funktionseinbußen oder Kontrakturen vorzubeugen.

Verlauf/Prognose

Entwicklung größerer Nekrosen möglich; mutilierende Kontrakturen, ggf. metastatische Knochenläsionen; karzinomatöse Entartung möglich.

Obwohl die Krankheit eine niedrige Sterblichkeitsrate aufweist, hat sie enorme sozioökonomische Auswirkungen auf die betroffenen Bevölkerungsgruppen und ist ein Problem für die öffentliche Gesundheit in Bezug auf Morbidität, Behandlung und funktionelle Behinderungen.

Hinweis(e)

Buruli ist ein Distrikt in Uganda. In den Tropen werden Erkrankte oft ausgegrenzt, weshalb die Erkrankung lange Zeit unter entsprechend langer Bekleidung versteckt und dadurch erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird.

Die Krankheit wurde von vielen nationalen Gesundheitsprogrammen weitgehend ignoriert. Erst in jüngster Zeit wurde sie als ein neu auftretendes Gesundheitsproblem erkannt, vor allem wegen ihrer häufigen behindernden und stigmatisierenden Komplikationen.

Literatur
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  1. Abdoulaye S et al. (2014) Mycobacterium ulcerans Disease with Unusual Sites Not to Be Ignored. Dermatol Res Pract 2014:639374.
  2. Addy JH (1995) The problem of Buruli-Ulcer in Ghana. Ghana Med J 29: 587-588
  3. Cook A (1970) Mengo Hospital notes 1897, Makerere Medical School Library. Br Med J 2: 378-379
  4. Dallmann-Sauer M et al. (2018) Human genetics of mycobacterial disease. Mamm Genome 29:523-538.
  5. Griffith DE et al. (2007) Am J Respir Crit Care Med 175: 367-416.
  6. Johnson PD et al. (2007) Mycobacterium ulcerans in mosquitoes captured during outbreak of Buruli ulcer, southeastern Australia. Emerg Infect Dis 13:1653-1660.
  7. Kaloga M et al. (2015) Squamous cell carcinoma secondary to Buruli ulcer in West Africa. Ann Dermatol Venereol doi: 10.1016/j.annder.2015.10.577
  8. McCallum et al. (1948) A new mycobacterial infection in man. J Bacteriol 60: 93-122
  9. Manry J (2020) Human genetics of Buruli ulcer. Hum Genet 139:847-853.
  10. Peters F et al. (2016) Keim oder kein Keim: Herausforderungen bei der Diagnose mykobakterieller Infektionen der Haut.  J Dtsch Dermatol Ges 14:1227-1236
  11. Pszolla N et al. (2003) Buruli ulcer: a systemic disease. Clin Infect Dis 37: e78-82
  12. Simpson H et al.(2019) Mapping the global distribution of Buruli ulcer: a systematic review with evidence consensus. Lancet Glob Health 7:e912-e922.
  13. Sizaire V et al. (2006) Mycobacterium ulcerans infection: control, diagnosis, and treatment. Lancet Infect Dis 6:288-296.
  14. Tabah EN et al. (2016)  Buruli Ulcer in Cameroon: The Development and Impact of the National Control Programme. PLoS Negl Trop Dis 10: e0004224
  15. Thomssen J (2002) Das Buruli-Ulkus. Eine mykobakterielle Hauterkrankung. Hautarzt 53: 334-337
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  17. van der Werft TS et al. (1999) Mycobacterium ulcerans infection. Lancet 354: 1013-1015
  18. WHO (2017c) Buruli ulcer (Mycobacterium ulcerans infection) – Fact sheet No 199. http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs199/en/. Accessed 15 Feb 2018

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