Berufskrankheit der Haut nach BK 5101 L25.9

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 31.03.2021

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Synonym(e)

Berufliche Hauterkrankung; Berufsdermatose; Berufskrankheit 5101; Berufskrankheit der Haut; BK 5101; BK-5101; BK Nr.5101

Definition

Berufsbedingte Hauterkrankung, die alle Voraussetzungen einer der folgenden Nummern erfüllt. Nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung sind von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherungen (= Berufsgenossenschaften) als Berufskrankheit zu entschädigen: "Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Dies bedeutet:

  1. Der ursächliche berufliche Zusammenhang muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sein, die bloße Möglichkeit oder der begründete Verdacht reichen nicht aus. Eine besonderen Situation ist für bei den anlagebedingten Hautekrankungen gegeben (s. z.B. unter Psoriasis palmaris et plantaris, berufsdermatologische Aspekte)
  2. Die Erkrankung muss schwer (klinisches Bild, Verlauf, Dauer > 6 Monate) oder (!) wiederholt rückfällig (mindestens drei gleichartige Krankheitsschübe) sein.
  3. Es muss der objektive Zwang zur Aufgabe der o.g. Tätigkeiten bestanden haben.
  • Definition der "Schwere einer Hauterkrankung":
    • Klinisches Bild und Symptome: Bläschenschübe, ErosionenExkoriationenImpetiginisationRhagaden, Infiltrationen, Schwellungen, Pruritus, Schmerzen, Bewegungseinschränkungen.
    • Ausdehnung und Befallslokalisationen: Über das Kontaktareal hinausgehende Streuphänomene, großflächiger oder generalisierter Befall.
    • Verlauf: Therapieresistenz, schlechte Heilungstendenz, teilstationäre oder stationäre Behandlung, Systembehandlungen mit Glukokortikoiden oder Antibiotika.
    • Dauer: Längerfristige Behandlungsbedürftigkeit, z.B. länger als sechs Monate, bei gering ausgeprägten Hauterscheinungen.
    • Allergie: Die klinische Auswirkung einer berufsspezifischen Sensibilisierung zeigt eine hohe Rückfallneigung mit absehbarer Verschlimmerung der Erkrankung, Meiden des auslösenden Allergens nicht möglich. Das Allergen muss zur Ausprägung des klinischen Äquivalentes eines allergischen Kontaktekzems geführt haben und darf nicht durch technisch-organisatorische Maßnahmen, z.B. Austausch, oder individuelle Präventivmaßnahmen (Schutzhandschuhe, Schutzkleidung) vermeidbar sein.
  • Definition "Wiederholte Rückfälligkeit":
    • Mindestens drei Krankheitsschübe, z.B. Ersterkrankung und anschließend zwei Rückfälle. Rückfall setzt eine weitgehende Besserung oder Abheilung des vorausgegangenen Krankheitsschubes voraus. Zwischen den Krankheitsschüben darf der Versicherte weder behandlungsbedürftig noch arbeitsunfähig sein, da sonst kein Rückfall, sondern lediglich eine Verschlimmerung bzw. ein intermittierender Verlauf vorliegt.
  • Definition "Objektiver Zwang zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit":
    • Eine Anerkennung setzt die objektivierbare medizinische Notwendigkeit der Aufgabe voraus. Eine Kündigung wegen der Hauterkrankung ist als Anerkennungskriterium nicht ausreichend. Für das Tatbestandsmerkmal der "Aufgabe aller Tätigkeiten" ist entscheidend, dass die aufgegebenen Tätigkeiten Ursache für die Entstehung der Erkrankung oder deren Verschlimmerung waren. Eine Ausnahme ist nach einem Urteil des BSG jedoch dann gegeben (B2U5/03 R vom 9.12.03), wenn zwar neue Arbeitsschutzmaßnahmen (z.B. durch Austausch eines Allergens) ein Verbleiben am Arbeitsplatz jetzt ermöglichen, aber schon vor deren Wirksamwerden eine MdE von wenigstens 10% vorgelegen hat.
  • Für die Anwendung in der gutachterlichen Praxis hat sich eine fallbezogene Wertung wie folgt bewährt (nach Wehrmann):
    • War die schädigende Noxe nicht hinreichend vermeidbar?
    • Waren zumutbare und geeignete individualpräventive Maßnahmen ausgeschöpft?
    • Waren die ärztlichen Behandlungsmaßnahmen ohne richtunggebende Besserung geblieben?
    • Können diese drei Bewertungsfragen mit "Ja" beantwortet werden, ist in aller Regel vom Vorliegen eines Aufgabezwanges der beruflichen Tätigkeit auszugehen.
  • Die Gefährdung kann gegeben sein durch:
    • Einwirkung chemischer Substanzen: Z.B. Chromate, Alkalien, Lösemittel (Terpentin, Lackverdünner), technische Fette und Öle (Bohröle, s.u. Akne, Berufs-Akne), Kunststoffe, Farbstoffe.
    • Physikalische Faktoren: Z.B. Mikrotraumen durch Metall- oder Glasteilchen, Glaswolle, Asbest, Schnitthaare, aktinische und evtl. thermische Reize (Hitze, Kälte).
    • Hautpathogene Keime und u.U. pflanzliche Stoffe.
    • Komplizierende Schleimhautreaktionen (s. Fallbericht)
    • Nach Nr. 1108 sind Hautkrebsveränderungen durch Arsen oder seine Verbindungen zu berücksichtigen  
    • Nach Nr. 5102 derselben Verordnung sind des Weiteren "Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pix oder ähnliche Stoffe" zu berücksichtigen.
    • Nr. 5103: Mit der Novellierung der Berufskrankheitenverordnung wurde zum 1.1.2015 die BK 5103 "Plattenepithelkarzinome oder mulitple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung" in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. 
  • Weitere, für die dermatologische Begutachtung relevante Krankheiten werden durch folgende Nummern repräsentiert:

Ärztliche Gutachten haben in diesem Rahmen die MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) festzustellen, s.u. Berufsdermatosen und Arbeitsunfall.

Hinweis: seit dem 1. Januar 2021 wird der "Zwang zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit" für die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht mehr gefordert. Es bleibt aber vorrangiges Ziel, der Verschlimmerung oder einem Wiederaufleben der Erkrankung entgegenzuwirken. Hierfür konzipieren die Unfallversicherungsträger verschiedene Angebote von Maßnahmen der Individualprävention.  

Hinweis(e)

Fallbericht(e)

Die BK Nr. 5101 findet mehrheitlich für irritative, atopische oder kontaktallergische (Hand) Ekzeme Anwendung. Sie umfasst jedoch auch Erkrankungen im Bereich der an das Hautorgan angrenzenden Schleimhäute; beispielhaft wäre ein orales Allergiesyndrom (OAS) gegen versch. Fischallergene bei einem Koch. Bezüglich eines OAS gegen nicht meidbare Berufsallergene stehen keine adäquaten Abhilfemaßnahmen im Rahmen des § 3 BKV zur Verfügung. Somit besteht ein objektiver Unterlassungszwang der schädigenden Tätigkeit, da gemäß der geltenden BK-Verordnung für den Ausbildungsberuf Koch/Köchin das Zubereiten und Abschmecken von Fischgerichten eine conditio sine qua non ist.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bergner T, Dippel H, Przybilla B (1992) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in der dermatologischen Begutachtung. Hautarzt 43: 258-263
  2. Landeck L (2011) Orales Allergie-Syndrom und Konsequenzen für die Ausbildung zum Koch. Abstract-CD 46. DDG-Tagung: P05/02
  3. Schwanitz HJ et al. (1998) Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der BG für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege AWMF-Leitlinien-Register Nr. 013/025
  4. Seebacher C et al. (2057) Tinea der freien Haut. J Dtsch Dermatol Ges 11: 921-926
  5. Wehrmann W (2003) Schwere Hauterkrankung im medizinischen Sinne. In: Schwanitz HJ, Wehrmann W, Brandenburg S, John SM (Hrsg) Gutachten Dermatologie Steinkopf Verlag Darmstadt S. 73-81

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