Aufklärung, ärztliche

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 15.05.2014

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Allgemeine Information

Grundsätze ärztlicher Aufklärungspflicht.
  • Formfreiheit:
    Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine bestimmten Formen, an die das Aufklärungsgespräch gebunden sein muss. Die Unterschrift des Patienten auf einem Aufklärungsbogen ist nur zusammen mit einem vom Patienten verstandenen Aufklärungsgespräch als Einwilligung gültig. Am besten wird dem Patienten erst der Bogen zum Durchlesen ausgehändigt, er stellt danach gegebenenfalls Fragen, bevor er anschließend unterschreibt.
  • Verständlichkeit:
    Der Arzt muss als der "Wissende" die Gesprächsführung dem geistigen und intellektuellen Niveau der Patienten angepasst wählen. Unverständliche Fremdwörter sollten, rein juristisch gesehen, vermieden oder erklärt werden. Bei Ausländern, die der deutschen Sprache nicht oder nur eingeschränkt mächtig sind, muss der entsprechende Aufklärungsbogen übersetzt werden bzw. ein Dolmetscher hinzugezogen werden, wenn es um schwer wiegende Eingriffe geht, die Tod, Erblindung, Lähmung, Organverlust oder erhebliche Einbußen der Lebensqualität mit sich bringen können. In den übrigen Fällen ist die Übersetzung durch Angehörige möglich, allerdings besteht das Risiko, dass dem Patienten etwas nicht exakt genug exemplifiziert wird und dessen Einverständnis daher juristisch unwirksam ist.
  • Aufklärungszeitpunkt:
    Der Patient muss genügend Zeit haben, um nach dem Aufklärungsgespräch seine Entscheidung in Ruhe abwägen zu können; zur Entscheidungsfindung gehört ggf. auch das Gespräch mit Angehörigen oder einem anderen Arzt. Das Aufklärungsgespräch darf in keinem Fall kurz vor dem Eingriff erfolgen, auch nicht bei ambulanten operativen Maßnahmen.
  • Aufklärung bei nicht zugänglichen Patienten:
    Bei bewusstlosen bzw. künstlich beatmeten Patienten auf der Intensivstation, aber auch bei schwer geschockten und damit einem Aufklärungsgespräch nicht zugänglichen Patienten, kann der behandelnde Arzt von einem "mutmaßlichen" Einverständnis ausgehen, dass der Patient mit allen sein Leben rettenden Maßnahmen einverstanden ist. Es empfiehlt sich, u.U. einen Fachkollegen beizuziehen, der über den Zustand des Patienten eine Notiz in den Krankenunterlagen anfertigt.
  • Achtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten:
    Der Arzt muss dem Patienten echte, tatsächlich vorhandene Therapie- und Diagnostikalternativen verständlich aufzeigen und beschreiben. Er darf den Patienten nicht einseitig hinsichtlich einer Methode beeinflussen, so dass dem Patienten keine echte Wahlmöglichkeit mehr bleibt.
  • Umfang der Aufklärung:
    Der Patient muss nur in groben Zügen wissen, was mit ihm geschehen soll. Der Arzt sollte daher die Art, den gewöhnlichen Verlauf und die damit vebundenen Folgen bzw. Risiken, aber auch die zu erwartenden Vorteile mit seinem Patienten besprechen.
  • Umfang nach Dringlichkeit:
    Je dringlicher der Eingriff ist, desto mehr tritt die Aufklärungspflicht in den Hintergrund, z.B. bei Lebensgefahr. Bei Eingriffen, die nicht akut notwendig sind, erfolgt eine ausführliche Aufklärung.
  • Abstufung nach dem Zweck:
    Bei diagnostischen Eingriffen, besonders mit Invasivtechnik, die keinen therapeutischen Nutzen unmittelbar mit sich bringen, ist die höchste Aufklärungspflicht angesiedelt, vergleichbar mit einer medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperation.
  • Hinweis auf mögliche Komplikationen:
    Je gravierender die Eingriffsfolgen sein können (Tod, Erblindung, Lähmung, Organverlust, Lebensqualitätsverschlechterung etc.), um so intensiver muss auf die eingriffstypischen Folgen hingewiesen werden, auch wenn sie im Promillebereich liegen können.
  • Grenzen der Aufklärungspflicht bei psychischer Beeinträchtigung:
    Wenn dem Patienten ernsthafte psychische Gesundheitsstörungen und -schäden drohen (z.B. schwere Depression, versuchter Selbstmord etc.), kann die Aufklärung ganz oder teilweise unterbleiben. Dies kann der Arzt selbst entscheiden. Er muss keine Notiz darüber in die Krankenakte schreiben.
  • Aufklärungsverzicht:
    Jeder Patient kann aus verschiedenen Gründen auf die ärztliche Aufklärung verzichten (z.B. große Furcht vor dem Eingriff). Dieser Verzicht sollte schriftlich erfolgen. Der Arzt sollte eine kurze Notiz in die Krankenunterlagen schreiben.
    Problem: Aufklärungsverpflichtung auch des ein- oder überweisenden Arztes.
    Der ein- oder überweisende Arzt muss den Patienten ebenfalls über den empfohlenen Eingriff und dessen Risiken aufklären. Über evtl. auftretende OP-Folgen, die von der persönlichen Qualifikation des operativ tätigen Kollegen abhängen, kann und braucht er nichts zu sagen.
  • Operationserweiterung:
    Kommt der Arzt während der Operation zu der Einsicht, dass eine Erweiterung des Operationsplans notwendig ist, die nicht von der Einwilligung des Patienten abhängig ist, kann er lediglich dann weiteroperieren, wenn
    • er einem nicht schuldhaften präoperativen Diagnoseirrtum unterlag
    • der neue Befund ohne Abweichung vom Operationsplan in absehbarer Zeit zum Tode des Patienten führt
    • der Abbruch der Operation zum Zweck der erweiterten Aufklärung ernsthaft mit zusätzlichen gefährlichen Komplikationen verbunden ist, die bei einer sofortigen Fortsetzung der Operation nicht entstünden
    • ein der Operationserweiterung entgegenstehender Wille des Patienten wegen der Lebensbedrohlichkeit des neuen Befundes nicht zu erwarten ist.
  • Minderjährige:
    Die Abgabe der Einwilligungserklärung hängt von der Reife, dem Verständnis, dem Alter der Person und von der Bedeutung des Eingriffs ab. Bis ca. 12-14 Jahren dürfte das Recht zur Einwilligung ausschließlich bei den Eltern liegen. Danach ist die Meinung des Minderjährigen immer wichtiger und das Mitspracherecht der Eltern bei dieser höchstpersönlichen Entscheidung schwindet mehr und mehr.
  • Geistig vorgealterte und behinderte Patienten:
    Es sollte rechtzeitig vor großen Eingriffen und gefährlichen Behandlungen ein Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden.
  • Dokumentation des Aufklärungsgespräches:
    Wer als Arzt nicht, nicht allumfassend oder nicht zeitgerecht dokumentiert, riskiert, dass ihm im Prozess aus einer nicht ordnungsgemäßen Dokumentation Nachteile erwachsen, die zur Umkehr der Beweislast führen können. Deshalb die Empfehlung, den vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsbogen evtl. mit persönlichen Notizen zum Gespräch, mit Ort, Datum, Dauer des Gesprächs und Uhrzeit zu versehen und sorgfältig aufzubewahren.
  • Delegation der Aufklärungsverpflichtung:
    Ein Delegieren des Aufklärungsgespräches an nichtärztliche Mitarbeiter akzeptiert die Rechtssprechung nicht. Der den Eingriff Ausführende kann die Aufklärung delegieren. Wer delegiert haftet allerdings, wenn der Ausführende ein spezielles Risiko vergisst oder versehentlich keine Aufklärung stattfindet.

Literatur
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  1. McKevitt C et al. (2003) Defining and using quality of life: a survey of health care professionals. Clin Rehabil 17: 865-870
  2. Rogers WA et al. (2003) Confidentiality and the ethics of medical ethics. J Med Ethics 29: 220-224
  3. Schlund GH (1997) Aufklärung im Rahmen ärztlicher Tätigkeiten. Hautarzt 48: 870–873
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