Ascher-Syndrom L98.88

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 05.04.2024

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Synonym(e)

acquired double lip; Blepharochalasis and double lip; Laffer-Ascher Syndrome

Erstbeschreiber

Fuchs 1896; Laffer 1909; Ascher 1920; 

Eine Kombination aus Blepharochalasis und Doppellippe wurde erstmals 1909 von WB Laffer beschrieben. 1920  berichtete Ascher über eine "nicht-toxische Vergrößerung" der Schilddrüse in Verbindung mit Blepharochalasis und Doppellippe.

Definition

Das Ascher-Syndrom (auch Laffer-Ascher-Syndrom genannt) ist eine seltene (weltweit wurden etwa 100 Fallberichte veröffentlicht), gutartige Erkrankung, die durch eine Trias aus Blepharochalasis, doppelter Oberlippe und nicht toxischer, euthyreoter Struma gekennzeichnet ist. Die klinischen Merkmale sind eindeutig, sodass die Diagnose in den meisten Fällen unproblematisch ist. Zhao ZL et al. (2019) beschrieben den Zusammenhang mit einer Hashimoto-Thyreoiditis

Ätiopathogenese

Die meisten Fälle des Ascher-Syndroms treten sporadisch auf, aber es wurden auch familiäre Fälle gemeldet, die auf einen autosomal-dominanten Erbgang hindeuten. Über Gene, die mit der Blepharochalasis in Zusammenhang stehen, wie GSN-Gen, OSMR-Gen, ADAMTS2-Gen, MMP3-Gen und MMP9-Gen, wurde bereits berichtet (Motegi S et al. 2014). 

Pathogenetisch kommt es nach rezidivierenden Ödemen zum Erschlaffen und Atrophie der Oberlidhaut, Hyperplasie des prolabierten Orbitalfettes, Doppellippe als Manifestation einer postödematösen Gefäß- und Bindegewebsvermehrung. Der ätiopathogenetische Zusammenhang mit einer euthyreoten Struma ist bisher ungeklärt. 

Manifestation

Das Alter bei Beginn der Erkrankung liegt im Allgemeinen in der frühen Kindheit: keine Geschlechtsbevorzugung. 

Klinisches Bild

Nach dem 5. Lebensjahr wiederholtes Auftreten schmerzloser Schwellungen. Das Syndrom betrifft am häufigsten zuerst die Augenlider, später sind auch die Lippen betroffen. Bei etwa 1/3 der Fallberichten ging die Lidbeteiligung voraus, bei 1/3  der der Fälle die Lippenbeteiligung, und bei 20% Fällen erfolgte die Beteiligung gleichzeitig. Bei den Betroffenen werden die Schwellungszustände der Oberlider und Oberlippe initial häufig als Angioödem fehlgedeutet. Erst die Blepharochalasis durch prolabiertes Orbitalfett und Tränendrüsengewebe festigt die Diagnose. Wegweisend ist weiterhin die Doppelung der Lippen (Doppellippe); meist ist die Oberlippe, selten die Unterlippe betroffen (s.Abbn.).

Nach der Pubertät ist das Auftreten einer euthyreoten Struma möglich. Im Vollbild kommt es zur Kombination von Blepharochalasis, Doppellippe, Struma und endokrinen Störungen. Ödematose Lippenschwellung sowie Blepharochalasis sind zunächst reversibel und durch fibröse Umwandlung schließlich persistent.

Therapie

Symptomatische Behandlung der endokrinen Störungen durch Endokrinologen, ggf. operative Behandlung der Struma. Zu den erprobten nicht-chirurgischen Behandlungsmodalitäten gehören orales Prednisolon, Antihistaminika und Dapson.

Im Bedarfsfall: Chirurgische Korrektur der Doppellippe und Blepharochalasis.

Hinweis(e)

Die Oberlippenschleimhaut weist während der Entwicklung zwei Querzonen auf: die äußere kutane (pars glabrosa) und die innere Schleimhautzone (paras villosa). Bei der Doppellippe kommt es zu einer Gewebeduplikation zwischen der Pars glabrosa und der Pars villosa, die beim Lächeln der Patienten besonders auffällig ist. Daher scheint die Bezeichnung "Doppellippe" unangemessen zu sein, da sich das überschüssige Gewebe in der Pars villosa befindet. Auch Laffer erwähnte in seiner ursprünglichen Beschreibung die Oberlippe als geschwollen, vor allem auf ihrer bukkalen Seite. In den meisten Fällen ist die Oberlippe betroffen, in seltenen Fällen jedoch auch die Unterlippe oder beide Lippen.

Schilddrüse und Ascher-Syndrom: Ascher beschrieb eine Schilddrüsenvergrößerung bei mehereren Fällen. Eine nicht-toxische Schilddrüsenbeteiligung wurde im Schrifttum jedoch nur bei etwa 15% der Fälle beobachtet. Es ist nicht klar, ob das Vorhandensein einer Schilddrüsenvergrößerung ein konstantes oder ein notwendiges Merkmal für die Diagnose ist. Schilddrüsenantikörper können auftreten. Die Schilddrüsenbeteiligung kann auch Jahre nach dem Auftreten von Blepharochalasis und Doppellippe auftreten

Fallbericht(e)

Bei einer 46-jährigen Frau wurde eine zunehmendes Blepharochalasis bemerkt. Bei der ersten Untersuchung zeigte sich eine beidseitige Blepharochalasis, die auf der rechten Seite stärker ausgeprägt war. Sowohl Ober- als auch die Unterlippe waren verdickt und vorstehend. Die Patientin gab an, dass die Verdickung der Lippen vor fast 20 Jahren begann und allmählich fortschritt. Die Blepharochalasis trat erst viel später auf, nämlich fast 14 Jahre nach der Lippenverdickung, und anfangs war sie episodisch und verschwand spontan, um dann wieder aufzutreten.

Es gab keine Anamnese über Familiarität, über die Einnahme von Medikamenten, die bekanntermaßen Augenlidschwellungen oder Urtikaria verursachen können. Die Patientin verneinte die Verwendung von Wimperntusche oder Lidschatten.

Opthalmologische Untersuchung einschließlich Sehschärfe, Augenbewegungen, Pupillenreaktion und systemischer Untersuchung, war normal.

Sonographisch und serologisch normaler Schilddrüsenbefund. Die Patientin wurde über die chirurgische Verkleinerung des verdickten Lippengewebes und die Korrektur der Lidhaut informiert und von einem Team, bestehend aus einem Augenarzt und einem plastischen Chirurgen, untersucht. Unter Vollnarkose wurden eine einfache sitzende Blepharoplastik und eine Lippenkorrektur durch eine doppelte elliptische Exzision durchgeführt, und das Gewebe wurde zur histopathologischen Untersuchung eingesandt.

Die histopathologische Untersuchung ergab eine normale Epidermis mit lockerer Dermis und erweiterten Gefäßen zusammen mit perifollikulären entzündlichen Infiltraten. Die postoperative Phase verlief ereignislos mit einer deutlichen kosmetischen Verbesserung der Blepharochalasis und der Doppellippe nach 2 Monaten

Literatur
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  1. Al-Hassani M et al. (2020) Ascher's syndrome: a rare cause of lip swelling. Ann R Coll Surg Engl 102:e216-e218.   Abb
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  3. Donato CMG et al. (2017) Do you know this syndrome? Ascher´s syndrome: clinical findings of little known triad. An Bras Dermatol 92:729-730. Ascher 6
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  5. Gomez-Duaso AJ et al. (1997) Ascher syndrome: report of two cases. J Oral Maxillofac Surg 55: 88-90
  6. Hausamen JE, Solbach HG, Pape HD (1969) Klinischer Beitrag zum Ascher Syndrom. Dtsch zahnärztl Z 24: 983–987
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  9. Letra A et al. (2007) MMP gene polymorphisms as contributors for cleft lip/palate: association with MMP3 but not MMP1. Arch Oral Biol 52:954-960.

  10. Motegi S et al. (2014) Blepharochalasis: possibly associated with matrix metalloproteinases. J Dermatol 41:536–538

  11. Parmar RC et al. (2004) A newly recognized syndrome with double upper and lower lip, hypertelorism, eyelid ptosis, blepharophimosis, and third finger clinodactyly. Am J Med Genet 124A: 200-201
  12. Rewri P et al. (2023) A Century of Laffer-Ascher Syndrome. Indian J Plast Surg 56:540-543.
  13. Zhao ZL et al. (2019) Ascher syndrome: a rare case of blepharochalasis combined with double lip and Hashimoto's thyroiditis. Int J Ophthalmol 12:1044-1046.

Disclaimer

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