Amyloidosen kutane (Übersicht) L99.0; E85.4

Autor: Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 14.08.2023

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Synonym(e)

Amyloidosen lokalisierte; Cutaneous amyloidosis; Hautamyloidosen; Kutane Amyloidosen; Lokalisierte kutane Amyloidosen; Primäre kutane Amyloidosen; Primary localized cutaneous amyloidosis

Erstbeschreiber

Gutmann 1923-1928; Freudenthal 1926-1930; Gottron 1950; Palitz 1952; 

Definition

Seltene, nicht-systemische, lokalisierte, meist mit Juckreiz verbundene , chronische Hauterkrankung die durch Ablagerung von Amyloid (Amylum = Stärke) in der Dermis hervorgerufen wird. S.a. Keratinamyloidosen. Die Hautveränderungen bei diesem Amyloidtyp müssen von den Hautveränderungen der systemischen Amyloidosen (andere Amyloidtypen/AS-AL-Amyloidosen) und der sehr seltenem hereditären Amyloidosen unterschieden werden.  

Einteilung

Bei den lokalisierten (nicht-systemischen) kutanen Amyloidosen unterscheidet man:

  • Lokalisierte (primäre) kutane Amyloidosen (Wang WJ et al. 2001)
  • Lokalisierte (sekundäre) kutane Amyloidosen
    • Amyloidosen bei aktinischen (Dauer-) Schädigungen (auch nach PUVA-Therapie/Amyloid K)
    • Amyloidablagerungen (Amyloid K) in benignen und malignen Tumoren (Basalzellkarzinome/50%; spinozelluläre Karzinome, seborrhoische Keratosen, aktinische Keratosen) 
    • "Friction amyloidosis": Kutane Amyloidose durch ständiges Kratzen und Scheuern bestimmter Hautareale mit harten Bürsten oder sonstigen Gegenständen (Nylon brush macular amyloidosis)/Amyloid K. Es bestehen pathogenetische Beziehungen zu der Notalgia paraesthetica
    • X-chromosomale retikuläre Pigmentstörung (seltenes Syndrom, das durch wiederkehrende Infektionen und sterile Multiorganentzündungen gekennzeichnet ist (Mutation in POLA1-Gen, das für die katalytische Untereinheit der DNA-Polymerase-alpha (Pol-α) kodiert (Starokadomskyy Pet al. 2019).   

Vorkommen/Epidemiologie

Die primären kutanen Amyloidosen haben weltweit unterschiedliche Inzidenzen. Ein häufiges Vorkommen wird in der asiatischen Bevölkerung (Singapur, Taiwan, Thailand) beobachtet. Die makulöse Amyloidose scheint gehäuft in Südamerika aufzutreten (Ollage W et al. 1990)

Ätiopathogenese

Die genaue Ätiopathogenese der kutanen Amyloidosen ist nicht bekannt. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die kutanen Amyloidosen klinische Varianten eines identischen, derzeit noch nicht ausreichend geklärten pathologischen Prozesses sind. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass Signalstörungen über den Oncostatin M-Typ II-Rezeptor und/oder den Interleukin (IL)-31-Rezeptor zur Apoptose der Keratinozyten und zur anschließenden Amyloidablagerung und zum Juckreiz führen (Arita K et al. 2008; Weidner T et al. 2017).

Die  Amyloide der kutanen Amyloidosen (Lichen amyloidosus und der makulösen Amyloidose) stellen eine Gruppe heterogener Proteine dar, die ultrastrukturell ähnlich sind bzw. bei histologischer Anfärbung gleichartig reagieren. Aufgrund ihrer Reaktion mit monoklonalen Antikörpern, die gegen sämtliche Kratinfilamente gerichtet sind, wird diese Amyloide als Amyloid K bezeichnet.    

Biochemie: Wahrscheinlich wird in apoptotischen Keratinozyten die alpha-Helixstruktur der Keratine in eine ß-Faltblattstruktur umgewandelt. Diese fehlgefalteten Proteine können von Makrophagen nicht abgeräumt werden und verbleiben als Keratinamyloid (Amyloid K) in der papillären Dermis.

Immunologie: Weitgehend gesichert ist die These, dass das Amyloid bei der lichenoiden wie auch der makulösen Form der kutanen Amyloidose epidermalen Ursprungs ist. Dies unterscheidet diese Varianten vom Amyloid der knotigen Hautamyloidose das nahezu ausschließlich von monoklonalen leichten Immunglobulinketten vom kappa-bzw. lambda-Typ besteht (Amyloid L).

Aus den untergegangenen und apoptotischen basalen Keratinozyten werden Zytokeratine freigesetzt. Dies betrifft v.a. Zytokeratin 5, aber auch die Zytokeratine 1, 10 und 14. Die freigesetzten Zytokeratin wirken antigenisch und induzieren eine Antikörperreaktion. Zugleich kommt es zur Anlagerung von Amyloid-P-Komponenten. Nach Phagozytose durch Makrophagen oder Fibroblasten erfolgt enzymatisch die Umwandlung zu Amyloid K, einer  nicht-abbaubaren Substanz.  

Weiterhin wird wird die Expression von Amyloidvorstufen durch monoklonale oder polyklonale Plasmazellen diskutiert, deren Proliferation durch amylogene Proteine, z.B. Keratin, Immunglobuline, Insulin oder beta2-Mikroglobulin ausgelöst wird.

Während die primär kutanen Amyloidosen hauptsächlich sporadisch auftreten, kann in einigen Fällen eine familiäre Häufung mit autosomal dominantem Erbgang beobachtet werden. Ursache sind u.a. Mutationen in OSMR (Oncostatin M Rezeptor-beta/Arita K et al. 2008), die insbesondere innerhalb bestimmter geographischer Regionen, wie Südamerika und Südostasien, für 10% der primären, lokalisierten, kutanen Amyloidosen verantwortlich sind.

Manifestation

W:M=1,2:1,0; Alter bei Erstamnifestation durchschnittlich 57 Jahre (24-87Jahre)

Sonstige Untersuchungsmethoden

Amyloid ist gekennzeichnet durch:

  • Blaufärbung nach Kontakt mit  und verdünnter Schwefelsäure
  • Eosinophilie in der konventionellen HE-Färbung
  • Grün-gelbliche bis rote Färbung und Doppelbrechung im polarisierten Licht nach Färbung mit Kongorot
  • Elektronenmikroskopisch durch ein Geflecht unverzweigter Fibrillen und durch eine nicht-fibrilläre Komponenten (Serum-Amyloid-P-Komponente), die allen Arten von systemischem und lokalisiertem Amyloid gemeinsam ist
  • Beta-Faltblattstruktur, nachweisbar durch Röntgenbeugung  
  • Unterschiedlich assoziierte Proteintypen (Nachweis durch Laser-Mikrodissektion der Amyloidablagerungen und anschließende Massenspektrometrie)

Hinweis(e)

Einzuordnen sind die primären, kutanen (nicht-systemischen) Amyloidosen unter den lokalisierten Amyloidosen (E85.4), die nicht nur die Haut sondern auch andere  Organe betreffen können. Die lokalisierten Amyloidosen sind von den systemischen Amyloidosen abzutrennen.

Bei den Organ-spezifischen lokalisierten Amloidosen spielen besondere lokale Verhältnisse, sowie die Ablagerung unterschiedlicher Amyloide aus unterschiedlichen Proteinpräkursoren eine bestimmende pathogenetische Rolle:

  • Keratinamyloid bei der nicht-systemischen kutanen Amyloidose (s.u. Keratinamyloidosen)
  • Islet Amyloid Polypeptide (Ablagerungen in den Beta-Zellen der Langerhans-Inseln) bei Diabetes mellitus Typ II
  • Bestandteile von Präcalcitonin als Amyloid in Tumoren und Metastasen
  • Natives Transthyretin als seniles kardiales Amyloid im Myokard älterer Menschen
  • Aggregiertes Aß-Peptid bei Morbus Alzheimer  (Alzheimer Plaques)

Literatur
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  1. Arita K et al. (2008) Oncostatin M receptor-beta mutations underlie familial primary localized cutaneous amyloidosis". American Journal of Human Genetics 82: 73–80.
  2. Borrowman TA et al. (2003) Cutaneous nodular amyloidosis masquerading as a foot callus. J Am Acad Dermatol 49: 307-310
  3. Brownstein MH et al. (1970) The Cutaneous Amyloidoses. Localized Forms. Arch Derm 102: 9-19
  4. Hung CC et al. (2003) Unusual skin manifestation of cutaneous amyloidosis. Dermatology 207: 65-67
  5. Kaltoft B et al. (2013) Primary localised cutaneous amyloidosis--a systematic review. Dan Med J 60:A4727
  6. Meigel WN, von Stemm A (2003) Ablagerungsdermatosen. In: Kerl H et al. (Hrsg) Histopathologie der Haut. Springer, Berlin, Heidelberg, New York S. 477-484
  7. Ollague W et al. (1990)Epidemiology of primary cutaneous amyloidoses in South America.
  8. Clin Dermatol 8:25-29.
  9. Ruzicka T et al. (1990) Kutane Amyloidosen. Hautarzt 41: 245-255
  10. Starokadomskyy P et al. (2019) NK cell defects in X-linked pigmentary reticulate disorder. JCI Insight 4:e125688.
  11. Steciuk A et al. (2002) Cutaneous amyloidosis and possible association with systemic amyloidosis. Int J Dermatol 41: 127-132
  12. Venkataram MN et al. (2001) Frictional amyloidosis: a study of 10 cases. Australas J Dermatol 42:176-179.
  13. Wang WJ et al. (2001) Clinical and histopathological characteristics of primary cutaneous amyloidosis in 794 Chinese patients. Zhonghua Yi Xue Za Zhi (Taipei) 64:101-107.

  14. Weidner et al. (2017) Primary Localized Cutaneous Amyloidosis: A Systematic Treatment Review. Am J Clin Dermatol 18:629-642

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