Röntgenkontrastmittel-Unverträglichkeit T88.7

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor: Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 24.10.2017

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Synonym(e)

Röntgenkontrastmittel-Intoleranz

Definition

Röntgenkontrastmittel-Intoleranz v.a. gegen jodhaltige Röntgenkontrastmittel.

Einteilung

Jodierte Röntgenkontrastmittel werden in eine ionische hochosmolare (z.B. Amidotrizoat, Meglumin, Ioxitalamat) und eine nicht-ionische niedrigosmolare Klasse (z.B. Iohexol, Iopamidol, Ioversol, Iopramid, Iomeprol, Iopentol, Iobitridol, Iodixanol) unterteilt.

Vorkommen/Epidemiologie

  • Pro Jahr werden weltweit ca. 70 Millionen radiologische Untersuchungen mit jodierten Röntgenkontrastmitteln durchgeführt.
  • Insgesamt treten nach Gabe von nicht-ionischen niedrigosmolaren Röntgenkontrastmitteln weniger schwere Komplikationen auf als nach Gabe von ionischen hochosmolaren Röntgenkontrastmitteln, die Todesraten sind jedoch ähnlich (1/100.000 Expositionen).
  • Prävalenz der Überempfindlichkeitsreaktionen vom Spättyp: 0,5-23%.
  • Prävalenz der Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp:
Schweregrad der Komplikationen Ionische hochosmolare RKM Nicht-ionische niedrigosmolare RKM
leicht Prävalenz: 3,8-12,7% Prävalenz: 0,7-3,1%
schwer Prävalenz: 0,1-0,4% Prävalenz: 0,02-0,04%

Ätiopathogenese

  • Jodierte Röntgenkontrastmittel können anaphylaktoide Reaktionen innerhalb einer Stunde nach Gabe verursachen (Soforttypreaktionen). Ein IgE-getriggerter Mechanismus wird in diesen Fällen oftmals angenommen, jedoch ist der genaue pathophysiologische Mechanismus bislang noch nicht aufgeklärt. Obwohl angenommen wird, dass nicht-ionische niedrigosmolare Röntgenkontrastmittel weniger anaphylaktoide Reaktionen auslösen, werden in der Praxis weiterhin prophylaktisch Medikamente zur Prämedikation verabreicht.
  • Verzögerte Reaktionen wurden in einem Zeitraum von über einer Stunde bis zu 7 Tagen nach Röntgenkontrastmittelgabe beschrieben (Spättypreaktionen). Pathophysiologisch werden sie durch T-Zellen vermittelt.

Klinisches Bild

  • Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp: Pruritus, Urtikaria, Angioödem, Flush, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Rhinitis, Heiserkeit, Husten, Luftnot, Hypotonie, Tachykardie, Arrhythmie, Schock, Herzstillstand, Atemstillstand.
  • Überempfindlichkeitsreaktionen vom Spättyp: Pruritus, Urtikaria, Angioödem, makulo-papulöses Exanthem, Erythema multiforme minor, fixes Arzneimittelexanthem, Stevens-Johnson-Syndrom, Toxische epidermale Nekrolyse, Vaskulitis, Graft-versus-Host-Reaktion.

Diagnose

  1. Pricktest mit dem angeschuldigten Röntgenkontrastmittel (unverdünnt) und alternativ mit nicht-ionischen niedrigosmolaren Röntgenkontrastmitteln (unverdünnt).
  2. Intrakutantestung mit dem angeschuldigten Röntgenkontrastmittel (1:1000 bis 1:10 in 0,9%iger physiologischer Kochsalzlösung) und alternativ mit nicht-ionischen niedrigosmolaren Röntgenkontrastmitteln (1:1000 bis 1:10 in 0,9%iger physiologischer Kochsalzlösung).
  3. Epikutantest mit dem angeschuldigtem Röntgenkontrastmittel (unverdünnt) und alternativ mit nicht-ionischen niedrigosmolaren Röntgenkontrastmitteln (unverdünnt).

Prophylaxe

Die Studienlage zum prophylaktischen Wirkeffekt verschiedener Prämedikationsschemata ist nur eingeschränkt aussagekräftig. Mit dem Auftreten anaphylaktoider bzw. anaphylaktischer Reaktionen bei erneuter Röntgenkontrastmittelgabe auch unter Prämedikation muss in Einzelfällen gerechnet werden!
  • Bei Fehlen einer radiologischen Alternative und vorausgegangener Sofort- oder Spättypreaktion auf ein jodiertes Röntgenkontrastmittel wie auch Vorliegen eines Asthma bronchiale wird derzeit 12 Std. und 2 Std. vor erneuter Röntgenkontrastmittelgabe die Verabreichung von jeweils 32 mg Methylprednisolon p.o. empfohlen. Gegeben werden sollte ein nach Möglichkeit zuvor in den Hauttests (Prick-, Intrakutan-, Epikutantest) negativ ausgetestetes, nicht-ionisches niedrigosmolares Röntgenkontrastmittel.
  • Bei Notwendigkeit einer unmittelbaren erneuten Röntgenkontrastmittelgabe kann derzeit die kombinierte Verabreichung von Prednisolon 250 mg i.v., 1 Amp. Dimetinden (H1-Rezeptor-Antagonist; 4 ml Inj.-Lsg.) langsam i.v. und 1 Amp. Cimetidin (H2-Rezeptor-Antagonist; 4 ml Inj.-Lsg. mit 0,9%iger NaCl-Lsg. auf 10 ml verdünnen; bei Kindern und Jugendlichen strengste Indikationsstellung) langsam i.v. empfohlen werden.

Literatur
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  1. Brockow K et al. (2005) Management of hypersensitivity reactions to iodinated contrast media. Allergy 60: 150-158
  2. Kvedariene V, Martins P, Rouanet L, Demoly P (2006) Diagnosis of iodinated contrast media hypersensitivity: results of a 6-year period. Clin Exp Allergy 36: 1072-1077
  3. Tramèr MR, von Elm E, Loubeyre P, Hauser C (2006) Pharmacological prevention of serious anaphylactic reactions due to iodinated contrast media: systematic review. BMJ 333: 675

Weiterführende Artikel (4)

Cimetidin; Dimetinden; Methylprednisolon; Prednisolon;

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Zuletzt aktualisiert am: 24.10.2017