Rehabilitation, dermatologische

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. Norbert Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 19.07.2019

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Synonym(e)

Dermatologische REHA; Dermatologische Rehabilitation; REHA

Definition

Unter medizinischer (dermatologischer) Rehabilitation versteht man die Wiederherstellung von körperlichen Funktionen, Organfunktionen und gesellschaftlicher Teilhabe mit physiotherapeutischen- und ergotherapeutischen Maßnahmen sowie Mitteln der klinischen Psychologie und Anleitungen zur Selbstaktivierung. Diese Komplexmaßnahmen können sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden.

Indikation

  • Leistungen zur dermatologischen REHA können nach § 9 SGB VI gewährt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten, wegen einer dermatologischen Erkrankung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei dem Versicherten, bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ( MdE) durch die Leistungen abgewendet werden kann oder bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch die Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden können (§ 10 Abs. 1 SGB VI; sog. persönliche Voraussetzungen).
  • Die dermatologische REHA ist gemäß den geltenden Rehabilitationsrichtlinien und den "Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei Krankheiten der Haut" weiterhin indiziert, wenn Rehabilitationsbedürftigkeit besteht. Diese liegt vor, wenn die bei einer gesundheitlich bedingten drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigung der Teilhabe eine für den einzelnen Rehabilitanden erforderliche, umfassende, kurative Behandlung durch den Arzt für Dermatologie/Venerologie nicht ausreicht, die Ausdehnung einer Hauterkrankung über eine größere Körperoberfläche und/oder Lokalisation im sichtbaren Körperbereich vorliegt, eine schwere Verlaufsform einer Hauterkrankung im zeitlichen Zusammenhang nach einer Krankenhausbehandlung vorliegt, für die eine besondere Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, ein optimaler therapeutischer Effekt nur über das ganzheitlich ausgerichtete, interdisziplinäre Konzept der REHA erzielt werden kann sowie eine positive Rehabilitationsprognose besteht (z.B. langfristig rezidivfreies Intervall).
  • Insbesondere sind Ausprägung der klinischen Erscheinungen, Rezidivhäufigkeit der chronischen Hauterkrankung trotz adäquater Therapie (z.B. mehrfache stationär behandlungspflichtige Exazerbationen) und das Vorliegen von Risikofaktoren zu berücksichtigen. Leistungen zur dermatologischen REHA werden vom REHA-Kostenträger nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen zur REHA erbracht. Dies gilt aber nicht, wenn vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind (§ 12 Abs. 2 SGB VI). Die Indikation zur Rehabilitation ergibt sich z.B. für folgende dermatologisch/allergologische Erkrankungen:

Durchführung

  • Aufgrund der Vielschichtigkeit der Problematik des "chronisch Hautkranken" ist ein sehr differenziertes und individualisiertes REHA-Konzept erforderlich. Die ambulant durchgeführte dermatologische Rehabilitation geht ebenso wie die stationäre Form von einem ganzheitlichen Rehabilitationskonzept einschließlich der sozialmedizinischen Beurteilung aus und beinhaltet ein umfassendes, rehabilitationsspezifisches, interdisziplinäres Therapieangebot. Dies besteht aus physischen, individuell abgestimmten physikalischen Maßnahmen wie z.B. Salbentherapie, UV-Bestrahlungen, Heilbädern u.a., krankheitszentrierter medikamentöser Therapie, psychischen, oekotrophologischen, sozialen und edukativen Komponenten.
  • Die Entscheidung darüber, ob bei einem Rehabilitanden eine stationäre oder ambulante dermatologische REHA durchgeführt wird, ist abhängig von:
    • Ausmaß der Schädigungen
    • Beeinträchtigungen der Aktivitäten
    • (drohenden) Beeinträchtigungen der Teilhabe
    • Ausmaß des medizinischen Risikos
    • sozialem Umfeld und den berechtigten Wünschen des Rehabilitanden (Rücksichtnahme auf persönliche/familiäre sowie religiöse/weltanschauliche Bedürfnisse und Gegebenheiten) sowie von dem Vorhandensein einer den Qualitätskriterien entsprechenden ambulanten oder stationären Einrichtung.
  • Indikationsstellung/medizinische Voraussetzungen/Aktivitäten: infolge der o.g. Schädigungen und deren Auswirkungen können Beeinträchtigungen der Aktivitäten auftreten:
    • im Verhalten bei persönlichen und sozialen Aktivitäten (z.B. Akzeptanz der Erkrankungen, Selbstbild, Probleme der Stigmatisierung, Fertigkeiten im Umgang mit der Erkrankung, Kompensationsstrategien, Selbstgefährdung, Rolle in der Familie, Motivation und Antrieb im Beruf)
    • in der Selbstversorgung (z.B. Haushalt, Reinigung, Einkaufen, Ernährung, Körperpflege, Kleidung) in der Fortbewegung, Beweglichkeit und Geschicklichkeit (z.B. manuelle Fähigkeiten, längeres Gehen, Treppensteigen, schnelles Laufen, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Reisen)
    • situationsbedingt (z.B. körperliche Belastbarkeit in Beruf, Freizeit und Alltag hinsichtlich Schwere, Ausdauer, bestimmter Körperpositionen wie langes Stehen, feuchtes Milieu, extreme Kälte/Wärme, Sonnenlicht, Umweltnoxen).
    • Teilhabe: Infolge der o.g. Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten können Beeinträchtigungen der Teilhabe in folgenden unterschiedlichen Bereichen auftreten:
      • körperlichen Unabhängigkeit (z.B. Notwendigkeit von Hilfsmitteln
      • Anpassung der Umgebung
      • Hilfebedürftigkeit durch andere Menschen
      • persönliche Assistenz oder Pflege
      • Abhängigkeit von Fremdhilfe
      • eingeschränkte Selbständigkeit oder Selbstversorgung im Alltag
      • Mobilität (z.B. Einschränkungen in der Bewegung im persönlichen Umfeld, in der Nachbarschaft, der Gemeinde, im Fernbereich, bei Reisen)
      • Beschäftigung im beruflichen Bereich im Hinblick auf den Weg von und zur Arbeit, den Arbeitsplatzbedingungen (z.B. bei beruflicher Exposition von Hautallergenen und Noxen), Arbeitsorganisation, Qualifikation (Aus-, Fort- und Weiterbildung)
      • Haushaltsführung in der Freizeit
      • psychischen Belastbarkeit
      • soziale Integration/Reintegration (z.B. Aufnahme und Aufrechterhaltung von sozialen Beziehungen)
      • wirtschaftliche Eigenständigkeit.
    • Kontextfaktoren: Die sog. Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie umfassen alle Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren, die für die Gesundheit einer Person von Bedeutung sind. Die Kontextfaktoren stehen in Wechselwirkung mit allen Komponenten der ICF (Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Teilhabe). Kontextfaktoren können einen positiven, fördernden Einfluss (Förderfaktoren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit und somit auf den Rehabilitationsverlauf haben. Daher gilt es, diese möglichst früh zu erkennen und ihre rehabilitationsfördernde Wirkung zu nutzen (Ressourcenkonzept der Rehabilitation).
  • Rehabilitationsziele: Ziele der medizinischen Rehabilitation sind die drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft durch frühzeitige Einleitung der gebotenen Rehabilitationsmaßnahmen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand soll durch die Rehabilitation (wieder) befähigt werden, eine Erwerbstätigkeit und/oder bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens möglichst in der Art und in dem Ausmaß auszuüben, die für diesen Menschen als "normal" (für seinen persönlichen Lebenskontext typisch) erachtet werden.
    • Ziele in diesem Sinne sind für das Erwerbsleben z.B. Wiederherstellung und Erhaltung der Erwerbsfähigkeit Planung von Arbeitsplatzanpassung Erhalt des Arbeitsplatzes Planung und Einleitung von Maßnahmen zur (weiteren) Teilhabe am Arbeitsleben.
    • Ziele für die Aktivitäten des täglichen Lebens: z.B. Gestaltung der häuslichen Umgebung, Wohnraumanpassung, Hilfe bei der Findung von Bewältigungsstrategien, Anleitung zur gesundheitsbewussten Ernährung und Motivation zur Lebensstiländerung, einschl. Abbau von negativ wirkenden Kontextfaktoren, Einleitung von Anpassung an Sport- und Freizeitaktivitäten.
    • Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen: Ziele sind die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen von Schädigungen des gesamten Hautorgans unter Berücksichtigung der Diagnosen, insbesondere bezüglich des klinischen Erscheinungsbildes, Juckreiz, Infektionen, Bewegungseinschränkungen und Kontrakturen. Im Vordergrund steht hierbei die langfristige Besserung bzw. Stabilisierung des Hautbefundes und ggf. anderer Manifestationen.
  • Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten: Ziele sind die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen einer Zunahme der Beeinträchtigungen der Aktivitäten insbes. im Verhalten (z.B. in der Familie, im Beruf, in der Freizeit, in der Motivation und bei Krisen) in der Selbstversorgung (z.B. bei hygienischen Verrichtungen) in der Fortbewegung und Beweglichkeit in der Krankheitsbewältigung, z.B. Verminderung von Ängstlichkeit und Depressivität, Bewältigung von chronischen Schmerzzuständen, Juckreiz und Stress, Förderung der Compliance, bei der Optimierung der Krankheitsbewältigung (Coping).
  • Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe: Ziele sind drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigungen der Teilhabe abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, deren Zunahme zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, insbesondere in der physischen Unabhängigkeit (in Bezug auf Selbstversorgung), Mobilität (Fortbewegung in der Umgebung), Beschäftigung (Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Freizeit), psychischen Stabilität, sozialen Integration und wirtschaftlichen Eigenständigkeit (in Bezug auf die Sicherung des Lebensunterhaltes). Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren Art und Ausmaß der funktionalen Problematik können durch Kontextfaktoren (Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren) verstärkt oder vermindert werden, so dass diese bei der Bestimmung der Rehabilitationsziele zu berücksichtigen sind. Hierzu können u.a. Arbeitsplatzbegehungen, Wohnraumbesichtigungen und Gespräche mit dem Arbeitgeber bzw. den Bezugspersonen erforderlich sein, mit dem Ziel, die Umweltbedingungen an verbleibende Beeinträchtigungen der Aktivitäten des Rehabilitanden anzupassen (Adaptation).

Hinweis(e)

Anträge zur Einleitungen von Leistungen zur Rehabilitation erfolgen über Ausfüllen des Formulars 60 (bei den Krankenkassen erhältlich).

Weitere Hinweise zur Dermatologischen Rehabilitation erhlten Sie über die Webseite der "Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation in der Dermatologie".

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Elsner J, Weyergraf A (2007) Indikations-und Antragstellung einer dermatologischen Rehabilitation. JDDG 5 (Suppl2) 52
  2. Rahmenempfehlungen zur ambulanten dermatologischen Rehabilitation, vom 22. Januar 2004. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation II besonderer Teil.

Verweisende Artikel (1)

REHA;
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