Paederus-Dermatitis L24.8

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 04.12.2023

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Synonym(e)

Blasenkäfer-Dermatitis; blister beetle dermatitis; Nairobi Eye

Erstbeschreiber

Im Jahr 1998 führte eine ungewöhnliche Vermehrung des Käfers Paederus sabaeus zu einem epidemischen Auftreten einer toxischen Kontaktdermatitis in Afrika südlich der Sahara. In der Hämolymphe enthaltene Zellgifte, die beim versehentlichen Zerdrücken des Käfers auf die Haut gelangen, verursachen Blasenbildung und Nekrose der Haut. Die Dermatitis heilt in der Regel in sieben bis zehn Tagen komplikationslos ab. Ausgeprägtere Entzündungserscheinungen, zum Beispiel im Gesicht („Nairobi Eye“) und Sekundärinfektionen kommen vor. Die Behandlung erfolgt symptomatisch.

Definition

Toxische, häufige blasige Dermatitis nach Hautkontakt mit Käfern der Gattung Paederus aus der Familie der Kurzflügler, ausgelöst durch das in weiblichen Käfern vorkommende Toxin Pederin.

Vorkommen/Epidemiologie

Paederus ist ein circa 7 bis 13 mm langer, schlanker Käfer, der zur Familie der Staphylinidae (Kurzflügler) gehört und weltweit vorkommt. Durch die orangerote und sehr dunkel grün beziehungsweise blaue metallische Farbe seines Körpers lässt er sich leicht erkennen. Käfer der Gattung Paederus kommen weltweit vor. Endemische Ausbrücke der toxischen Dermatitis durch diese Käfergattung wurden in der Vergangenheit in tropischen Ländern (Kenia, Kamerun, Naminia, Kongo, Sudan, Uganda) beobachtet, vereinzelt auch in Frankreich, der Türkey und Australien. (McCrae AW et al. 1975 ; Okiwelu SN et al. 1996; Penchenier L et al. 1994).

Die Gattung Paederus umfasst mehr als 500 Arten, von denen etwa 30 medizinisch relevant sind. So kommt zum Beispiel in West- und Zentralafrika Paederus sabaeus, in Ostafrika P. eximius vor.

Über die Ökologie des Käfers existieren nur fragmentäre Informationen. Er lebt als Jäger kleinerer Insekten im feuchten Milieu unter Vegetation und an Wasserläufen. Dies erklärt auch sein Auftreten in tropischen Regionen während der Regenzeit. Paederus ist ein nachtaktives Insekt und wird durch Licht, vor allem von Neonröhren, angezogen. Die Käfer kriechen dann über die hell erleuchtete Haut oder lassen sich von der Decke auf das Opfer fallen. 1998 kam es zu einer außergewöhnlich intensiven Vermehrung und Verbreitung von Paederus südlich der Sahara im Vergleich zu den Vorjahren.  

Ätiopathogenese

Als Verursacher der Dermatitis wurden die hochtoxischen Alkaloide Pederin und in geringerem Maße Pseudopederin identifiziert, die in der Hämolymphe des Insekts enthalten sind. In Zellkulturen bewirken bereits Konzentrationen von 1 bis 1,5 ng/ml eine Hemmung des Zellwachstums. Histologisch führen die Toxine zur intra- und subepidermalen Blasenbildung, epidermalen Nekrose und Akantholyse (Borroni G et al. (1987).

Pederin kommt nur dann mit der menschlichen Haut in Berührung, wenn ein Käfer kräftig über die Haut gestrichen oder zerdrückt wird. Aufgrund ihres allgemeinen Aussehens oder aufgrund von Missverständnissen über ihre Ätiologie wurden die daraus resultierenden Hautläsionen als Dermatitis linearis, Spinnenleck (Indien und Sri Lanka) und Peitschenhieb-Dermatitis bezeichnet.

Klinisches Bild

Der Käfer ist v.a. nachtaktiv und wird durch künstliches Licht nachts angezogen. Beim nächtlichen Aufenthalt im Freien treffen die Käfer auf Menschen. Sie lassen sich von Wänden oder Decken auf hell beleuchtete Hautstellen fallen. Erst das Verletzen der Käfer durch das Abstreifen oder Zerdrücken führt zu einer toxischen Dermatitis durch freiwerdende Toxine (toxische Alkaloide: Pederin, Pseudopederin) des weiblichen Käfers. Form und Art der Dermatitis wird durch den mechanischen Akt des  "Abstreifens" von der Haut geprägt (streifig). Häufig lineare Blasenbildung (Paederus sabeus auch "Blasenkäfer")  

Hinweis(e)

Weibliche Kurzflügelkäfer der Gattung Paederus beherbergen einen mit Pseudomonas aeruginosa sehr nahe verwandten Endosymbionten, der für die Synthese des zytotoxischen Toxins "Pederin" verantwortlich ist. Die Bedeutung dieses Toxins liegt für Paederus-Käfer offenbar in einer Abwehrfunktion gegenüber potentiellen Angreifer. Aufgrund einer sehr hohen tumorhemmenden und antiviralen Wirksamkeit ist Pederin auch für die medizinische Forschung interessant. Die Pederin-produzierenden symbiontischen Bakterien sind  ausschließlich in den am weiblichen Geschlechtsapparat angelegten Anhangsdrüsen und den Ausführgang nachweisbar. So wird die Dermatitis auch nur durch den weiblichen Käfer ausgelöst.

Vergleiche auch Lytta vesicatoria dei "Spanische Fliege"  die durch Freisetzen von Cantharidin die sog." Ölkäfer-Dermatitis" auslöst.  

Literatur
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  1. Beaulieu BA et al. (2016) Literature review of the causes, treatment, and prevention of dermatitis linearis. J Travel Med 23. pii: taw032.
  2. Binder M (2012) In: Plewig G et al. (Hrsg) Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie (23.2.4 Nichtparasitäre Insekten), Bd 23, 6. Aufl. Springer, S 387–388
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  9. Krippner R et al. (2000) Toxische Kontaktdermatitis durch Paederus sabaeus („Blasenkäfer“): Eine Epidemie in Afrika südlich der Sahara. Dtsch Arztebl 97: A-1072 / B-912 / C-828
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  14. Penchenier L et al. (1994) Invasions de Paederus sabaeus (Coléoptère: Staphylinidae) en Afrique Centrale. 1. Aspects entomologiques et épidémiologiques. Bull Soc Pathol Exot 87: 45–48.
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  16. Turan E (2014) Paederus dermatitis in Southeastern Anatolia, Turkey: a report of 57cases. Cutan Ocul Toxicol 33:228-232.

Weiterführende Artikel (1)

Ölkäfer-Dermatitis;

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