Lichturtikaria L56.3
Synonym(e)
Definition
Seltene, hochakute, IgE-vermittelte, Lichtdermatose mit innerhalb von 5-10 Minuten nach Lichtexposition auftretender Erythem- und Quaddelbildung an den exponierten Hautstellen.
Die Art und Schwere der Erkrankung ist abhängig von der Expositionsdauer, der Art der Sonnenbestrahlung, der Lokalisation und Ausdehnung der Sonnenlicht - exponierten Hautareale. Bekannt sind auch verzögerte Reaktionen von mehr als 1 Stunde nach Bestrahlung, verzögerte Rückbildung von > 24 h sowie anaphylaktischen Reaktionen (bei Ganzkörperexposition) u.U. mit Beteiligung der Mundschleimhaut.
Einteilung
Einige Autoren unterteilen die Lichturtikaria je nach auslösendem UV-Spekturm in 5 Gruppen:
Typ I (UVB): 280-320nm
Typ II(UVA): 320-400nm
Typ III-Typ V : 400-800 nm
Vorkommen/Epidemiologie
0,08% der Urtikaria-Fälle. In Populationen mit dunkelhäutiger Bevölkerung wird diese Erkrankung nicht beobachtet.
Ätiopathogenese
IgE-vermittelte, allergische Reaktion vom Soforttyp auf ein unbekanntes, photoinduziertes Autoallergen; ein "Serumfaktor" spielt bei einigen Patienten eine Rolle.
Das Aktionsspektrum kann sich über den gesamten UV-Bereich erstrecken. Das Aktionsspektrum liegt jedoch bevorzugt im UVA-Wellenbereich und des sichtbaren Lichts (400-600nm). Seltener ist eine Auslösung durch UVB (280-320 nm) und Infrarot. Einige Patienten haben eine Urtikaria-Historie.
Manifestation
Meist bei jungen Erwachsenen (überwiegend 20.-40. Lebensjahr), selten im Greisenalter (7.-8. Lebensjahrzehnt) oder im Kleinkindalter (1.-6 LJ) auftretend.
Klinisches Bild
Innerhalb weniger Minunten nach Lichtexposition auftretende Erythem- und Quaddelbildung in den exponierten Arealen. Abklingen der Hauterscheinungen innerhalb von Minuten bis Stunden nach Beendigung der Exposition. Subjektiv leiden die Patienten unter extrem starkem Juckreiz. Bei ausgedehntem Befall mögliche Ausbildung von Schockfragmenten oder komplettem Schockzustand.
Assoziierte Erkrankungen können sein:
- Polymorphe Lichtdermatose
- versch. Urtikariaformen (Wärme, Druck- Kälteurtikaria)
- Churg-Strauss-Syndrom
- Stevens-Johnson-Syndrom
- hypereosinophile Dermatitis
Differentialdiagnose
- Das klinische Bild mit der akuten Symptomatik, dem Nachweis von Quaddeln und dem eindeutigen solaren Verteilungsmuster ist diagnostisch.
- Akute Urtikaria anderer Genese.
Verlauf/Prognose
Monate - bis jahrelanger Verlauf der Erkrankung mit eher lästigen als bedrohlichen Symptomen. Die Rückbildung kann spontan nach Monaten oder Jahren eintreten. In größeren Studien konnte innerhalb einer 10-Jahresfrist eine komplette Abheilung der Symptomatik bei 25% der Patienten nachgewiesen werden. Selten ist eine schwere Ausprägung der klinischen Symptomatik mit Schockzuständen.
Prophylaxe
- Verordnung von Breitband- Lichtschutzmitteln mit entsprechend hohem Lichtschutzfaktor.
- Dauergabe von Antihistaminika wie Desloratadin (z.B. Aerius) 1 Tbl./Tag oder Levocetirizin (z.B. Xusal) 1 Tbl./Tag.
- Ggf. Versuch mit Chloroquin (z.B. Resochin) Initialdosis 250 mg/Tag p.o., später 2mal/Woche 250 mg p.o.
Tabellen
Testort |
Nicht lichtexponierte Hautpartien (z.B. Gesäß) |
Testfelder |
1,5 x 1,5 cm |
Strahlenquellen |
UV-A: Fluoreszenzstrahler (Philips TL09N, TL 10R) |
Metallhalogenidstrahler (340-400 nm) |
|
UV-B: Fluoreszenzstrahler (PHilips TL 12 285-350 nm) |
|
Sichtbares Licht: Diaprojektor (s.o.) |
|
Monochromator (in Praxen nicht vorhanden) |
|
Strahlendosen |
Meist niedrig, je nach anamnestischen Daten variieren! |
Ablesung |
Sofort, Beobachtung bis 1 Std. nach Exposition |
Hinweis(e)
- Nachweis der Photodermatose:
- Photoprovokationstest an nicht sonnenexponierter Haut (Gesäß, Abdomen), da chronische Lichteinwirkung die Urtikariaschwelle erhöht. Entsprechend dem individuellen Aktionsspektrum werden oft bereits nach Durchführung der Lichttreppe mit UVA und UVB charakteristische Quaddeln ausgelöst. Bei einigen Patienten (in größeren Kollektiven sind dies rund 15%) kann auch durch sichtbares Licht (Diaprojektor) provoziert werden.
- > 90% der Patienten ist durch UVA provozierbar.
- Um das genaue Aktionsspektrum sowie die minimale Quaddeldosis ( MUD = minimale urtikarielle Dosis) zu bestimmen, sind zusätzliche Bestrahlungen möglichst 250-700 nm mit einem Monochromator sinnvoll (sie sind aber im klinischen Alltag nicht verfügbar).
- Alternativ kann auch eine vorsichtige (kontrollierte) Bestrahlung mit natürlichem Sonnenlicht durchgeführt werden.
- Die Ablesung der Testreaktionen erfolgt sofort und bis zu einer Stunde nach Bestrahlung.
- Serumfaktor-Test (spielt in der Praxis keine Rolle mehr): Entnahme von Patientenserum und Bestrahlung des Serums mit 0,1 J/cm2 UVB, 10 J/cm2 UVA oder mit sichtbarem Licht (je nach ermitteltem Aktionsspektrum) und anschließende intrakutane Injektion von 0,05-0,1 ml Serum und einer Kontrolle mit 0,05-0,1 ml 0,9% NaCl-Lsg. Nach 5 und 15 Minuten beurteilen, ob sich eine Quaddel an der Injektionsstelle bildet.
Literatur
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Kopernio

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