Kontaktallergie (Übersicht) L23.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 03.03.2023

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Definition

Antigenspezifische, T-Zell-vermittelte, verzögerte Immunreaktion vom Typ IV (Gell u. Coombs), die nach wiederholter Exposition mit Kontaktallergenen (s.a Allergie, Typ IV-Reaktion) bei entsprechend disponierten Personen auftreten kann. Die Prädisposition kann auf genetischen oder nicht-genetischen Faktoren (s.u. Kontaktallergie, Genetik) beruhen. Bei der Initiierung der kontaktallergischen Reaktion können auch weitere unspezifische Faktoren wie Infekte beteiligt sein.

Die häufigsten Kontaktallergene sind Metallallergene (Nickel) gefolgt von Kosmetika, Cremes, Lichtschutzmittel sowie äußerlich angewandten Medikamenten. Typisch für eine kontaktallergische Reaktion sind Streureaktionen, die oft in unmittelbarer Nähe des Kontaktortes aber auch fernab als systemische Streureaktion aufttreten kann.

Seltener sind sog. Kontaktallergien vom Soforttyp (Nachweis durch Atopie-Patch-Test), eine Typ IV-Reaktion ausgelöst durch Typ I-Allergene - hierbei sind die häufigsten Auslöser Pflanzen- und Tierprodukte.

Vorkommen/Epidemiologie

 

Die 10 häufigsten Allergene bei Kindern (0-12 J.) und nicht beruftstätigen Erwachsenen (> 17 Jahre)  variiert n. M.Wort et al (2015)

Testsubstanz (Kinder) Kinder (% positiv) Testsubstanz (Erwachsene) Erwachsene (% positiv)
Nickelsulfat                8,5 Nickelsulfat                         11,5
Duftstoff-Mix                5,5 Duftstoff-Mix                          8,4
Kolophonium                3,4 Perubalsam                          7,8
Duftstoff-Mix II                3,1 Kobaltchlorid                          5,3
MCI/MI (Methylisothiazolinon)                2,2 Dufststoff-Mix II                          5,0
Thiuram-Mix                2,1 Kaliumdichromat                          4,0
Mercaptobenzothiazol                1,8 Kolophonium                          3,7
Mercapto-Mix                1,8     MCI/MI (Methylisothiazolinon)                          3,2
Bufexamac                1,4 Dibromdicyanobutan                          3,1
Dibromdicyanobutan                1,2 Propolis                           3,0

Bemerkenswerterweise ist eine geringere Häufigkeit an Kontaktallergien bei Psoriatikern nachweisbar (Claßen et al.2017).

Ätiopathogenese

Die allergische Kontaktdermatitis (Kontaktekzem) ist der Prototyp einer zellvermittelten Immunreaktion vom Spättyp (DTH = delayed-type hypersensitivity, Typ-IV-Reaktion nach Coobms und Gell). Grundsätzlich  verläuft nach unseren Vorstellungen diese Reaktion in 2 Phasen ab:

Sensibilisierungsphase:

  • In der Sensibilisierungsphase werden kurz nach Auftragen Keratinozyten sowie dermale Mastzellen zur Produktion großer Mengen von Interleukin-1 und TNF-alpha angeregt. Diese sind für die Ausreifung von Langerhans-Zellen in immunstimulierende dendritische Zellen (DCs) verantwortlich. Antigenbeladene dermale dendritische Zellen (DDCs) gelangen in die drainierenden Lymphknoten. Dort präsentieren sie naiven T-Zellen (s.u. Antigen-Präsentation), die den zum Antigen (bzw. Hapten-Protein-Komplex) passenden T-Zell-Rezeptor tragen, den MHC-Antigen-Komplex. Dadurch wird eine Th1/Tc1-und Th17/Tc17-prädominierte T-Zell-Antwort augelöst.   
  • Haptene aktivieren die ERK1/2 Mitogen-aktivierte Protein-Kinase (s.u. MAP-Kinasen-Signalweg) in humanen dendritischen Zellen durch Bindung an Thiolgruppen. Ebenso induzieren sie eine verstärkte Expression von Interleukin 1-beta mRNA. Hapten-aktivierte Keratinozyten exprimieren vermehrt u.a. TNF-alfa, IL-1ß, GM-CSF, ChemokineAdhäsionsmoleküle (LFA-1 und ICAM-1 s.u. Integrine).
    • Langerhans-Zellen aktivieren die T-Zellen Interaktion des MHC I (major histocompatibility complex) oder MHC II, der das Hapten präsentiert, mit dem Hapten-spezifischen T-Zell-Rezeptor.
    • Alternativ geschieht die Aktivierung über kostimulatorische Moleküle, z.B. B7-1, B7-2, ICAM-1. Beide Signale zusammen führen zur Aktivierung und zur klonalen Expansion Hapten-spezifischer CD4- und CD8-Zellen, die durch ihr Muster an Adhäsionsmolekülen und Chemokinrezeptoren in der Lage sind, in die Haut zu migrieren (spezifisches homing).

Sekundärer Antigen-Kontakt (Auslösephase):

  • Ein erneuter Kontakt mit dem selben Allergen führt zur Aktivierung Antigen-spezifischer Memory-Zellen. Diese entwickeln sich zu Effektorzellen, die eine Entzündungsreaktion initiieren (klinisch: Erythem, Ödem, Juckreiz, Vesikulation, Schuppung; immunologisch: Zytokinfreisetzung, Rekrutierung weiterer Entzündungszellen). Immunologischer Ablauf: Spezifische T-Gedächtniszellen, die nach neuerlichem Kontakt mit dem Antigen aktiviert werden und sich in Effektorzellen umwandeln, sind Initiatoren der Entzündungsreaktion, nicht aber deren Exekutoren. An der Auslösephase der AKD sind v.a. CD4+ u. CD8+ T-Zellen beteiligt. Die Anzahl der CD8-T-Zellen steigt in der Haut 6-18 Std. nach Kontakt mit dem Hapten und geht mit IFN-gamma-Anstieg einher. Als Exekutoren fungieren unspezifische Entzündungszellen (z.B. neutrophile Granulozyten, Mastzellen, Makrophagen).
  • Neuerlicher Kontakt mit Haptenen führt direkt und konzentrationsabhängig zu:
    • verstärkter Expression von Oberflächenmolekülen und zur Produktion von Zytokinen durch epidermale Zellen sowie Endothelien. Dabei ist eine gewisse unspezifische irritative Aktivität des Haptens Voraussetzung für die Auslösung einer allergischen Kontaktallergie.
    • Rekrutierung Antigen-spezifischer T-Zellen zum Ort des Ag-Kontaktes durch inflammatorische Signale zur Freisetzung von Chemokinen und Zytokinen aus Keratinozyten.
    • Aktivierung von Endothelzellen, da die Präsentation des Antigens gegenüber T-Zellen nur extravasal erfolgen kann, sowie Expression von Adhäsionsmolekülen, z.B. E-, L-, P-Selektin; ICAM-1, LFA-1, CD18.

Kutane Entzündungsreaktion:

  • Nach Hapten-spezifischer Aktivierung lysieren zytotoxische T-Lymphozyten (CTL) die Hapten-modifizierten (und damit angreifbaren) Keratinozyten. Hierdurch kommt es zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren, Rekrutierung mononukleärer Zellen und zur Verstärkung der Immunreaktion. Zudem produzieren sowohl TH1- wie auch TH2-Zellen Zytokine und Mediatoren (z.B. INF gamma, TNF-alpha, IL-12), die lokal ebenfalls zu einer Verstärkung der Reaktion führen. Substanz P und CGR-Peptide (calcitonin gene related peptide) wirken ebenso im Sinne einer verstärkten Entzündungsreaktion. Dem gegenüber stehen die Wirkungen von IL-4 und IL-10, die von den CD4+ TH2-Zellen produziert werden und an einer negativen Regulation der AKD beteiligt sind. Dies trifft auch für einige Neuropeptide zu, wie z.B. alpha-MSH und das vasoaktive intestinale Peptid (VIP).
    • Antigen-spezifische T-Zellen können ortständige Mastzellen zur Produktion von TNF-alpha sowie MIP-2/IL-8 stimulieren. TNF-alpha induziert Expression von Adhäsionsmolekülen, die neutrophile Granulozyten in die Lage versetzen, an Gefäßendothelien zu binden. MIP-2/IL-8 baut einen chemotaktischen Gradienten auf, der für die transvasale Diapedese und zielgenaue Migration an den durch Haptene kontaktierten Gewebslokus zuständig ist.

Manifestation

Die Kontaktallergie ist eine Volkskrankheit. 15-20% der Allgemeinbevölkerung ist gegen eines der häufigen Kontaktallergene sensibilisiert. Manifest erkranken 1x im Leben etwa  8% der Erwachsenen und 5-6% der Kinder. Geschlechtsspezfische Unterschiede werden nicht gefunden.  

Hinweis(e)

Aktuelle Daten zur Häufigkeit allergischer Erkrankungen bei Kindern zeigen 12-Monats-Prävalenzdaten für die allergische Rhinitis von 9,1%, das atopische Ekzem von 6,0% und das Asthma bronchiale von 4,1% (Worm M et al.).

Literatur
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  1. Claßen A et al. (2018) The frequency of specific contact allergies is reduced in patients with
  2. psoriasis. Br J Dermatol doi: 10.1111/bjd.17080. 
  3. Davies EE et al. (2007) Para-phenylenediamine allergy from a henna tattoo. Arch Dis Child 92: 243
  4. Flint MS et al. (2003) Differential regulation of sensitizer-induced inflammation and immunity by acute restraint stress in allergic contact dermatitis. J Neuroimmunol 140: 28-40
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