Handdermatitis chronische L30.9

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 27.11.2019

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Synonym(e)

Abnutzungsdermatose; Chonische Dermatitis der Hand; Chronische Dermatitis der Hände; Chronisches Ekzem der Hände; Chronisches Handekzem; Chronisch irritative Handdermatitis; Chronisch irritatives Handekzem; Ekzem der Hände; Handdermatitis; Handekzem; Hyperkeratotisch-rhagadiformes Hand-und Fußekzem; Kumulativ toxisches Kontaktekzem; Schwielenekzem; Tylotisches Hand-und Fußekzem

Definition

Als chronisch werden "Handekzeme" bezeichnet, die über einen Zeitraum von 3 Monaten trotz adäquater dermatologischer Therapie und Mitwirkung des Patienten nicht zur Abheilung kommen bzw. in einem Zeitraum von 12 Monaten mindestens zweimal rezidivieren. Der Schweregrad von chronischen Handdermatitiden kann dabei sehr variabel sein:

  • Leichte Handdermatitiden heilen bei adäquater dermatologischer Therapie und Mitwirkung des Patienten schnell wieder ab.
  • Mittelschwere Handdermatitiden bestehen trotz adäquater dermatologischer Therapie und Mitwirkung des Patienten mehrere Wochen.
  • Bei schweren Handdermatitiden handelt es sich um ausgedehnte dauerhafte oder rezidivierende Hautveränderungen von erheblichem Krankheitswert mit z.B. Rhagaden, ausgeprägter Lichenifikation und Infiltration.

Chronische Handdermatitiden sind von großer sozialmedizinsicher und gesundheitsökonomsicher Relevanz. Sie sind mit hohen Kosten und mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität verbunden. Insbesondere chronische schwere Handekzeme verursachen lang dauernde Krankheitsphasen mit Arbeitsunfähigkeiten und sind häufig therapierefraktär. 

Einteilung

Chronische Handdermatitiden können nach Ätiologie (atopisch, allergisch, irritativ [kumulativ-subtoxisch]), nach klinischer Morphologie (Rötung, Schuppung, Lichenifikation, Bläschen, Hyperkeratosen, Rhagaden etc.) sowie nach Lokalisation der Hautveränderungen (Handrücken, Fingerzwischenräume, Handflächen) eingeteilt werden (s.a. Handdermatitis).

Bei der diagnostischen Klassifikation sind überlappende Krankheitsentitäten sowie multifaktorielle Ätiologie und Mischformen häufig.

Vorkommen/Epidemiologie

Die 1-Jahres-Prävalenz von Handdermatitiden wird bei Erwachsenen (20-65 J.) auf bis zu 10% und die Inzidenz auf etwa 5 pro 1000 Erwachsene geschätzt. 52% der Handdermatitiden werden als berufsbedingt eingestuft. Die chronische Handdermatitis ist für ca. 7% der Handdermatitiden insgesamt verantwortlich.

Ätiopathogenese

Lokalisation

Häufig betroffen sind Handrücken, Handflächen, Fingerseitenkanten, Fingerkuppen, Interdigitalfalten und Handgelenke.

Klinisches Bild

Klinische Zeichen und Symptome des chronischen Handekzems umfassen u.a. Rötung, Schuppung, Lichenifikation, Bläschenbildung, Hyperkeratosen, Fissuren, Rhagaden, Juckreiz und Schmerz.

Differentialdiagnose

Psoriasis pustulosa palmaris et plantaris: meist scharf begrenzte Erytheme, raue Papeln und Plaques, teils mit einzelnen oder multiplen, kleineren Bläschen und Pusteln sowie Schuppung und Rhagaden. Typischerweise kein Übergreifen auf beugeseitige Unterarme, keine Streuphänomene; häufig auch Befall anderer Prädilektionsstellen.

Psoriasis palmaris (trockene hyperkeratotische Form): scharf begrenzte (!), rote oder weiß-graue, schuppige, teils auch warzenartige raue, feste Plaques der Handflächen. Typischerweise kein Übergreifen auf beugeseitge Unterarme; keine Streuphänomene. Häufig auch Befall anderer Prädilektionsstellen!Cave! Man muss hiernach suchen!

Tinea manuum: meist feinlamellär schuppende, juckende, gering konsistenzvermehrte Plaques; auch dyshidrotische Bläschen oder flächige Hyperkeratosen sind möglich; ein positiver mykologischer Nachweis ist diagnosesichernd.

Skabies: vor allem die Interdigitalfalten der Hände sind mit stark juckenden Bläschen und Papeln befallen; Handflächen sind i.d.R. nur bei Säuglingen, Kleinkindern und alten Menschen mitbetroffen.

Palmo-plantares Syphilid: makulopapulöse Hautveränderungen, im Rahmen eines exanthematischen Syphilids auftretend; stets Hautveränderungen auch an anderen Hautpartien.

Artefakte: rote Flecken, Papeln und Plaques bis hin zu scharf begrenzten, überwiegend kreisrunden, krustig belegten Ulzera in artifizieller Gestalt und Anordnung; typischerweise in gut zugänglicher Lokalisation.

Morbus Bowen: solitäre, scharf begrenzte, superfiziell schuppende, z.T. krustös belegte, gelb-braune Plaque mit fokaler Knotenbildung.

Mycosis fungoides: scharf begrenzte, großflächige, rote, glatte, atrophische Plaques mit Tendenz zur Ulzeration.

Keratosis palmoplantaris: hereditäre oder symptomatische Verhornungsstörung in Form von Bezirken mit einer wachsartig verdickten und gelblich verfärbten Hornschicht der Handflächen und Fußsohlen.

Lichen planus (palmar): schlagartig auftretende, stark juckende, gerötete, polygonale, z.T. konfluierende, raue und glatte Papeln und Plaques sowie teilweise flächige, gelbliche Hyperkeratosen; meist im Rahmen eines exanthematischen Lichen planus auftretend; Diagnosestellung anhand extrapalmarer Hautveränderungen.

Therapie

Zahlreiche Therapieoptionen stehen zur Verfügung, dennoch ist die Therapie des chronischen Handekzems oft schwierig und unbefriedigend, sie ist komplex und erfordert ein multimodales Management. Beispielsweise ist die Relevanzbeurteilung nachgewiesener Typ IV-Sensibilisierungen sehr wichtig, da allergische Kontaktekzeme nur durch eine konsequente Meidung der auslösenden Stoffe zur Abheilung gebracht werden können.

Externe Therapie

Die Therapie orientiert sich an der Pathogenese und dem Schweregrad des chronischen Handekzems. Eine vollständige funktionelle Regeneration der epidermalen Barriere tritt erst im Verlauf von mehreren Wochen bzw. Monaten nach Abheilung eines chronischen Handekzems ein. Daher ist darauf zu achten, dass Betroffene eine ausreichend lange Karenz gegenüber hautirritierender Exposition einhalten.

Bei der Therapie des chronischen Handekzems sind die allgemeinen Therapieprinzipien der stadiengerechten Ekzemtherapie zu beachten. Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie sind das Erkennen und die Meidung ursächlicher exogener Faktoren (z.B. Allergene, Irritanzien).

Die Therapie des chronischen Handekzems verläuft nach einem Stufenkonzept:

  • Basistherapie: Konsequente Rückfettung der Haut mit möglichst konservierungs- und duftstofffreien Präparaten. Im akuten Stadium wird mit Umschlägen, Lotionen oder Cremes behandelt, im subakuten Stadium mit Salben und im chronischen Stadium mit Fettsalben.
  • Keratolytika: Salicylsäure (bis zu 20%, Hornschicht-lösende Wirkung insbesondere bei hyperkeratotisch-rhagadiformen Handekzemen) und Harnstoff (5-10%; Hornschicht-erweichende, glättende, penetrationsfördernde und wasserbindende Wirkung), insbesondere beim hyperkeratotisch-rhagadiformen Handekzem.Cave! Bei zu hoher oder falscher Dosierung, Okklusion oder gleichzeitigen irritativen Expositionen kann es zu Hautreizungen, Rötungen und Brennen kommen. Es ist auf eine möglicherweise penetrationsfördernde Wirkung zu achten. Ggf. gut vertragene Grundlage mit Zusatz von 2-10% Harnstoff anwenden (z.B. Basodexan Salbe/Fettcreme, Excipial U Lipolotio, Linola Urea Creme, Nubral Creme).
  • Glukokortikosteroide: Der gezielte und richtige Einsatz von Glukokortikosteroiden ist nach wie vor von zentraler Bedeutung für die antientzündliche topische Lokaltherapie. Die Potenz des eingesetzten Kortikosteroides und die Therapiedauer hängen von der Schwere des chronischen Handekzems und der Lokalisation ab. Immer Kombination mit rückfettender steroidfreier Lokaltherapie. Systemische Kortikosteroide nur in besonderen Fällen anwenden. Topische Kortikosteroide nicht über einen längeren Zeitraum einsetzen. Besser ist es, im akuten Schub ausreichend starke Kortikosteroide über einen kurzen Zeitraum einzusetzen und diese dann wieder entsprechend schnell ausschleichen. Bei Eintreten einer Befundverschlechterung ist die Möglichkeit einer Kontaktsensibilisierung auf das Kortikosteroid selbst oder Inhaltsstoffe des Topikums in Erwägung zu ziehen und mittels Epikutantestung diagnostisch abzuklären.Cave! Beim chronischen Handekzem sind die dermale Hautatrophie und die epidermale Barriereschädigung als unerwünschte Nebenwirkungen besonders bedeutsam. Dies kann die funktionelle Wiederherstellung der epidermalen Barriere und somit eine dauerhafte medizinische Rehabilitation erschweren. Glukokortikoide der Kategorie 2 mit möglichst hohem therapeutischen Index (TIX > 2) sind in der Therapie chronischer Handekzeme besonders zu empfehlen, da sie eine besonders günstige Ratio von erwünschter zu unerwünschter Wirkung zeigen. Ausgeprägte akut-inflammatorische Handekzemschübe können den kurzfristigen Einsatz höher potenterer Kortikosteroide mit einem geringeren TIX rechtfertigen. Ferner kann bei chronisch hyperkeratotisch-rhagadiformen Handekzemen die Behandlung mit einem hochpotenten Glukokortikoid wie Clobetasolpropionat indiziert und derjenigen mit Glukokortikoiden mit niedrigerer Potenz und höherem TIX überlegen sein, um bei diesen Ekzemformen die antiproliferative Wirkung auszunutzen, da per se von einer geringeren Wirkstoffpenetration ausgegangen werden kann.
  • Topische Calcineurin-Inhibitoren: insbesondere zur Behandlung eines atopischen Handekzems. Das Auftreten einer Hautatrophie mit weiterer Verminderung der Barrierefunktion kann verhindert werden.
  • Sonstige Lokaltherapeutika: Bei superinfizierten Ekzemen können antimikrobielle Substanzen eingesetzt werden (z.B. Clioquinol (Vioform), Chlorhexidin). Der Zusatz von teerhaltigen Präparaten (z.B. Liquor carbonis detergens, Ichthyol oder Tumenol) hat eine entzündungshemmende, juckreizstillende und antiproliferative Wirkung. Bei hyperkeratotisch-rhagadiformen und vesikulären Handekzemen bestehen klinische Erfahrungen zur Therapie mit Cignolin (Dithranol) (DD Psoriasis).
  • Leitungswasser-Iontophorese: Bei zusätzlich bestehender Hyperhidrose und bei dyshidrotischen Handekzemen anwenden.

Bestrahlungstherapie

Als Creme-PUVA-Therapie oder Bade-PUVA-Therapie initial 4mal/Woche anwenden. Erhaltungstherapie 2mal/Woche. Bei einer Langzeittherapie ist das potenzielle kanzerogene Risiko zu beachten.

Interne Therapie

Chronische schwere Handekzeme, die nicht ausreichend auf die lokaltherapeutischen Maßnahmen ansprechen, können die frühzeitige Einleitung einer systemischen Therapie erforderlich machen. Alitretinoin ist zur Therapie des chronischen Handekzems zugelassen und zeigte in klinischen Studien eine überzeugende Wirksamkeit. Ciclosporin sollte nur bei schweren, therapeutisch nicht beherrschbaren chronischen Handekzemen eingesetzt werden (Off-Label-Use).

Alitretinoin: Zugelassen für die Behandlung des chronischen schweren Handekzems, das nicht oder nicht ausreichend auf die Behandlung mit potenten topischen Kortikosteroiden anspricht. Alitretinoin ist ein Agonist beider Vitamin-A-Säure-Rezeptoren und wirkt primär immunmodulatorisch und antientzündlich (im Gegensatz zu Retinoiden kaum austrocknend). In einer Phase-III-Studie, der sogenannten BACH-Studie (Benefit of Alitretioin in Chronic Hand Eczema) konnte gezeigt werden, dass sich der Symptomscore des chronischen Handekzems unter Alitretinoin 30 mg um 75% nach 24 Wochen Therapie verbesserte. Jeder zweite Patient erreichte unter der 30 mg-Dosierung eine vollständige bzw. fast vollständige Abheilung. 65% blieben in der 6-monatigen Nachbeobachtungsphase rezidivfrei. Von den Patienten, die wieder behandelt werden mussten, heilten 80% unter Alitretinoin 30 mg erneut vollständig ab, so dass Alitretinoin auch für das Langzeitmanagement des chronischen Handekzems eingesetzt werden kann. Die empfohlene Standarddosierung von Alitretinoin ist 30 mg/Tag p.o.; bei Patienten mit nicht ausreichend eingestellter Fettstoffwechselstörung sollte die Therapie mit 1mal/Tag 10 mg begonnen werden. Die Therapie sollte über 12-24 Wochen bzw. bis zur Abheilung durchgeführt werden. Studien zeigten, dass eine Weiterführung der Therapie eine zusätzliche Besserung bringen kann. Alitretinoin wurde insgesamt gut vertragen, Kopfschmerzen, die insbesondere innerhalb der ersten 10 Tage nach Therapiebeginn auftraten und vorübergehend waren, sind die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung (bei ca. 20 % der Patienten). Wie alle Vitamin-A-Säure-Derivate ist Alitretinoin teratogen. Daher ist bei Frauen im gebärfähigen Alter ein Schwangerschaftspräventionsprogramm durchzuführen (analog Isotretinoin), das einen Monat vor, während und bis zu einem Monat nach Absetzen eine ausführliche Aufklärung, sichere Kontrazeption und regelmäßige ärztlich überwachte Schwangerschaftstests umfasst.

Glukokortikoide, systemische: Zur Behandlung eines chronischen Handekzems aufgrund des Nebenwirkungsprofils und fehlender klinischer Studien zur Wirksamkeit nicht geeignet.

Ciclosporin A: nur bei schweren, therapeutisch nicht beherrschbaren chronischen Handekzemen anwenden ( Off-Label-Use). Therapie über maximal 6 Monate in der niedrigsten therapeutisch wirksamen Dosis mit anschließender Dosisreduktion über einen Zeitraum von ca. 3 Monaten. Bei einigen Patienten ist eine 6-monatige Therapie allerdings nicht ausreichend, um einen anhaltenden klinischen Erfolg zu erreichen. Bei gutem Ansprechen kann die Therapie früher beendet werden. Ist kein Ansprechen innerhalb von 8 Wochen zu verzeichnen, wird empfohlen, die Ciclosporingabe zu beenden.

Weitere Therapiemaßnahmen: Für weitere, im Einzelfall eingesetzte Therapiemaßnahmen ( Off-Label-Use) wie Methotrexat, Azathioprin u.a. fehlen randomisierte klinische Studien. Eine symptombezogene Begleitmedikation (z.B. Antihistaminika, Antibiotika) kann im Einzelfall hilfreich sein. Insbesondere bei chronischen schweren Handekzemen können begleitende psychotherapeutische Maßnahmen sinnvoll sein.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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  7. Ruzicka T et al. (2009) Efficacy and safety of oral alitretinoin (9-cis retinoic acid) in patients with severe chronic hand eczema refractory to topical corticosteroids: results of a randomized, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial. Br J Dermatol 158: 808-817
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Zuletzt aktualisiert am: 27.11.2019