Druckurtikaria L50.4

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 26.11.2019

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Synonym(e)

Delayed pressure urticaria; Druckurticaria; Druckurtikaria; Druckurtikaria vom verzögerten Typ; Pressure urticaria; Urticaria factitia tarda; Urticaria factitia vom verzögerten Typ; Urticaria mechanica; Verzögerte Druckurtikaria

Definition

Durch Druckmechanismen ausgelöstes polyätiologisches Krankheitsbild. Eine Druckurtikaria kann residual nach einer akuten Urtikaria auftreten, eine akute oder chronische Urtikaria begleiten oder ohne Vorläuferstadium mit einer Verzögerungsphase von 4-8 Std. (delayed pressure urticaria) nach Belastung der Haut mit Gewichten, z.B. nach Stehen, Laufen, Sitzen auf harter Unterlage, Vibration auftreten.

S.a.u. Urticaria factitia; s.a.u. Urtikaria, physikalische.

Vorkommen/Epidemiologie

Selten, als isolierte Form bei 1% aller Urtikariaformen. Häufig assoziiert mit chronischer Urtikaria.

Ätiopathogenese

Die Kenntnisse über Pathophyiologie der Druckurtikaria sind derzeit noch lückenhaft. Sowohl in befallenen wie auch in nicht befallenem Gewebe wurden erhöhte Konzentration an TNF-alpha gefunden. Weiterhin sind andere proinflammatorische Zytokine wie IL-3 und Il-6 beteiligt. Die Expression von Adhäsionsmolekülen in den Gefäßwänden ist erhöht. Es kommt zu Ablagerungen von ECP (eosinophilic cationic protein) und MBP (major basic protein) sowie neutrophiler Elastase im Gewebe.

Manifestation

f:m=1:1;  Beginn um das 30. Lebensjahr (Durchschnittl: 40 Jahre). Jahrelanger Verlauf.

Lokalisation

An der Stelle der Krafteinwirkung: Handflächen, Fußsohlen, Gesäß, Rücken, Schultern

Klinisches Bild

4-8 Std. nach Einwirken des traumatischen Reizes, Ausbildung einer tief liegenden Rötung und Schwellung im belasteten Areal, begleitet von schmerzhaften oder brennenden, seltener juckenden Beschwerden. Selten ist die Ausbildung von Blasen nach Einwirkung des Traumas (Bullöse Druckurtikara vom verzögerten Typ). Bei verzögerter Druckurtikaria können die Schwelllungen bis zu 2 Tage bestehen bleiben. 

Häufig urtikarieller Dermographismus. Die Reaktion erreicht nach Stunden ihr Maximum und hält länger als 1 Tag an.

Nicht selten begleitende Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, Fieber, Myalgien, Arthralgien, Gelenkerguss, Kopfschmerzen, Übelkeit.

Labor

Bei der verzögerten Druckurtikaria können Systemzeichen wie: BSG-Beschleunigungen, CRP-und IL-6-Erhöhungen, Leukozytose (Relevanz?) auftreten.

Histologie

Ödem der tiefen Dermis und Subkutis. Unterschiedlich dichtes, interstitielles und periadnexielles Infiltrat aus eosinophilen und neutrophilen Leukozyten, T-Lymphozyten und Monozyten. Nachweis von proinflammatorischen Zytokinen wie TNF-alpha, IL-3, IL-6 sowie Expression von Adhäsionsmolekülen (VCAM-1, ICAM-1) in den Gefäßwänden.

Diagnose

Drucktest (Gewichtbelastung der Haut mit 500, 1000 und 1500 g/cm2 für 10-30 Min. Ablesung: Sofort, nach 30 Min. sowie nach 4, 6, 8 und 24 Std.).

Therapie

Soweit möglich Meiden auslösender Mechanismen (z.B. Tragen von Einlegesohlen aus Schaumstoffen oder Silikonen oder von Entlastungsschuhen). Im täglichen Leben (v.a. im Arbeitsleben) sind Triggerfaktoren häufig nicht vermeidbar. In Einzelfällen kann eine schwere Druckurtikaria zu Arbeits- und Berufsunfähigkeit führen.

Eine wirksame Therapie besteht in der Gabe systemischer Glukokortikoide wie Prednisolon (z.B. Decortin H). Initial 50-80 mg/Tag p.o., möglichst niedrige Erhaltungsdosis anstreben. Viele Patienten kommen mit sehr niedrigen Dosierungen (2,0-5,0 mg Prednisolon/Tag) aus. Problem: NW bei Dauertherapie!

Alternativ: Therapieansatz mit DADPS (50-100 mg/Tag p.o.) sollte ggf. überlappend mit einer Glukokortikoidtherapie frühzeitig initiiert werden. Eigene Ergebnisse hierzu sind positiv.

Alternativ: Positive Fallstudien mit Leukotrienantagonisten ( Montelukast) existieren in der Literatur (eigene Erfahrungen sind negativ).

Alternativ: Erfolgreich beschrieben wurde in Einzelfällen die Therapie mit TNF-alpha-Blockern ( Infliximab; Dosierungs-Schema wie bei Psoriasistherapie) sowie IVIG (Cave! Kosten).

Alternativ: Sulfasalazin als kostengünstiger Ansatz

Alternativ: Omalizumab. Der positive Effekt wurde in kleineren Studien beschrieben (Müller S et al. 2014)

Antihistaminika (nicht sedierende H1-Blocker) sind i.d.R. wenig wirksam und sollten höchstens additiv und dann hochdosiert gegeben werden.

Begleitend können roborierende Maßnahmen wie wechselwarme Bäder und Saunagänge durchgeführt werden. S.a.u. Urtikaria.

Verlauf/Prognose

Die verzögerte Druckurtikaria ist äußerst therapieresistent. Bei schweren Verlaufsformen ist der Einsatz von Omalizumab angezeigt.

Literatur
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  1. Cap JP et al. (1985) Die Wirkung von Ketotifen bei der Urticaria factitia und der Urticaria cholinergica im gekreuzten Doppelblindversuch. Hautarzt 36: 509-511
  2. Debus D et al. (2007) Erfolgreicher Einsatz von Infliximab bei therapieresistenter verzögerter Druckurtikaria. Allergo J 16: 507-511
  3. Fleischer M, Grabbe J (2004) Physikalische Urtikaria. Hautarzt 55: 344-349
  4. Kasperska-Zajac A et al. (2013)  Markers of systemic inflammation in delayed pressure urticaria. Int J Dermatol 52:309-310
  5. Kontou-Fili K et al. (1997) Physical urticaria:classification and diagnostic guidelines. Allergy 552: 504-513
  6. Müller S et al. (2014) Bullous delayed pressure urticaria responding to omalizumab. Allergo J Int 23:237
  7. Rodríguez-Rodríguez M et al. (2014) Successful treatment of severe delayed pressure angio-oedema with omalizumab. Allergol Immunopathol (Madr) 42:78-80
  8. Swerlick RA et al. (2015) Delayed pressure urticaria: response to treatment with sulfasalazine in a case series of seventeen patients. Dermatol Ther 28:318-322

 

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