Retinoide

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 26.08.2019

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Synonym(e)

Retinoid

Definition

Retinoide sind chemische Substanzen, die mit dem Vitamin A verwandt sind. Die Substanzgruppe wird in der Dermatologie sowohl zur örtlichen (Creme/Salbe/Gel) als auch zur systemischen Therapie genutzt.

Am häufigsten kommen Retinoide in der Behandlung einer schweren Akne oder bei verschiedenen Formen der Psoriasis zum Einsatz. Auch in der Behandlung oder Vorbeugung von bestimmten Tumorerkrankungen der Haut werden Retinoide eingesetzt. Dabei steht die Therapie fortgeschrittener Stadien des kutanen T-Zell-Lymphoms  im Vordergrund.

 

Pharmakodynamik (Wirkung)

Der genaue Wirkmechanismus der Retinoide ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Diskutiert wird die Aktivierung selektiver Retinoid-X-Rezeptoren (RXRs) bzw. RAR (Retiniod-Acid-Rezeptor), die eine Bedeutung im Zellstoffwechsel (Vitamin D3, Thyreoidea-Hormon-Rezeptor, proliferationsaktivierender Rezeptor in Peroxysomen) haben. Die durch das Retinoid aktivierten Retinoidrezeptoren formen Homo- bzw. Heterodimere, die an spezifische DNA-Sequenzen binden und als Transkriptionsfaktoren für Gene fungieren. RAR reguliert Zellwachstum und -differenzierung, RXR die Apoptose.

  • Retinoide wirken auf:
  • Zellteilung (antiproliferativ)
  • Stabilität der lysosomalen Membranen
  • Integrität von Zellmembranen
  • Arachidonsäuremetabolisierung
  • RNS-Synthese
  • Proteinsynthese
  • Glykosidierung von Proteinen.

Indikation

Die Indikationen für systemische Retinoide sind abhängig von den Präparaten unterschiedlich, s. Tab. 1. Hinzu kommt für das Präparat Bexaroten die Indikation "kutane T-Zell-Lymphome".

Zugelassene Wirkstoffe sind:

Unerwünschte Wirkungen

S. Tabelle 2.

Wechselwirkungen

S. Tabelle 3.

Kontraindikation

Schwangerschaft, Stillzeit, Blutspende, Leberfunktionsstörungen, vorbestehende Fettstoffwechselstörungen, Kontaktlinsenträger, manifester Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Überempfindlichkeit gegen das Präp., Kombination mit Vitamin A oder anderen Retinoiden, Tetracyclinen, Methotrexat. S.u. Acitretin, Isotretinoin, Tazarotene, Tretinoin.

Präparate

Aknenormin, Isoderm, Isotrex, Isotrexin (Kombination mit Erythromycin), Neotigason, Bexaroten, Zorac, Isotretinoin,Tazarotene

Hinweis(e)

Das Risiko PUVA-behandelter Psoriatiker an einem spinozellulären Plattenepithelkarzinom zu erkranken ist bei gleichzeitiger Einnahme von Retinoiden vermindert!

Merke! Aufgrund der ausgeprägten Teratogenität sind Retinoide zur Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter nicht zugelassen. Die zivil- und strafrechtlichen Folgen liegen ausschließlich beim verordnenden Arzt. Prinzipiell muss bei Frauen im gebärfähigen Alter vor Einleitung der Therapie ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen und bereits 4 Wochen vor Therapieeinleitung eine effektive Kontrazeption betrieben werden. Unter der Therapie müssen regelmäßig Schwangerschaftstests durchgeführt werden. Bis 12 Wochen nach Beendigung einer Therapie mit Isotretinoin (z.B. Isotretinoin-ratiopharm; Aknenormin) und 2 Jahre nach Acitretin (Neotigason) muss eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Die Patienten dürfen unter der Therapie mit Retinoiden kein Blut spenden!

Cave! Der Empfängisschutz durch orale Kontrazeptiva ist beeinträchtigt!

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Boisnic S et al. (2002) Topical retinaldehyde treatment in oral lichen planus and leukoplakia. Int J Tissue React 24: 123-30.
  2. Duvic M et al. (2003) Analysis of long-term outcomes of combined modality therapy for cutaneous T-cell lymphoma. J Am Acad Dermatol 49: 35-49
  3. Jones PH et al. (2003) A phase 1 study of tazarotene in adults with advanced cancer. Br J Cancer 89: 808-815
  4. Nijsten TE, Stern RS (2003) Oral retinoid use reduces cutaneous squamous cell carcinoma risk in patients with psoriasis treated with psoralen-UVA: a nested cohort study. J Am Acad Dermatol 49: 644-650
  5. Xu D et al. (2016)  Binding characterization, synthesis and biological evaluation of RXRα antagonists targeting the coactivator binding site. Bioorg Med Chem Lett 26:3846-3849.
     

Tabellen

Indikationen für systemische Retinoide

Indikation

Isotretinoin

Acitretin

Keratinisierungsstörungen

Acne conglobata

++++

++

Acne fulminans

++++

++

M. Darier

+++

+++

Ichthyosis vulgaris

+

++

Palmo-Plantarkeratosen

+

+

Disseminierte aktinische Porokeratose

++

Entzündliche Dermatosen

Psoriasis vulgaris

+

++

Psoriasis pustulosa

+++

Psoriatische Erythrodermie

+++

Subkorneale Pustulose

++

Lichen planus

++


Nebenwirkungen von Retinoiden (modifiziert, aus Rote Liste)

Organsystem

Unerwünschte Nebenwirkungen (UAW)

Atemwege

Trockenheit der Nasenschleimhaut, Nasenbluten, Heiserkeit, trockene Rachenschleimhaut

Augen

Augenbindehautreizung, -entzündung, passagere Hornhauttrübungen (selten), Linsentrübungen, Hornhautentzündungen

Erhöhte Verletzlichkeit der Hornhaut, Hornhautgeschwüre (selten)

Sehstörungen (Verminderung des Nachtsehens (Isotretinoin), vorübergehende Verminderung der Sehschärfe, Verschlechterung des Hell/Dunkel-Sehens, verminderte Blendempfindlichkeit)

Blut

Thrombozytopenie, Anämie, Thrombozytose, Neutropenie, BSG ↑, Leukopenie

Gefäße

Vaskulitis, Auslösung einer Wegenerschen Granulomatose

GIT

Trockenheit der Lippen oder Mundschleimhaut, Cheilitis

Gastrointestinale Störungen (Bauchschmerzen, Durchfälle, Darmblutungen), Absetzen bei Auftreten von Kolitis/Ileitis (Isotretinoin)

Übelkeit, Erbrechen, Magen-Darm-Geschwüre

Leberfunktionsstörungen, Hepatitis (Einzelfälle)

Haut

Vermehrte Gewebsbildung (Granulationsgewebe)

Hautabschuppung, Hautrötung, Hautverdünnung mit erhöhter Verletzlichkeit

Hautabschälung an Handflächen und Fußsohlen, Rhagadenbildung

Gefühl der "brennenden" bzw. "klebrigen" Haut, Juckreiz, Hautreizungen im Gesicht, Schwitzen

Nagelwallentzündung, Nageldystrophie

Veränderung der Haarwachstumsgeschwindigkeit, Pigmentverschiebung von Haut und Haaren, Haarausfall

Erhöhte Lichtempfindlichkeit der heilenden Haut, Verstärkung der Krankheitszeichen bei Behandlungsbeginn

Exantheme, Ekzem, Urtikaria, Purpura, Blasenbildung, Geschwüre der Haut, Staphylococcus aureus-Infektionen

Nervensystem

Erhöhung des Schädelinnendrucks, Pseudotumor cerebri (selten), Kopfschmerz

Ohren

Hörstörungen

Stoffwechsel, Endokrinum

Blutfettwerte ↑, HDL-Cholesterin ↓, Blutzucker ↑ (Zusammenhang fraglich), Diabetes bzw. Verschlechterung eines Diabetes, Durst, Frieren, Kreatinphosphokinase ↑, Prolaktin- und Harnsäurewerte ↑, Gynäkomastie, Ödeme

Stützapparat

Muskel- und Gelenkschmerzen, Knochenveränderungen, Skeletthyperostosen, vorzeitiger Schluss der Knochenwachstumsfugen (selten), Knochenschmerzen, Weichteilverkalkungen, funktionelle Bewegungseinschränkungen

Urogenitaltrakt

Unspezifische Urethritiden und Vulvitiden, Menstruationsstörungen, Hämaturie, Proteinurie

ZNS

Depressionen, Verhaltensstörungen, Krampfanfälle


Wesentliche Wechselwirkungen von Retinoiden

Carbamazepin

Carbamazepin-Bioverfügbarkeit ↓

Kontrazeptiva, orale

Empfängnisschutz ↓

Phenytoin

Phenytoin-Spiegel ↑

Tetracycline

Intrakranielle Drucksteigerung, Kombination kontraindiziert

Vitamin A

Vitamin A-Toxizität ↑, Kombination kontraindiziert

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