Zosterneuralgie B02.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Dr. med. Katja König

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Zuletzt aktualisiert am: 25.01.2023

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Synonym(e)

Postherpetic neuralgia; Postherpetic Neuralgia; Postherpetische Neuralgie; Postzosterische Neuralgie; Postzosterneualgie; Post-Zoster-Neuralgie; Zosterschmerz

Definition

Nach einer Herpes zoster und häufig über den Zeitraum der eigentlichen Hautveränderungen hinaus persistierende, oft unerträgliche, segmentale Schmerzen mit typischem, einschießende Charakter, die auch als sogenannte postzosterische oder postherpetische Neuralgien (PHN) bezeichnet werden.

Bei der postzosterischen Neuralgie handelt es sich um ein neuropathisches Schmerzsyndrom, das länger als 4 Wochen besteht und erst 3 Monate (>90 Tage) nach den typischen Hautveränderungen, nach einem schmerzfreien Intervall auftritt. Die postzosterischen Neuralgie kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Etwa 10-30% aller >50-Jährigen erkranken an dieser Zosterkomplikation. Die Schmerzen werden unterschiedlich wahrgenommen als:

  • ständig persistierend
  • unregelmäßig rezididivierend
  • blitzartig einschießend (wie bei leichten Stromkontakten)
  • allodynisch bei der leisesten Berührung auftretend.  

Ätiopathogenese

Verschiedene Forschungsresultate weisen daraufhin, dass Reorganisationsprozesse im Hinterhorn und eine periphere Nervenschädigung durch Demyelinisierung afferenter sensorischer Fasern sowie Small-fiber-Degeneration ursächlich für die Entstehung der PZN sind (Fields HL et al. 1998).  

Manifestation

Bei 9 -14% aller Zoster-Patienten sowie bei 50% der Patienten mit Zoster über 60 Jahre auftretend. Bei Frauen und bei Patienten mit Zoster ophthalmicus scheint die postzosterische Neuralgie (PZN) häufiger aufzutreten. Abwehrschwäche scheint kein Risiko für die PZN zu sein.

 

Histologie

Entzündliche Nekrose des Spinalganglions, der motorischen und sensorischen Rückenmarksanteile, begleitet von Neuritis und Myelitis.

Therapie

Kausale Therapie des Herpes zoster!

Leichte bis mäßige Schmerzen:

  • Paracetamol (z.B. Ben-u-ron Tbl./Supp.) 4-6mal/Tag 500-1000 mg p.o.

Starke Schmerzen, Postzoster-Neuralgie:

  • Carbamazepin (z.B. Tegretal Tbl.) initial 2mal/Tag 100-200 mg p.o., Steigerung alle 5 Tage um 200 mg, bei Dosis > 800 mg/Tag, Verteilung auf 4 ED; Erhaltungsdosis 800-1600 mg/Tag. Cave! Kontrolle von Carbamazepin-Wirkspiegeln im Serum (Normwert: 4-12 mg/l), BB, Transaminasen, Kreatinin alle 5 Tage. Bei Überdosierung extrapyramidal-motorische Störungen.
  • Alternativ: Gabapentin (= Antikonvulsivum; z.B. Gabapentin® STADA) initial 1mal/Tag 300 mg, Steigerung auf 3mal/Tag 300 mg p.o.; weitere Dosiserhöhung ,wenn erforderlich, bei intakter Nierenfunktion (Kontrolle der Nierenparameter!), um jeweils 300 mg/Tag bis zu einer Höchstdosis von 3600 mg/Tag in 3 ED.
  • Alternativ: Pregabalin (Lyrica® ) initial 1mal/Tag 150mg, steigerung nach 7 Tagen auf 300mg/Tag, Nach 7 weiern Tagen aknn auf die Höchstdosis von 600mg/Tag gesteigert werden. Bei Patienten in fortgeschrirttenem Alter Beginn mit 75mg/Tag und wöchentlicher Steigerung um 75mg.  
  • Alternativ: Valaciclovir in Kombination mit Gabapentin (Valciclovir 1mal/Tag 1000mg; Gabapentin initial 300mg 1mal/Tag-Steigerung bis auf 3600mg/Tag. In einer größeren Studie an 133 Pat. konnten gegenüber historischen Kollektiven deutliche Vorteile hinsichtlich der Schmerzproblematik erzielt werden (Lapolla et al. 2011). 

Ischämieschmerz:

  • Zunächst bei Belastung, später ggf. auch in Ruhe auftretender Schmerz infolge mangelnder Durchblutung mit krampfartigen Schmerzen bei Belastung; rasche Besserung bei Entlastung (z.B. Stehenbleiben).

Brennender Ruheschmerz:

  • Einsatz von Opioiden wie Tramadol (z.B. Tramal®) 2-3mal/Tag 100-300 mg p.o. oder Antidepressiva wie Amitriptylin (z.B. Saroten) in aufsteigender Dosierung mit 10 mg/Tag (Woche 1), 25 mg/Tag (Woche 2), 50 mg/Tag (Woche 3), danach weiter nach Wirkung und Nebenwirkung.

Akute Postzoster-Neuralgie oder Erkrankungsdauer > 3 Monate:

  • Amitriptylin (z.B. Saroten) oder Nortriptylin (z.B. Nortrilen®) in aufsteigender Dosierung mit 10 mg/Tag abends (Woche 1), 3mal/Tag 10 mg oder 25 mg/Tag abends (Woche 2), 3mal/Tag 25 mg oder 50 mg/Tag abends (Woche 3 u. 4), ab Woche 5 Dosierung nach Wirkung und Nebenwirkung.
  • Alternativ: Doxepin (z.B. Aponal®) 3mal/Tag 10-50 mg, Imipramin (z.B. Tofranil®) 3mal/Tag 10-50 mg. Die zusätzliche Gabe von 40-80 mg Prednisolon (p.o oder i.v.) hat günstige Wirkung auf den Akutschmerz, jedoch keine auf die Entwicklung chronischer Schmerzen.

Bei neuralgiformen Schmerzen:

  • Carbamazepin (z.B. Tegretal®) in ansteigender Dosierung, Beginn mit 1-2mal/Tag 200 mg, Steigerung alle 5 Tage um 200 mg. Über 800 mg Verteilung auf 3-4 ED, Erhaltungsdosis 800-1600 mg/Tag, angestrebter Serumspiegel 5-10 g/l.
  • Alternativ: Baclofen (z.B. Lioresal®) 3mal/Tag 5-10 mg, Steigerung alle 3 Tage um 5-10 mg, Erhaltungsdosis 60 mg/Tag in 3-6 ED.
  • Bei unzureichender Wirkung: Ibuprofen retard 3mal/Tag 800 mg. Alternativ: Metamizol (z.B. Novalgin®) 4000 mg/Tag, Acetylsalicylsäure 4000 mg/Tag, Paracetamol 4000 mg/Tag. Ultima ratio: Morphintest und entsprechende Einstellung.

Sympathikusblockaden:

  • Ganglion cervicale superius (Befall des 1.-2. Trigeminusastes): 0,03 mg Buprenorphin auf 2 ml 0,9% NaCl-Lsg.; 10 Blockaden jeden 2. Tag.
  • Stellatum Blockade (Befall des 3. Trigeminusastes-Th4): 5-10 ml eines Lokalanästhetikums wie 0,5% Bupivacain oder 0,03 mg Buprenorphin auf 5 ml 0,9% NaCl-Lsg.; 10 Blockaden jeden 2. Tag.
  • Epiduralkatheter (Befall Th5-L5): 5-10 ml 0,25% Bupivacain, max. 2 Wochen.
  • Alternativen: Plexus Katheter, Paravertebralblockade, Grenzstrangblockade.

Begleittherapie: Akupunktur, Kryo-Analgesie, Schmerzbewältigungstraining, Hypnose.

Neuraltherapie: Infiltration des schmerzhaften Areals mit Lokalanästhetikum, z.B. Lidocain, führt zum sofortigen Verschwinden der Schmerzen, über Stunden anhaltend; nach mehrfacher Wiederholung dauerhafter Effekt

Chinesische Phytotherapie: Rezeptur Huoluo xiaoling dan ("Pille zum Durchgängigmachen der Netzleitbahnen") und/oder Rezeptur  Longdan xiegan tang ("Gentiana-Dekokt"), jeweils über mehrere Wochen geben

Externe Therapie

Begleitend:

0,075% Capsaicin-Salbe (z.B. Dolenon®, Capsamol®). 5x täglich für 2 Wochen, danach bei Bedarf.

5% Lidocain-Pflaster (12h Behandlungspause)

Verlauf/Prognose

Durchschnittliche Dauer 6 Monate, bei 5–10% bis zu 10 Jahre. Zusammenarbeit mit den Anästhesisten.

Prophylaxe

Mit dem adjuvantierten Totimpfstoff Shingrix® steht seit 2018 ein Therapeutikum mit hoher Wirksamkeit zur Verfügung, der einen  langanhaltenden Schutz vor Zoster und  Zosterneuralgie bietet. Das Präparat wurde in einem Phase-III-Studienprogamm weltweit bei 38.000 Patienten eingesetzt. Die Zulassung bezieht sich auf Patienten >50 Jahre (EMA, wobei die STIKO sich dieser Empfehlung noch nicht angeschlossen hat und weiter ab > 60 Jahren empfiehlt). Er sollte bei der Zosterinfektion möglichst frühzeitig eingesetzt werden. Die intramuskulären Injektionen werden 2x im Abstand von 2 (ggfl. 6) Monaten appliziert.  

Hinweis(e)

Eine zusätzliche hochdosierte Gabe von Glukokortikoiden verkürzt die Phase des akuten Zoster-Schmerzes. Bzgl. der postzosterischen Neuralgie scheint die steroidale Therapie keinen positiven Effekt zu erbringen. 

In einer Meta-Analyse wurden Pregabalin und Gabapentin mteinander verglichen (14 randomisierte kontrollierte Studien mit 3.545 Patienten: 926 unter Pregabalin, 1.256 unter Gabapentin und 1.363 unter Placebo). Beide Substanzen verbesserten die Schmerz-Scores auf der 11 Punkte umfassenden numerischen Rating-Skala. Allerdings reduzierte Pregabalin die Schmerzen im Mittel um 1,65 Punkte mehr als Gabapentin. Auch bei Schlafstörungen schnitt Pregabalin besser ab. Pregabalin erhöhte jedoch das Risiko für unerwünschte Wirkungen wie Gewichtszunahme, Müdigkeit und Schwindel im Vergleich zu Placebo signifikant, wohingegen bei Gabapentin dies nicht nachweisbar war (Cao X et al. 2022). 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Arnold LM et al. (2017) Dose-response of pregabalin for diabetic peripheral neuropathy, postherpetic neuralgia, and fibromyalgia. Postgrad Med 129: 921-933.
  2. Avijgan M et al.(2017) Postherpetic Neuralgia: Practical Experiences Return to Traditional Chinese
  3. Medicine.J Acupunct Meridian Stud 10:157-164.
  4. Cao X et al. (2022): A Meta-analysis of Randomized Controlled Trials Comparing the Efficacy and Safety of Pregabalin and Gabapentin in the Treatment of Postherpetic Neuralgia. Pain Therapy DOI: 10.1007/s40122-022-00451-4.
  5. Chen CJ et al. (2003) Acupuncture, electrostimulation, and reflex therapy in dermatology. Dermatol Ther 16: 87-92
  6. Dworkin RH et al. (2003) Treatment and prevention of postherpetic neuralgia. Clin Infect Dis 36: 877-882
  7. Fields HL et al. (1998) Postherpetic neuralgia: irritable nociceptors and deafferentation. Neurobiol Dis 5:209-227.
  8. Forbes HJ et al. (2016) A systematic review and meta-analysis of risk factors for postherpetic neuralgia. Pain 157:30-54.
  9. Gilron I et al. (2005) Morphine, gabapentin, or their combination for neuropathic pain. N Engl J Med 352: 1324-1334
  10. Harden RN (2005) Chronic neuropathic pain. Mechanisms, diagnosis, and treatment. Neurologist 11: 111-122
  11. Lapolla W et al. (2011) Incidence of postherpetic neuralgia after combination treatment with gabapentin and valacyclovir in patients with acute herpes zoster: open-label study. Arch Dermatol 147:901-907.
  12. Singh D et al. (2003) The use of gabapentin for the treatment of postherpetic neuralgia. Clin Ther 25: 852-859
  13. Weinberg JM et al. (2003) Cutaneous infections in the elderly: diagnosis and management. Dermatol Ther 16: 195-205
  14. Zenz M (1995) Taschenbuch der Schmerztherapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart
  15. Müller CSI et al (2021) Herpes-zoster-Update-was gibt es Neues? Akt Dermatol 47: 498-509
  16. Hui F et al. (2012) A randomized controlled trial of a multifaceted integrated complementary-alternative therapy for chronic herpes zoster-related pain. Altern Med Rev. 17:57-68

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