Rheumatisches Fieber I00.x1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 24.07.2023

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Synonym(e)

Acute rheumatic fever; Fieber rheumatisches; Morbus rheumaticus; RF; Rheumatismus verus

Definition

In den Industrieländern selten gewordene, immunologisch ausgelöste fieberhafte Nachfolgekrankheit bei einer Angina Tonsillaris mit ß-hämolysierenden Streptokokken oder einer Streptokokken-Pharyngitis.

Vorkommen/Epidemiologie

In den Entwicklungsländer: Häufigste Ursache für eine Herzerkrankung im Kindesalter. In den Industrieländern selten. 

Ätiopathogenese

Diskutiert wird eine Autoimmunreaktion, die als Folgeerkrankung etwa 2-3 Wochen nach einer Infektion des Rachenraums auftritt und zu einer exsudativen Entzündungsreaktion an Herz, Gelenken und Haut führt. Verantwortlich sind dabei Toxine der beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A, die beim Organismus zur Bildung von Autoantikörpern gegen myo- und endokardiale Strukturen führen (molekulare Mimikry).

Manifestation

Überwiegend (jedoch nicht ausschließlich) auf das Kindesalter beschränkt (Erkrankungsalter zwischen dem 3. und 16. LJ).

Klinisches Bild

  • Hauptsymptome: Karditis, Polyarthritis (migratorische), Chorea minor (Sydenham), Erythema anulare rheumaticum (Erythema marginatum rheumaticum), und subkutane Knoten (Rheumatische Knötchen). SPECK: S=Subkutane Knoten, P=Polyarthritis, E=Erythema anulare, C=Chorea, K=Karditis
    Nebenkriterien: Fieber, Arthralgien, BSG/Leukozyten erhöht, verlängerte PQ- oder PR-Zeit
  • Bei weniger als 5% der Patienten bilden sich an Knie und Ellenbogen (nicht-anuläre) urtikarielle Läsionen und erythematöse Papeln, die sich innerhalb weniger Wochen wieder zurückbilden (Erythema papulatum - Cockayne 1912).    
  • Sonstiges: Myokarditis (bei Säuglingen), Pankarditis (bei Kleinkindern), Periendokarditis (bei Schulkindern). Ausbildung einer Mitralstenose oder Aorteninsuffizienz ist möglich. Gelegentlich Nierenbeteiligung (Glomerulonephritis).

Die Diagnose "Rheumatisches Fieber" ist sehr wahrscheinlich, wenn 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien bei gesichertem, vorausgegangenem Streptokokkeninfekt erfüllt sind. Die Oligo- oder Polyarthritis des rheumatischen Fiebers wird praktisch nie chronisch, d.h. es gibt keine "sekundäre chronische Polyarthritis".

Labor

Der Antistreptolysintiter ist erhöht.

Therapie allgemein

Bettruhe, insbes. bei Herzbeteiligung. Fokussanierung von Streptokokken-besiedelten Herden im Nasenrachenraum (z.B. Tonsillektomie).

Interne Therapie

Behandlung der Streptokokkeninfektion mit Penicillin G i.v. (z.B. Penicillin Grünenthal) 3-5 Mio. IE über 10 Tage. Bei Penicillin-Allergie: alternativ Erythromycin anwenden oder Antibiose nach Antibiogramm.

Bei schwerer Symptomatik mit Arthritiden und Karditis zusätzlich Glukokortikoide wie Prednison (z.B. Decortin) 60-100 mg/Tag, schrittweise Dosisreduktion über einige Wochen, Erhaltungsdosis nach Klinik. Zudem kann antiphlogistische Behandlung mit Acetylsalicylsäure (z.B. ASS Tbl.) in hohen Dosen von 3mal/Tag 500-1000 mg eingesetzt werden (in leichteren Fällen ist auch Behandlung mit Acetylsalicylsäure allein möglich). Bei starken Schmerzen Etofenamat 1 g tief i.m. als ED.

Kontinuierliche Chemoprophylaxe ist obligatorisch: 2-4mal/Tag 0,25 Mio. IE Penicillin V (z.B. Megacillin Filmtbl.) bei rheumatischem Fieber in der Kindheit bis zum 25. Lebensjahr, bei Erkrankung nach dem 15. Lebensjahr über 5-10 Jahre. Anschließend nur zwischenzeitliche Antibiose bei operativen Eingriffen.

Verlauf/Prognose

Rezidive sind häufig und erhöhen das Risiko für die Entwicklung eines Herzklappenfehlers

Die Herzbeteiligung stellt den entscheidenden prognostischen Faktor dar

Rheumatische Chorea: Heilt bei entsprechender Therapie in 90% der Fälle innerhalb von ca. 10 Wochen aus

Residuen (z.B. Bewegungsunruhe) können bleiben, Rezidive sind sogar trotz Prophylaxe möglich

Prophylaxe

Antibiotikagabe (z.B. Penicillin V) nach positivem Streptokokkenschnelltest (z.B. bei Angina tonsillaris)

Antibiotische Reinfektionsprophylaxe

Dauer der Antibiotikaprophylaxe:

  • Rheumatisches Fieber ohne Karditis: I.d.R. bis zum 21. LJ, mindestens aber für 5 Jahre
  • Rheumatisches Fieber mit Karditis: I.d.R. bis zum 21. LJ, mindestens aber für 10 Jahre
  • Rheumatisches Fieber mit Karditis und bleibendem Herzklappenschaden: I.d.R. bis zum 40. LJ, mindestens aber für 10 Jahre

Literatur
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